Alpha-Zertifikate - Wer A sagt, sollte auch B sagen
Zu den interessantesten Neuerungen des Jahres 2006 gehörten Alpha-Produkte. Doch erst nach zwei Jahren Praxistest zeigt sich, welche Konstruktionen ihr Geld wirklich wert sind. Wir stellen ihnen die wichtigsten Typen vor.
Die Alpha -Tiere unter den Zertifikaten zielen darauf ab, eine systematische Überrendite im Vergleich zu ihren Benchmarks zu erzielen. An einem definierten Stichtag wird dann entweder ein fixer Bonusbetrag oder die prozentuale Outperformance ausbezahlt. Im Fachjargon bezeichnet man die Marktrendite als Beta und den hier avisierten, zusätzlichen Gewinn als Alpha – daher auch der Name der Produkte. Die Alpha-Strategie verfolgt also das Ziel, die Wertentwicklung eines Investments vom Gesamtmarkt abzukoppeln.
Value-Titel langfristig besser
Bei der passiven Variante treten einfach zwei Indizes gegeneinander an – zum Beispiel der europäische Dividendenindex und der Deutsche Aktienindex DAX. Die Rendite des Anlegers ergibt sich aus der relativen Wertentwicklung. Der Grund für diese Kombination liegt in der historischen Entwicklung. Denn rein statistisch gilt es als sicher, dass sich Aktien mit hoher Dividendenrendite langfristig besser entwickeln als der Gesamtmarkt. Tatsächlich kann dies auch jedermann nachvollziehen. Beispielsweise anhand eines Vergleichs des DJ EURO STOXX Select Dividend 30 Index gegenüber dem DAX. Der Index, der die 30 dividendenstärksten Aktien aus dem Euroraum zusammenfasst, hat den DAX – in der Regel sogar als Preisindex – in den meisten historischen Zeiträumen signifikant geschlagen. Die ersten Alpha-Papiere wurden daher wie folgt konstruiert: Steigt der Dividendenindex stärker als der DAX, ist die Differenz die Rendite des Anlegers. Entwickeln sich beide Indizes gleich, ist die Rendite null, und steigt der DAX sogar schneller, wird der Ertrag des Anlegers negativ.
Unverhofft kommt oft
Doch gerade auf die Börsen trifft das Sprichwort „unverhofft kommt oft“ in besonderem Maße zu. In der Folge schnitten während der Börsenhausse im ersten Halbjahr 2007 vor allem Aktien von europäischen Dividendentiteln schlechter ab als die boomenden Leitindizes. Mit der Folge, dass die hochgelobten Neulinge heute deutlich im Minus notieren: so beispielsweise der Europe Alpha Generator (WKN: BVT7EA), der seit Emission Mitte Dezember 2005 um rund -15,90% verloren hat oder das Alpha Pairs II Papier (WKN: DB6GLT), das seit Oktober 2006 rund 8,8% verloren hat. Noch schlimmer traf es teilweise die Alpha-Zertifikate mit Expressmechanismus. Sie kombinieren die Alpha-Struktur mit dem bekannten Expressmechanismus und bieten damit die Chance, schon vor Ende der Laufzeit eine positive Rendite – in Form einer Bonuszahlung – zu erzielen. Letztere richtet sich danach, ob der gewählte Basiswert an einem festgelegten Stichtag besser abschneidet als der entsprechende Vergleichwert. Ein Beispiel für ein solches Produkt ist das im Mai 2007 emittierte Outperformance Express Zertifikat (WKN: UB96A6) der UBS. Hier treten der DJ EURO STOXX Select Dividend 30 Index und der DJ EURO STOXX 50 Index gegeneinander an. Weil der Dividendenindex, dank des vergleichsweise hohen Anteils an Finanztiteln deutlich stärker gefallen ist als der europäische Bluechip-Index, liegt das Papier mittlerweile rund 30% im Minus.
Blindes Vertrauen gefährlich
Ein Zusammenhang, der nicht nur für dieses Produkt gilt, denn mit dem Ausbruch der Finanzmarktkrise geriet auch die Kennzahl Dividendenrendite unter die Räder. Bei der Berechnung der Dividendenrendite wird die letzte Ausschüttung zum aktuellen Aktienkurs ins Verhältnis gesetzt. Ob eine Auszahlung überhaupt wieder in ähnlicher Höhe erfolgen kann, bleibt dabei völlig unberücksichtigt. Weil gerade Banken traditionell hohe Dividenden zahlen und deren Kurse in der Krise besonders stark einbrachen, wirken Finanzwerte nur auf den ersten Blick attraktiv. Doch nicht nur der Mensch lässt sich täuschen: Aufgrund der rein quantitativ gesteuerten Auswahlprozesse sind die gebeutelten Institute stark in den Dividendenindizes vertreten: Im DivDAX beträgt ihr Gewicht beispielsweise 32,4%, während es im DAX selbst nur 20,2% sind. In der Folge entwickelten sich gerade die Dividendenindizes besonders schlecht. So kommt eine im März veröffentlichte Studie der Credit Suisse zu dem Ergebnis, dass die Dividendenstrategie seit Ausbruch der Krise im Sommer 2007 bis Februar 2008 eine der am schlechtesten laufenden Strategien überhaupt war.
Die nächste Generation
Die Emittenten haben jedoch inzwischen auf den Fehlstart einiger Alphas reagiert. Beispielsweise wurden Produkte mit eingebautem Puffer lanciert. So kann bei dem im Juli 2007 emittierten Alpha Express Pro-Zertifikat (WKN: DB1HSV) der DivDAX gegenüber dem DAX am Laufzeitende (29.07.2013) bis zu 40% zurückliegen, ohne dass dem Anleger ein Verlust entsteht. Dank der cleveren Konstruktion liegt das Zertifikat mit rund 8% im Plus – während bei einer Direktinvestition in beide Indizes ein Verlust zu verbuchen wäre. Die neueste Entwicklung stellen sogenannte Alpha-Beta-Strukturen dar. Hier wird am Laufzeitende nicht nur die relative Performance der zwei Basiswerte berücksichtigt, sondern zusätzlich auch die absolute Kursentwicklung der Long-Position. Die Rückzahlung des Zertifikates richtet sich nach der für den Anleger günstigeren Alternative. Trotzdem gibt es auch bei den verbesserten Alphas natürlich keine Gewinngarantie. Wenn nämlich sowohl die relative als auch die absolute Performance des Favoriten negativ ist, sind Verluste auch hier nicht zu verhindern. Zu beobachten ist dies sowohl beim Alpha/Beta Gewinner Zertifikat (WKN: ML0BZ8) von Merrill Lynch, das bereits mit rund -44% im Minus liegt als auch beim Alpha-Beta-Zertifikat (WKN: BC0BTN) von Barclays Capital, das mit rund -23% unter Wasser steht.
Umfeld für aktive Strategien
Doch wer Alpha-Produkte nun in ihrer Gesamtheit abschreibt, begeht einen Fehler. Denn gerade das Börsenumfeld 2008 kommt den aktiven Alpha-Strategien entgegen: So versucht das japanische Bankhaus Nomura mit seinem Pure-Alpha-Zertifikat (WKN: A0HX0X) erfolgreich vom Mehrertrag bestimmter Fonds gegenüber deren Vergleichsindizes zu profitieren. Das Zertifikat bildet den Single- Hedgefonds Südprojekt Fund Market Neutral der DWS ab und die Ratingagentur Südprojekt filtert jene Fonds heraus, die den Index schlagen sollen. Derzeit sind acht Aktienfonds im Portfolio, die sich auf Europas Börsen konzentrieren und jährlich zwei bis drei Prozent Outperformance bringen. Zwar blieb auch dieses Produkt von den Börsenturbulenzen nicht verschont, dennoch zeigt sich das Papier einem Direktinvestment überlegen. Einen anderen Weg geht ABN AMRO mit seinen Alpha-Zertifikaten (z.B. WKN: ABN2GB). Den Erfolg soll hier ein statistischer Ansatz bringen. So hat man mittels Backtesting herausgefunden, dass nur einige wenige, besonders positive Handelstage für den Großteil der jährlichen Wertentwicklung des DAX – aber auch von Dow Jones, Nikkei und anderen Börsenbarometern – verantwortlich sind. Aus diesem Grund wird nur an diesen Tagen in die entsprechenden Underlyings investiert – die restliche Zeit liegt das Geld auf Tagesgeldkonten. Seit Ende April konnte das Papier um fast 9% zulegen – gerade die Turbulenzen an den Börsen scheinen dem Zertifikat gut zu bekommen.
Fazit
Eine Risikoreduzierung ist natürlich immer wünschenswert und Alpha-Produkte können zu einer Reduzierung oder vollständigen Eliminierung des Marktrisikos beitragen, allerdings sollte sich der Anleger darüber im Klaren sein, dass er sich dafür ein Strategierisiko ins Depot holt. Denn wenn die mit dem Zertifikat verbriefte Strategie nicht aufgeht, diese also schlechter abschneidet als die Benchmark, dann kommt es auch hier zu Verlusten. Wie gezeigt gilt dies auch für die als Allzweckwaffe gepriesenen Alpha-Beta-Produkte: Geht nicht nur die Strategie nicht auf, sondern fallen auch insgesamt die Kurse – entstehen herbe Verluste. Anlegern, die eine klare Meinung zur Marktentwicklung haben, erhalten hingegen die Möglichkeit, mit Alpha- Produkten eine der risikoärmsten Strategien kostengünstig umzusetzen.