Die Sammlung des Patriarchen
Von Steigerungen bei den Zuschlagsraten bis an die 90 Prozent kann der Auktionshandel gewöhnlich nur träumen. Dem Münchener Auktionshaus Neumeister gelang das mit einer umfangreichen Tranche von Malerei des 19. Jahrhunderts aus der Sammlung Schäfer. Sogar biedermeierliche Idyllen und Alltagszenen fanden ihre Käufer.
Der Name Georg Schäfer (1896 – 1975) hat Klang. Wirtschaftshistoriker mögen sich noch an den Miteigentümer der FAG Kugelfischer erinnern. Und für viele Kunstsammler ist sein Name immer noch ein Qualitätssiegel, wenn es um die Kunst des 19. Jahrhunderts geht. Als vergangene Woche bei Neumeister in München mehr als 100 Kunstwerke aus der einst ausufernden Privatsammlung des Schweinfurter Industriellen versteigert wurden, war der Auktionssaal bis auf den letzen Platz gefüllt.
Doch die Saalbieter stiegen schnell aus, als Andrea Appianis anspielungsreiches „Porträt Auguste Amalie Beauharnais mit ihren Töchtern“ von 1809 versteigert wurde. Das Gemälde mit der unteren Taxe von 35.000 Euro war ursprünglich ein persönliches Geschenk der Porträtierten an ihren Gatten, den Vizekönig von Italien, anlässlich der gewonnen Schlacht von Raab. Es wurde das teuerste Kunstwerk der Auktion. Bei 303.000 Euro – hier wie im Folgenden immer inkl. 27 Prozent Aufgeld – setzte sich ein italienischer Privatsammler gegen deutsche und schwedische Museen durch.
Ölstudien stehen hoch im Kurs
Diese preislichen Höhen erreichte die Auktion kein zweites Mal, denn weitere Schlüsselwerke von dieser Brisanz fehlten. Für 66.000 Euro übernahm das Grohmann-Museum in Milwaukee das lichte Gemälde „Mädchen mit Ziege“ von Carl Spitzweg – ein bedeutender deutscher Privatsammler hatte das Nachsehen. Verlockend war der Rufpreis von 8.000 Euro für Friedrich von Amerlings melancholische „Italienerin mit Spinnrocken“ von 1846. Einem Münchener Saalbieter war die Schöne letztlich 33.000 Euro wert.
Von 8.000 Euro auf 25.000 Euro kletterte der Preis für Eduard Schleichs d. Ä. spätromantische „Isartallandschaft“. Carl Schuchs von der Pariser Moderne beeinflusstes „Stilleben mit Gemüsekorb, Bierseidel und Äpfeln“ von 1885 trieben viele Telefon- und Saalbieter von 15.000 Euro auf 45.000 Euro hoch. Der Qualität des Angebots entsprechend wurde der Frühklassizismus zurückhaltend beboten. In diesem Bereich führen Jakob P. Hackerts „Badende Nymphen“ von 1767 mit 38.000 Euro das Feld an.
Emotion als Kaufanreiz
Dass Ölskizzen und Vorstudien bei Sammlern hoch im Kurs stehen, bestätigte einmal mehr Christian Morgensterns atmosphärische „Wolkenlandschaft“. Aufgrund zahlreicher Vorgebote startete die Papierarbeit gleich bei 2.000 Euro, wurde aber dem deutschen Handel erst bei 16.000 Euro zugeschlagen. Ebenso lief es bei Friedrich Wasmanns Ölstudie „Südliche Landschaft“. Sie ging für 15.000 Euro an einen Berliner Sammler. Im Rheinland erfreut jetzt die „Bucht von Palermo“ von Franz Ludwig Catel einen Liebhaber. Die kleine Papierarbeit brachte 30.000 Euro.
Katrin Stoll sieht in diesen Steigerungen auch eine Bestätigung dafür, dass das 19. Jahrhundert nicht durch hohe Taxen vor einem Preisabschwung bewahrt werden muss. Vor zehn Jahren hat Neumeister schon einmal Teile der Sammlung Schäfer aus dem Besitz der Erben versteigert. Vergleicht man die Ergebnisse, unterliegt der Markt für die Meister der Genremalerei, die Alltagszenen darstellt, kaum Schwankungen. Er stagniert. Knapp 46.000 Euro erzielte Heinrich Bürkels detailbetonte Leinwand „Steinbruch“ aus der Spätzeit des Erfolgskünstlers. Jeweils 61.000 Euro erforderten die Gemälde Franz von Defreggers. Seine malerisch brillante Szene „Der kleine Soldat“ ging in den österreichischen Handel – doch dies sind Preisregionen, die schon vor Jahren erreicht wurden. Wenn aber der Preis für eine zur Abstraktion neigende, schnelle Knaben-Porträtskizze von Max Slevogt von 6.000 auf 38.000 Euro schnellt, dann zeigt sich andererseits, wo der Markt wirklich Dynamik besitzt. Handelsblatt / Sabine Spindler