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Vier Auswege aus dem Zinsdilemma bei Anleihen

Investments in klassische Anleihen erscheinen angesichts steigender Inflationsraten und den Rekordläufen an den Aktienbörsen immer unattraktiver. Die Lösung könnte in mehr Mut zur Vielfalt liegen, glaubt Analystin Seema Shah.

(Foto: solarseven / Shutterstock)

Investments in klassische Anleihen erscheinen angesichts steigender Inflationsraten und den Rekordläufen an den Aktienbörsen immer unattraktiver. Die Lösung könnte in mehr Mut zur Vielfalt liegen, glaubt Analystin Seema Shah.

Klassische Anleihen kommen aktuell so attraktiv daher wie eine Handvoll Sand nach Tagen in der Wüste. Kaum jemand will sie haben. Vielleicht um das Portfolio zu diversifizieren, aber zum Vermögensaufbau taugen die Bonds schon lange nicht mehr. Die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen liegt aktuell bei 1,6 Prozent. Die Inflationsrate ist im März auf 2,5 Prozent gestiegen. Es braucht kein Mathematikgenie, um zu erkennen: Das geht sich nicht aus.

Hierzulande wirft die zehnjährige Bundesanleihe sogar Negativrenditen ab. Gleichzeitig stellen die Aktienmärkten dies- und jenseits des Atltaniks fast täglich neue Rekorde auf. Jetzt Staatsanleihen kaufen, das ist ein bisschen so, als hätte man die Wahl und entschiede sich, um noch einmal das Wüstenbild zu bedienen, durstig, an einer kleinen Wasserstelle stehend, vorsichtshalber für ein Kilo Sand, nur um dem Risiko einer Infektion zu entgehen.

Das mag eine Übertreibung sein, doch der anhaltende Run auf Aktien zeigt die Unattraktivität der Rentenmärkte und damit den Mangel an risikoarmen Alternativen zur Geldanlage deutlich genug auf. Gefühlt beschweren sich Anleger ihr Depot, wie der Wanderer in der Wüste seinen Rucksack mit Sand. „Vorwärts“ jedenfalls kommt man damit aktuell nicht wirklich. Nur was, wenn einem die Risiken anderswo, zuvorderst am Aktienmarkt, zu hoch sind? Müssen risikoaverse Menschen, die ihr Vermögen beispielsweise nur bis zur Rente absichern wollen, zuschauen wie es auf dem Bankkonto Jahr um Jahr weniger wert wird?

Für Anleger, die auf der Suche nach Auswegen aus dem Dilemma sind, gibt es zwei naheliegende Optionen: sich entweder auf längere Laufzeiten der Bonds einlassen oder bei der Schuldnerqualität Abstriche machen. Risikoarm ist das dann allerdings auch nicht mehr und die Renditen bleiben immer noch bescheiden. Die Rendite 30-jähriger US-Staatsanleihen liegt beispielsweise bei 2,4 Prozent, also immer noch unter der aktuellen Inflationsrate und in etwa auf dem Niveau der durchschnittlichen Dividendenrendite im DAX. Als Ergänzung sicher okay, mehr aber auch nicht.

Was also tun? Die Antwort könnte in vier Auswegen liegen, für die es Mut zur Vielfalt braucht.  „Investoren sollten kreativer werden und ihren Instrumentenkasten entschlossener als bislang vergrößern“, sagt Seema Shah, Chefstrategin beim Vermögensverwalter Principal. Durch eine Kombination festverzinslicher Anlagen über das gesamte Risikospektrum, könnten sich Anleger besser positionieren und ausgeglichen investieren, so die Analystin weiter. Shah empfiehlt deshalb US-Kommunalanleihen, Schwellenländeranleihen, Private Debt und sogenannte Nachranganleihen (englisch: Preferred Securities).

US-Kommunalanleihen

US-Kommunalanleihen werden von den Bundesstaaten, Städten und Gemeinden ausgegeben. Rund drei Viertel aller US-Infrastrukturprojekte werden inzwischen mit Hilfe dieser Anleihen finanziert. Höhere Infrastrukturausgaben im Zuge des von der Biden-Regierung verabschiedeten Konjunkturprogramms in Höhe von 1,9 Billionen US-Dollar, könnte die Ausgabe ankurbeln. US-Kommunalanleihen (englisch: municipal bonds) haben zwei Vorteile: Zum einen sind sie im Vergleich sicherer als US-Unternehmensanleihen, bei vergleichbarer Kreditqualität und höherer Rendite. Zum anderen sind sie für US-Bürger steuerbefreit. Für ausländische Anleger gibt es die Möglichkeit in „Build America Bonds“ zu investieren. Diese sind zwar nicht steuerbefreit, dafür gibt es einen Bundeszuschuss als Ausgleich. 2021 stehen die kurz „Munis“ genannten Anleihen auf Rang drei der bestperformenden Anleihegattungen.

Schwellenländeranleihen

Schwellenländeranleihen (kurz: EMD) haben sich in den vergangenen Jahren gut entwickelt und könnten dies nach Ansicht von Seema Shah weiterhin tun. „Eine weitere Schwächung des US-Dollars, der jüngst auf ein Dreijahrestief gefallen ist, könnte der Anleiheklasse weiterhin Rückenwind in lokaler Währung geben“, so die Analystin. Darüber hinaus könnten viele Schwellenländer-Regionen sowohl von einer globalen Wachstumsbeschleunigung, als auch von höheren Rohstoffpreisen profitieren. „Anleger, die dazu in der Lage sind, die  Ineffizienzen des globalen Marktes zu nutzen, werden attraktive Möglichkeiten finden“, glaubt Shah.

Private Debt

Private Debt meint Kreditfonds, die außerhalb des Kapitalmarkts Fremdkapital zur für Unternehmen bereitstellen. „Aufgrund ihres differenzierten und illiquiden Charakters weisen private Kreditfonds häufig hohe Renditen auf und bieten einzigartige Risiko- und Ertragsprofile“, sagt Shah. So lässt sich beispielsweise verstärkt auf bestimmte Branchen und Trends setzen.Variable Zinsstrukturen könnten zudem vor steigenden Zinsen schützen, meint Shah.

Preferred Securities

Nachranganleihen (englisch: Preferred Securities) liegen aktuell besonders im Trend. In diesem Jahr führen sie die Liste der bestperformenden Anleihegattungen an. Und auch in den vergangenen Jahren, standen sie viermal (2012, 2014, 2015, 2019) an erster Stelle. Nachranganleihen funktionieren ähnlich wie Unternehmensanleihen. Wie ihr Name schon sagt, kommen die Gläubiger aber nachrangig zum Zug, sollte das Unternehmen insolvent gehen. Heißt: Es kann zum Totalverlust kommen, was die Anleiheklasse damit zu einer hochriskanten macht. Dafür verspricht sie bessere Renditen. „Nachranganleihen weisen häufig aktienähnliche Attribute auf, die die Renditen verbessern und die Korrelation des eignen Portfolios mit den US-amerikanischen und globalen Anleihemärkten verringern können“, sagt Analystin Shah. Darüber hinaus sei zu bedenken, dass das aktuelle wirtschaftliche Umfeld die Spreads stützt. „Banken und Finanzinstitute sind für die Ausgabe von mehr als zwei Dritteln aller Nachranganleihen verantwortlich und dürften durch fiskalische Anreize, steigende Infrastrukturausgaben und einer sich beschleunigenden Impfkampagne weiter Anreiz dazu haben“, erklärt Shah.

Fazit

Für die Analystin bleibt als Fazit: „Für Anleiheinvestoren ist eine erweiterte Strategie erforderlich, um eine stärkere Diversifizierung zu erreichen, Einnahmen zu erzielen, Kapital zu erhalten und dieses vor Inflation zu schützen. Anleger, die festverzinsliche Anlagen über das gesamte Risikospektrum hinweg in Betracht ziehen – einschließlich privater Kredite, Nachranganleihen, steuerfreier Kommunalanleihen und bestimmter Schwellenländer-Bonds – sind möglicherweise besser in der Lage, sich im aktuellen Umfeld zurechtzufinden und ihre Anlageziele zu erreichen.“ Übersetzt heißt das wohl so viel, wie: wer sucht, der findet. Zumindest etwas, das mehr verspricht, als eine Handvoll Sand.

Oliver Götz

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