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Armenien: Hindernisse auf dem Weg nach Brüssel

Die christliche Kaukasusrepublik will enger mit der EU kooperieren. Die Europäische Union und Armenien haben am 24. Juli dieses Jahres eine Einigung über die Ausgestaltung eines bilateralen Freihandelsabkommens – Deep and Comprehensive Free Trade Area, kurz DCFTA – erzielt.

BÖRSE am Sonntag

Die christliche Kaukasusrepublik will enger mit der EU kooperieren. Die Europäische Union und Armenien haben am 24. Juli dieses Jahres eine Einigung über die Ausgestaltung eines bilateralen Freihandelsabkommens – Deep and Comprehensive Free Trade Area, kurz DCFTA – erzielt.

Das Land ist klein, aber interessant, gerade auch für Investoren. 2012 hat der nur drei Millionen Einwohner zählende und flächenmäßig dem Bundesland Brandenburg entsprechende Staat ein Plus im Wirtschaftswachstum von satten 7,2 Prozent erwirtschaftet.

Der mächtige Nachbar Russland ist gegen Armeniens Flirt mit der EU. Stattdessen soll das Land der Eurasischen Union beitreten. Das Druckmittel der Russen sind dabei Rohstoffe. Gazprom, als Monopolist gefürchtet, bringt dabei Armeniens Bürger in Rage. Der russische Gaslieferant hat die Tarife jüngst drastisch erhöht. Statt wie bislang 132.000 Dram (238 Euro) kosten1.000 Kubikmeter nun 156.000 Dram (281 Euro). Viel Geld für Menschen, die monatlich im Schnitt gerade 219 Euro verdienen. Und wenn der Mensch nicht weiter weiß, ist Hilfe von oben gefragt. Doch auf Hilfe von der russisch-orthodoxen Kirche, die unter Putin wieder an Einfluss gewonnen, kann Armenien kaum hoffen, denn seit über 1.700 Jahren besitzt das Land eine komplett eigenständige Kirche, die nicht von Moskau – und auch nicht von Rom! – abhängig ist. Doch diese bemerkenswerte Tradition hilft derzeit weder den armenischen Privathaushalten noch den Unternehmen weiter.

Das Wirtschaftswachstum im Lande leidet unter der Preispolitik von Gazprom. Der Internationale Währungsfonds erwartet für das laufende Jahr aber immerhin ein Plus von 4,3 Prozent. Das ist immer noch vergleichsweise wenig, denn aus Armenien kamen im letzten Jahrzehnt mehrfach Steigerungraten, die im märchenhaften Bereich von über zehn Prozent lagen. Das scheint vorerst vorbei, denn Alternativen zu den Lieferungen Gazproms gibt es nicht. Die Grenze zum öl- und gasreichen Nachbarstaat Aserbeidschan ist geschlossen, offiziell wegen des Grenzkonflikts um die armenisch besiedelte Region Bergkarabach, unterschwellig spielt aber die Religion eine Rolle, denn Aserbeidschan ist linientreu muslimisch ausgerichtet. Auch der Iran fällt als Ersatzlieferant aus. Zwar verläuft eine Pipieline vom Iran nach Armenien, doch diese wird ab der Grenze von der Firma ARG verwaltet. An der besitzt Gazprom aber 80 Prozent.

Höchst sensibel ist schließlich die westliche Grenze, die zur Türkei. Sie wurde den Armeniern vom Vorgängerstaat der heutigen Türkei aufgezwungen – nach dem grauenerregenden Völkermord der Türken an den Armeniern. Seitdem fehlt Armenien der Zugang zum Meer, denn die westarmenischen Hafenstädte an der Schwarzmeerküste sind heute türkisch besiedelt. Religionskonflikte und alte Schuld als bedeutende Faktoren für die Wirtschaft im 21. Jahrhundert?  Und das in dieser ach so aufgeklärten Zeit? O ja, so etwas gibt es.

Bis 1991 war Armenien, das älteste christliche Land der Welt, ein Teil der Sowjetunion. Auch heute wird es von Moskau immer noch als ein Teil des russischen Einflussbereiches betrachtet. Doch in der armenischen Hauptstadt Jerewan ist man derzeit mehr an einer Vertiefung der Zusammenarbeit mit der auf christlichen Werten gegründeten Europäischen Union interessiert. Sie ist der größte Handelspartner. 2012 belief sich der bilaterale Warenhandel – Armenien exportiert vor allem Kupfer, Maschinen und landwirtschaftliche Güter – auf 951 Millionen Euro. Ende Juni haben Brüssel und Jerewan die Verhandlungen über eine weitreichende und umfassende Handelszone als Teil des Assoziierungsabkommens abgeschlossen.

ARMEX: Hoffnung auf DCFTA

Das bilaterale Freihandelsabkommens (Deep and Comprehensive Free Trade Area, DCFTA) zwischen der EU und Armenien, das am 24. Juli unterzeichnet wurde, ist Teil des umfassenden Assoziierungsabkommens. Die nun umzusetzenden Reformen sollen technische EU-Standards in Armenien implementieren. Durch das Freihandelsabkommen werden Wachstumseffekte für den Außenhandel von 15,2 Prozent Exporte aus Armenien und 8,2 Prozent mehr Importe aus der EU prognostiziert. Die EU ist bereits Armeniens größter Handelspartner mit 32 Prozent des Außenhandelsumsatzes, was für das letzte Jahr insgesamt 951 Millionen Euro entsprach. Mitglied der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung ist Armenien bereits, und interessierten Investoren aus den EU-Ländern werden die Türen gerne und weit geöffnet, denn Europa ist die große Hoffnung dieses kleinen Landes, das eingeklemmt ist. Eingeklemmt zwischen einem übermächtigen Nachbarn im Norden, einem andersgläubigen Konkurrenten im Osten und – vor allem! – im Südwesten den Nachfahren der Mörder, die ihre Schuld nicht gesühnt haben nebst deren Nachfahren, die ihre Verantwortung auch heute nur sehr eingeschränkt sehen wollen. Und große deutsche Firmen sind schon in Armenien engagiert. So etwa die Crominet Mining GmbH, die 60 Prozent am Sangesurer Kupfer- und Molybdänkombinat hält, das wiederum Armeniens größter Steuerzahler ist. Die Armenische Börse, kurz ARMEX, wird von der schwedisch-finnischen OMX betrieben. Seit 2001 laufen hier die Geschäfte mit armenischen Aktien zusammen. Aktiv sind dort vor allem Banken, Versicherungen und natürlich auch Broker.

Auf dem EU-Gipfel im Herbst in Litauen werden aller Wahrscheinlichkeit nach mit dem DCFTA neue Möglichkeiten für das uralte Kulturland auf dem Kaukasus geschaffen. Nach Prognosen dürfte Armeniens Wirtschaft allein durch dieses Abkommen mit Brüssel zusätzlich um jährlich 2,5 Prozent wachsen. Wenn im gar nicht mehr so fernen Nordwesten die EU-Bürokratie mitspielt. Wenn der schwierige Nachbar direkt im Südwesten nicht seine alten Kontakte in die islamische Welt spielen lässt. Und wenn im Norden Gazprom die Preisschraube nicht noch weiter anzieht.