Vom Luthergedenken zur Einigungsbewegung
Martin Luther und sein Thesenanschlag vin Wittenberg sind in diesen Tagen in aller Munde. Das andere runde Jubiläum, das sich unlängst ereignete, hatte auch mit Martin Luther und der Reformation zu tun. Am 18. Oktober 1817 sammelten sich auf der Wartburg bei Eisenach Studenten aus dem deutschen Sprachraum und gedachten des Reformators ebenso wie der nur vier Jahre zurückliegenden Völkerschlacht.
Martin Luther und sein Thesenanschlag vin Wittenberg sind in diesen Tagen in aller Munde. Das andere runde Jubiläum, das sich unlängst ereignete, hatte auch mit Martin Luther und der Reformation zu tun. Am 18. Oktober 1817 sammelten sich auf der Wartburg bei Eisenach Studenten aus dem deutschen Sprachraum und gedachten des Reformators ebenso wie der nur vier Jahre zurückliegenden Völkerschlacht.
Beseelt von patriotischer Begeisterung und angetrieben von dem Wunsch nach einem geeinten Deutschland traten die Studenten im Herbst 1817 in die Öffentlichkeit. Rund 500 von ihnen fanden sich auf der Landesburg des Landgrafen von Thüringen ein, und sie taten dies mit Billigung des Landesherrn – anders wäre das Treffen nicht denkbar gewesen. Die Zahl der Anwesenden ist dabei erstaunlich hoch, denn im ganzen deutschen Sprachraum waren damals knapp 9.000 Studenten immatrikuliert, und es gab noch nicht einmal eine Eisenbahn, geschweige denn Autobahnen!
300 Jahre nachdem Luther sein Lebenswerk begann, das die katholische Kirche und damit de facto das Deutsche Reich spaltete und den Protestantismus hervorbrachte, riefen seine Bewunderer nach der Einheit der deutschen Nation. Sie standen unter dem unmittelbaren Eidruck der Befreiungskriege gegen Napoleon und waren sich allesamt der geistigen Welt im 1806 untergangenen Alten Reich bewusst. Diese wollten sie fortentwickeln. Die bekanntesten Vordenker und Propagandisten dieser „burschenschaftlich“ genannten Bewegung waren Friedrich Ludwig Jahn, Ernst Moritz Arndt und Johann Gottlieb Fichte, die einen großen Einfluss auf ihre studentischen Anhänger ausübten.
Vom Gedenken in die Zukunft
In jenen Oktobertagen verband sich auf der Wartburg das Gedenken an Luther mit einem nationalen Pathos und einer patriotischen Aufbruchstimmung, die sich in öffentlichen Feiern und Zeremonien äußerten, wobei ältere Zeremonien in die neue richtung umgedeutet wurden. Die Anwesenden hielten einen Festumzug ab, veranstalteten Festmähler und Ansprachen über deutsche Geistesgrößen und gedachten der Gefallenen der Befreiungskriege. Die Person Martin Luthers wurde im Rahmen des Festes weniger als Religionsstifter, sondern vielmehr als nationaler Heroe verehrt, der sich gegen die Obrigkeit auflehnt und durch seine Bibelübersetzung das Wort Gottes dem Volk vermittelt hatte.
Vor diesem Hintergrund war die Wartburg als Veranstaltungsort bestens gewählt. Auf dieser Burg, die nordwestlich von Eisenach liegt und ab 1067 entstanden war, hielt sich Luther vom Mai 1521 bis zum März 1522 vor seinen Feinden versteckt. Unter dem Tarnnamen „Junker Jörg“ dort einquartiert, übersetzte er in jenen Monaten die Bibel in die deutsche Sprache. Ein Tintenfleck an der Wand von Luthers Kammer soll der Legende nach entstanden sein, als Luther vom Teufel heimgesucht wurde. Mit einem beherzten Wurf des Tintenfasses soll der streitbare Reformator den Leibhaftigen vertrieben haben.
Thüringen: Ursprungsland der Burschenschaft
Da sich die erste Burschenschaft, die sogenannte Urburschenschaft, 1815 im relativ nahgelegenen Jena gegründet hatte, war die Wartburg als Erinnerungsort für die Studenten auch eine ganz praktische Wahl als Veranstaltungsort. Im Oktober 1817 blieb es auf dem Wartenberg jedoch nicht nur bei Sonntagsreden. Die nationale Hochstimmung der Studenten, von denen viele in den Befreiungskriegen gekämpft hatten, schlug sich auch in rebellischen Handlungen nieder. Es wurden Symbole der als alt und überkommen angesehenen staatlichen Ordnung verbrannt. So wurden unter anderem ein preußischer Ulanenschnürleib, ein hessischer Zopf und ein österreichischer Korporalstock in die Flammen geworfen.
Auch unliebsame Schriften, wie der Code Napoleon, der die verhasste Fremdherrschaft repräsentierte, wurden symbolisch verbrannt, wobei es sich dabei in Wirklichkeit um Makulaturballen aus einer Eisenacher Druckerei handelte. Diese Vorgänge werden bisweilen noch heutzutage von linken Kreisen herangezogen, wenn eine angebliche Traditionslinie vom Wartburgfest zu den Bücherverbrennungen durch die Nationalsozialisten konstruiert werden soll. Denn die angebliche „Bücherbrennung“ auf der Wartburg war dies eben nicht. Sondern ein symbolischer Akt der Rebellion, der nicht gewalttätig war – weder geistig noch materiell. Wenn doch nur die Antifa heutiger Tage auch so symbolisch handeln würde!
Abseits derartig offensichtlicher Diffamierungsversuche ist den wenigsten bewusst, dass die Flagge der Bundesrepublik ihren Ursprung in der studentischen Bewegung der Ära nach Napoleon hat. So hatten die Mitglieder der Urburschenschaft ihre Uniformfarben aus dem Freikorps Lützow, als dessen Angehörige sie gegen Napoleons Truppen gekämpft hatten, für ihre Flagge gewählt. Das schwarz-rot-gold wurde in der Folge nicht nur in der Flagge der Urburschenschaft verwendet. Als „Dreifarb“ wurde es auch zum Symbol für den Wunsch der Studenten nach einem geeinten Deutschland. Die vorherigen Staaten, auch das Alte Reich, hatten jeweils nur zwei Farben gehabt. Die Farben des Reiches waren zum Beispiel Rot und Weiß. Wie wirkmächtig indes das Wartburgfest war und wie zukunftsweisend es sein sollte, zeigte sich bald darauf. Im unmittelbaren Nachgang gründeten sich an fast allen deutschen Universitäten ebenfalls Burschenschaften, die zu Vorreitern und Vorkämpfern der Einigungsbewegung wurden.
Immer noch rebellisch
Bis heute ist die Wartburg für die Burschenschaften und den Verbindungsverband des evangelischen Wingolfsbundes von großer Bedeutung. So treffen sich dort regelmäßig die Angehörigen dieser Studentenverbindungen. 2014 verweigerte die Burgstiftung jedoch der Deutschen Burschenschaft den Zutritt zur Wartburg für ihre Veranstaltung. Begründet wurde dieser Schritt damit, dass die Deutsche Burschenschaft und ihre Feier „nicht mehr akzeptabel“ seien. Flankiert wurde dieser Schritt von der Eisenacher Bürgermeisterin Katja Wolf. Sie ist eine Politikerin der Linkspartei, deren Wurzeln nicht demokratisch, sondern totalitär-kommunistisch sind. Der Politikerin mit SED-Genom sind die Studentenverbindungen insgesamt ein Dorn im Auge, unbeschadet der unbestritten positiven Rolle der Studenten beim Entwickeln und Beleben der Demokratie im frühen und mittleren 19. Jahrhundert. Das ist so pikant wie bemerkenswert.
Doch Frau Wolf wurde mit den Mitteln des 21. Jahrunderts links überholt. Ganz in der Tradition ihrer rebellischen Gründerväter setzen sich einige Burschenschafter über die offizielle Ausladung hinweg und trafen sich in Form eines Flashmobs mitten auf dem Burghof. Merke: In Thüringen rebellierte man nicht nur 1517 und 1817 gegen die Obrigkeit.