2017: Jeder Wunsch hat seinen Preis
Der globale Konjunkturzyklus, der im ersten Quartal 2016 einen Tiefpunkt erreicht hatte, konnte im übrigen Jahresverlauf allmählich wieder Fahrt aufnehmen. Er hat im November einen deutlichen Impuls durch die unerwartete Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten erhalten. Das Jahr 2017 beginnt also unter positiven Vorzeichen, begünstigt durch zyklische Faktoren. Insofern ist im Moment eine weiterhin positive Performance der Aktienmärkte gerechtfertigt.
Der globale Konjunkturzyklus, der im ersten Quartal 2016 einen Tiefpunkt erreicht hatte, konnte im übrigen Jahresverlauf allmählich wieder Fahrt aufnehmen. Er hat im November einen deutlichen Impuls durch die unerwartete Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten erhalten. Das Jahr 2017 beginnt also unter positiven Vorzeichen, begünstigt durch zyklische Faktoren. Insofern ist im Moment eine weiterhin positive Performance der Aktienmärkte gerechtfertigt.
Von Didier Saint-George
Statt sich vor einer x-ten Enttäuschung über das Wachstum zu fürchten oder sich auf die zahlreichen politischen Risiken in Europa zu konzentrieren, auf die schon etliche Male hingewiesen wurde, sollte man sich dieses Mal daher vielleicht die entscheidende Frage nach den Folgen des Anziehens der Konjunktur stellen.
Denn dieser leichte Konjunkturaufschwung geht mit zwei logischen Konsequenzen einher: Einem – ebenfalls zyklischen – Anziehen der Inflation und einer Stärkung des Dollars. Geleitet vom Wunschdenken, dass sich die wirtschaftlichen Aussichten verbessern, könnten die Märkte fast vergessen, die Konsequenzen bezüglich der Anfälligkeit der Anleihemärkte und damit einhergehend für die Bewertungen der Aktienmärkte zu prüfen. Das wäre sehr unvorsichtig.
Der vom „Trump-Effekt“ gepushte Konjunkturzyklus Wir haben oft darauf hingewiesen, dass einer der häufigsten Fehler von Wirtschaftsexperten darin besteht, strukturelle Tendenzen und zyklische Entwicklungen miteinander zu vermischen. Die schwindelerregende Anhäufung von Schulden weltweit sowie der Mangel an öffentlichen und privaten Investitionen der vergangenen acht Jahre verurteilen das potenzielle weltweite Wachstum und die langfristige Inflation zur Kraftlosigkeit. Aber diese generelle Tendenz spricht keineswegs gegen zwischenzeitliche zyklische Entwicklungen. Ganz im Gegenteil: das Schrumpfen des Handlungsspielraums der Regierungen und Zentralbanken begrenzt ihre Fähigkeit, zyklische Ausschläge abzufedern, die dadurch noch heftiger sein können. Wir befinden uns wahrscheinlich am Beginn einer solchen Entwicklung.
Wie im November bereits erwähnt, muss man die Wahl von Donald Trump als einen Katalysator für die Konjunktur verstehen. Bereits jetzt deutet sich an, dass die amerikanische Wirtschaft wieder Fahrt aufnimmt. Der Index des Verbrauchervertrauens hat sich von seinem tiefsten Stand seit 2007 erholt - und zwar weit über das von der Mehrheit der Wirtschaftsexperten erwartete Maß hinaus. Auch Unternehmen reagieren positiv auf das Wahlergebnis, denn nach den ersten seit der Wahl veröffentlichten Zahlen liegt das Wachstum der Bestellungen von Investitionsgütern zum ersten Mal seit 2015 wieder im positiven Bereich (+1,8 Prozent im November).
Dieser Aufschwung hat einen globalen Charakter: In Japan zog die zyklische Industrieproduktion im November mit einem Plus von 2,9 Prozent weiter an, was dem höchsten Wert seit 30 Monaten entspricht. In Europa verbessert sich die Industrieproduktion nur langsam, wenngleich der ifo Geschäftsklimaindex in Deutschland zulegt und mittlerweile seinen Stand von Anfang 2014 erreicht hat. Der Konjunkturaufschwung ist also spürbar, und das bereits bevor die von Donald Trump versprochene Fiskalpolitik zur Ankurbelung der Wirtschaft ins Spiel kommt. Daher kann sich die Sektorrotation, die im ersten Quartal 2016 auf den Aktienmärkten eingesetzt hat, ohne Weiteres fortsetzen.
Zyklisches Wiederaufflammen der Inflation
Die erste Begleiterscheinung dieser weltweiten wirtschaftlichen Trendwende ist ein allmähliches Anziehen der Inflation. Der vorherige Konjunkturabschwung ging mit einem Anstieg des US-Dollars von Mitte 2014 bis 2015 einher, begleitet von einem starken Rückgang der Rohstoffpreise und einem Einbruch des Ölpreises. All das hatte die strukturellen Deflationstendenzen vorübergehend verstärkt. Nunmehr hat sich dieses Phänomen jedoch umgekehrt. Die Pause des Dollar-Anstiegs hat ein starkes Anziehen des Ölpreises und die positive Stimmung in der Wirtschaft im Jahr 2016 ermöglicht. Diese zyklische Verbesserung wird somit von einem Wiederaufleben inflationistischer Signale begleitet, wenngleich auf sehr niedrigem Niveau.
Die nominale Inflationsrate in den USA könnte aus unserer Sicht im ersten Halbjahr 2017 durchaus die 2,5-Prozent-Marke überschreiten, noch bevor sich in einer zweiten Phase Lohndruck bemerkbar macht. China ist die jährliche Erzeugerpreissteigerung in den vergangenen zwölf Monaten von -6 auf +3 Prozent geklettert. In der Eurozone stieg sie von -4 Ende April 2016 zum Jahresende auf 0 Prozent. Auch wenn es sich hier noch nicht um Inflation handelt, ist der Basiseffekt in Europa erheblich und diese Trendwende zählt für die Märkte. Sie dürfte mit leichter Verzögerung dieselbe Tendenz auch bei den Verbraucherpreisen fördern. In Japan ist die Inflation weiterhin gering, aber nachdem sie seit Mitte 2014 kontinuierlich gesunken und im vergangenen Jahr sogar in den negativen Bereich gefallen war, hat sie im vierten Quartal 2016 zum ersten Mal wieder angezogen.
Die Anleihemärkte an vorderster Front Die Fortsetzung der extrem akkommodierenden Geldpolitik der Zentralbanken hat bislang die Anpassung der Anleihemärkte an dieses erneute Anziehen der Preise verzögert. Die Zinsen auf deutsche Staatsanleihen bei knapp 0,3 Prozent haben kaum wieder das Niveau von Anfang 2015 erreicht. Selbst die Zinsen auf amerikanische Staatsanleihen liegen trotz ihres jüngsten Anstiegs weiter unter dem Niveau von Mitte 2014. Der leichte Konjunkturaufschwung in Verbindung mit einem Wiederaufflammen der Inflation könnte in den kommenden Monaten dazu beitragen, das Vertrauen der Märkte in die Entschlossenheit der Zentralbanken, die Zinssätze knapp über Null zu halten, auf eine harte Probe stellen. Das ist ein bedeutendes Marktrisiko, auf das man sich 2017 einstellen muss.
Die Stärke des Dollars – die Crux des Programms Trump
Die Beschleunigung der Kapitalflüsse in Richtung USA ist als eine möglicherweise sehr starke Kraft zugunsten des Dollars zu sehen – das haben wir im Dezember bereits prognostiziert. Ein Vergleich mit dem Anstieg des Dollars nach der Wahl von Ronald Reagan im Jahr 1980 wäre übertrieben, schließlich war das Umfeld ein völlig anderes. Aber es könnte hilfreich sein, sich anzuschauen, was vor kürzerer Zeit nach der Umsetzung des im Jahr 2004 unter der Präsidentschaft von George W. Bush verabschiedeten „Homeland Investment Act“ geschah.
Diese Maßnahme sah steuerliche Anreize vor, um Investitionen im Ausland wieder ins Land zurückzuholen, und zog 2005 einen Kapitalzufluss von etwa 300 Milliarden Dollar nach sich. Der bedeutendste Effekt war ein Anstieg des Dollars im Jahresverlauf um 15 Prozent, obwohl ein bedeutender Anteil der rückgeführten Beträge bereits auf Dollar lautete. Nach seinem jüngsten Anstieg könnte der Dollar eine Pause einlegen. Doch die allmähliche Straffung der Geldpolitik der Fed und die Verringerung des amerikanischen Leistungsbilanzdefizits könnten den Dollar anschließend wieder in den Vorwärtsgang schalten, insbesondere gegenüber den derzeit anfälligen Währungen Pfund und Yen.
Das Paradoxon guter Nachrichten
Es besteht natürlich die Möglichkeit, dass die Radikalität des Programms von Donald Trump zur Konjunkturankurbelung vom Kongress stark zurechtgestutzt wird. Man kann auch nicht ausschließen, dass seine protektionistischen Versprechen den Welthandel belasten. In Europa ist die Zunahme der politischen Risiken berechtigterweise in aller Munde. Doch paradoxerweise übersieht die Fokussierung auf diese Risiken vielleicht das Wesentliche, denn der Konjunkturaufschwung geht weltweit vonstatten und über den Trump-Effekt hinaus. Dies erklärt das Verhalten der Aktienmärkte seit drei Monaten. Der Aufschwung ist jedoch rein zyklischer Natur und aufgrund der von den Zentralbanken seit Jahren künstlich am Boden gehaltenen Zinsen könnte er im Laufe des Jahres eigene Gegenkräfte erzeugen: Turbulenzen an den Anleihemärkten, erst recht, wenn diese mit einem Anstieg des Dollars einhergehen, würden für die amerikanische Wirtschaft eine deutliche Verschlechterung der finanziellen Rahmenbedingungen bedeuten.
Dies käme zudem zu einem Zeitpunkt, an dem der Konjunkturzyklus erste Anzeichen von Erschöpfung erkennen ließe. So werden die Aktienmärkte, nachdem sie zunächst weiterhin von der Verbesserung der Konjunktur profitiert haben, mit der Anpassung der anderen Anlageklassen an das neue Umfeld konfrontiert sein. Da die Macht der Zentralbanken weiter schwindet, kehrt der Primat der Konjunkturzyklen an die Märkte zurück und damit eine aktive Verwaltung der Portfolios.
Didier Saint-Georges ist Mitglied des Investmentkomitees bei Carmingnac und dessen Managing Director.