Fußball-WM: Markenmacher und kurzfristiger Umsatztreiber
„Aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen, Rahn schießt ...“ – der Rest ist Geschichte: Helmut Rahn zieht mit Links ab, der Ball schlägt links neben Torwart Grosics im Kasten der Ungarn ein und Deutschland wird erstmals Fußballweltmeister. Seit dem „Wunder von Bern“ sind mehr als 60 Jahre vergangen, doch das Spiel ist im Wesentlichen noch immer das gleiche. Und Anleger können die Gewinner sein.
„Aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen, Rahn schießt ...“ – der Rest ist Geschichte: Helmut Rahn zieht mit Links ab, der Ball schlägt links neben Torwart Grosics im Kasten der Ungarn ein und Deutschland wird erstmals Fußballweltmeister. Seit dem „Wunder von Bern“ sind mehr als 60 Jahre vergangen, doch das Spiel ist im Wesentlichen noch immer das gleiche. Und Anleger können die Gewinner sein.
Von Ulrich Stephan
Elf gegen elf, wer die meisten Tore erzielt, gewinnt. Dagegen hat die mediale Bedeutung des Sports um ein Vielfaches zugenommen: Konnten in den 1950er-Jahren nur die wenigsten Fans die WM live im TV verfolgen – und wenn, dann oft nur vor den Schaufenstern der Fernsehgeschäfte –, dürften die diesjährige Weltmeisterschaft in Russland weltweit bis zu 3,5 Milliarden Menschen sehen – und damit die Hälfte der Weltbevölkerung. Mit der globalen Aufmerksamkeit ist auch die wirtschaftliche Komponente der Fußballweltmeisterschaft stetig gewachsen: Sie bietet Unternehmen heutzutage eine riesige Plattform für Werbung und Sponsoring.
Das gilt auch für das Turnier in Russland – wenngleich die damit verbundenen Einnahmen des Fußballweltverbandes FIFA etwas geringer ausfallen dürften als bei der WM 2014 in Brasilien. Die FIFA kalkuliert für die WM 2018 Erlöse aus Marketingrechten in Höhe von 1,45 Milliarden US-Dollar. Dass es vier Jahre zuvor in Brasilien rund zehn Prozent mehr waren, dürfte daran liegen, dass der Ruf der Weltfußballorganisation in den vergangenen Jahren weiter unter Korruptionsvorwürfen gelitten hat. Darüberhinaus gilt Russland vielen Unternehmen als vergleichsweise wenig attraktives Austragungsland, und mit Italien und den Niederlanden haben sich zwei große Fußballnationen – und Absatzmärkte – gar nicht erst für die WM qualifizieren können.
Trotzdem möchten weiterhin große Unternehmen – zunehmend aus China – das globale Fußballfest begleiten. Ein solch relativ kostspieliges Engagement sollte nach Meinung der Deutschen Bank jedoch nur kurzfristig den Umsatz treiben. In der langfristigen Umsatz- sowie Gewinnentwicklung und daher auch in den Aktienkursen dürfte sich dieser Einmaleffekt nicht niederschlagen – schließlich wird an der Börse stets die Zukunft gehandelt. Beteiligten Unternehmen könnte sich lediglich die Chance bieten, die Kundenbindung zu festigen und ihre Marke zu stärken. Insbesondere die Fan- und Sportartikelhersteller sowie die Brauereibranche nutzen die WM, um sich im Gedächtnis der Kunden zu verankern. Außerdem ist das Turnier ein Megaevent für die Tourismus- und Medienindustrie.
Fanartikel und Brauereien im Fokus
Ein großer deutscher Sportartikelhersteller war bereits bei der WM 1954 mit von der Partie. Er stattete damals das deutsche Team um Kapitän Fritz Walter mit neuartigen Schuhen aus: Die Stollen waren nicht genagelt, sondern geschraubt – was nach Einschätzung vieler Experten maßgeblich zum Erfolg der deutschen Mannschaft beigetragen hat. Inzwischen rüsten wenige große Hersteller zusammen den überwiegenden Teil der WM-Teilnehmer mit Sportbekleidung aus. Diesen Unternehmen könnte die Weltmeisterschaft aufgrund steigender Trikot- und Fanartikelverkäufe einen Umsatzschub verleihen – je nachdem, wie weit die von ihnen ausgestatteten Teams im Turnier kommen werden. Mögliche Umsatzsteigerungen dürften jedoch kurzfristiger Natur sein und sich mit Blick auf das Betriebsergebnis in Grenzen halten, denn die Fußballsparte macht bei den Konzernen jeweils nur rund zehn Prozent der Gesamterlöse aus. Interessanter erscheint daher die langfristige Perspektive: Durch ihr regelmäßiges Engagement kann der Bekanntheitsgrad ihrer Marken steigen, was sich nachhaltig in ihren Unternehmenszahlen niederschlagen sollte.
Ähnliches gilt für Brauereien. Denn Fußballschauen scheint durstig zu machen: In der Vergangenheit stieg der Bierkonsum vor allem in fußballbegeisterten Ländern während der Turnierwochen spürbar gegenüber durchschnittlichen Jahren an. Besonders ausgeprägt war der Fußballeffekt in Deutschland, wo während der WM in Brasilien 14 Prozent mehr Bier als im Vorjahreszeitraum getrunken wurde. Für die Brauereibranche insgesamt wird es wie bei den Sportartikelherstellern darauf ankommen, welche Mannschaften im Turnier weit kommen und wie beliebt Bier in diesen Ländern ist. So heißt es, dass die Branche mit Blick auf den Absatz den trinkfreudigen Nationen die Daumen drückt. Wie bei den Sportartikelherstellern dürfte ein möglicher Umsatzschub auch bei den Brauereien jedoch auf die Zeit der Weltmeisterschaft begrenzt bleiben – und der größere Marketingeffekt die langfristige Markenbildung betreffen.
Kaum langfristige Impulse für den Tourismus
Neben den Sponsoren erhoffen sich auch andere Unternehmen positive Impulse durch die Weltmeisterschaft. Das gilt zum Beispiel für Firmen aus der russischen Tourismusbranche: Von den rund 1,5 Millionen ausländischen Besuchern, die in den vier WM-Wochen in Russland erwartet werden, könnten unter anderem Hotels, Taxibetreiber sowie entsprechende Onlinevermittlungsdienste in Form höherer Umsätze profitieren. Dabei dürfte es sich jedoch um einen einmaligen Effekt handeln: Dass die Fußballweltmeisterschaft den Tourismus im Land nachhaltig ankurbelt, scheint unwahrscheinlich.
Wenn überhaupt, kann es Russland gelingen, sich als weltoffenes Land zu präsentieren und Imagepflege zu betreiben. Fußballinteressierte, die die Reise nach Russland nicht auf sich nehmen, verfolgen das Turnier meist am Fernseher – was die Übertragungsrechte der Spiele für die Sendeanstalten entsprechend wertvoll macht, da diese aufgrund erhöhter Werbeerlöse von einem kurzfristigen Umsatzwachstum profitieren könnten.
In der Praxis gestaltet es sich jedoch schwierig, tatsächlich Mehreinnahmen zu erwirtschaften. Denn zum einen sind die Übertragungsrechte sehr teuer und oft nicht exklusiv, zum anderen sind die Zuschauerzahlen erst ab den Achtelfinalspielen konstant hoch. Die große Frage ist also, ob der positive Effekt des Umsatzwachstums oder der negative Effekt der höheren Kosten überwiegt. Unter anderem wird es hierbei darauf ankommen, welche Nationalteams im Turnier weit kommen werden. Stärker als die „klassischen“ Medien könnten daher Social-Media- Anbieter profitieren: Durch das Interesse an der Fußball-WM dürften das Nachrichtenaufkommen und die Aktivitäten der Nutzer zunehmen und entsprechend höhere Werbeeinahmen fließen.
Markenbildung im Vordergrund
Insgesamt sind mögliche, mit der WM verbundene Mehreinnahmen für Unternehmen also meist nur kurzfristiger Natur. Das gilt gleichermaßen für Sportartikelhersteller, Brauereien, die Tourismusbranche sowie Medienhäuser. Insbesondere die großen Sponsoren könnten durch ihr Fußballengagement jedoch ihre Marke und damit ihre Produkte positionieren. Davon dürften die Unternehmen langfristig profitieren, denn Kunden bleiben Marken häufig treu. Ist eine Marke erst einmal im Bewusstsein des Kunden verankert, ist dieser auch bereit, einen höheren Preis für die entsprechenden Produkte zu bezahlen.
Daher verfügen derartige Unternehmen über eine höhere Preissetzungsmacht – was sich langfristig positiv auf die Gewinnentwicklung und damit auch auf die Aktienkurse auswirken könnte. Dabei gilt es jedoch zu beachten, dass Sponsoring und eine starke Marke allein keine Erfolgsgaranten darstellen. Denn so stark die Kundenbindung ist: Sie besteht nur so lange, wie die Produkte die steigenden Anforderungen der Kunden erfüllen können. Mit den Fußballschuhen von 1954 zum Beispiel würde heute wohl kaum noch jemand auf den Platz gehen.
Dr. Ulrich Stephan ist Chefanlagestratege für Privat- und Firmenkunden der Deutschen Bank.