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Banken unter Druck: was für Anleger jetzt wichtig ist

Vom Silicon Valley bis in die Schweiz sind Banken unter Druck geraten. Das ist eine Bewährungsprobe für die politischen Verantwortungsträger, und es macht die Märkte nervös – und lässt Erinnerungen an die globale Finanzkrise aufkommen. Handelt es sich bei den jüngsten Ereignissen um Einzelfälle, oder tritt hier ein tiefer liegendes Problem zutage?

(Foto: engel.ac / Shutterstock)

Vom Silicon Valley bis in die Schweiz sind Banken unter Druck geraten. Das ist eine Bewährungsprobe für die politischen Verantwortungsträger, und es macht die Märkte nervös – und lässt Erinnerungen an die globale Finanzkrise aufkommen. Handelt es sich bei den jüngsten Ereignissen um Einzelfälle, oder tritt hier ein tiefer liegendes Problem zutage?

Von Virginie Maisonneuve, Global CIO, Equity, Greg MA Hirt, Global CIO, Multi Asset, Franck Dixmier, Global CIO, Fixed Income

Aktien

„Geld kostet wieder etwas“ – und in den vergangenen Tagen wurde augenfällig, inwiefern der Zinsanstieg für Druck sorgen kann. Im vergangenen Jahr wurden die Leitzinsen nicht nur so schnell, sondern auch so stark angehoben wie seit 1980 nicht mehr1 – seit März 2022 wurden sie um 450 Basispunkte (Bp.) erhöht. Die Geldmenge M2 wächst langsamer als das nominale Bruttoinlandsprodukt (BIP), so dass weniger Geld für finanzielle Vermögenswerte zur Verfügung steht. Bis vor Kurzem war weltweit reichlich Liquidität vorhanden, und durch die staatlichen Unterstützungsleistungen für die Wirtschaft während der Coronapandemie wurde immer noch mehr Geld ins System gepumpt. Nicht zuletzt dadurch entstand Inflationsdruck – und Lohndruck. In entwickelten Volkswirtschaften wie den USA kann sich der Anteil der Löhne an den Kosten auf bis zu 70% belaufen.

Die Straffung der monetären Bedingungen kann im Einzelfall Krisen auslösen, wie die Ereignisse rund um die Silicon Valley Bank (SVB) gezeigt haben. Die SVB ist keine systemrelevante Bank. Sie war rasch gewachsen und geriet aufgrund von Konzentrationsrisiken (ihr Schwerpunkt lag auf dem Technologiesektor) und einigen unklugen RisikomanagementEntscheidungen in Schwierigkeiten.

Die steigenden Kapitalkosten fressen sich ähnlich wie Wasser durch das gesamte System und treten dann – wie Wasser, das sich in einer Senke sammelt – vor allem an seinen Schwachstellen zutage. Wenn sich gleichzeitig das Wirtschaftswachstum verlangsamt, kommt es an diesen Schwachstellen zu ernsthaften Problemen. Solange das Risiko auf zahlreiche Banken verteilt ist oder solange die Aufsicht belastbar ist, kann das System das verkraften. Derzeit ist das Finanzsystem robust, vor allem aufgrund der strikteren Regulierung, die insbesondere in Europa nach der globalen Finanzkrise eingeführt wurde. Unseres Erachtens werden die jüngsten Ereignisse mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Straffung der regulatorischen Vorschriften in den USA führen.

Was ist jetzt wichtig?

Wir empfehlen ein sorgfältig konstruiertes Portfolio aus hochgradig überzeugenden Positionen. Es erscheint uns sinnvoll, mit Multi-Faktor-Strategien mit geringer Volatilität eine stabilisierende Basis für die Portfolios zu schaffen. Auf dieser Grundlage kann man dann aufbauen. Außerdem ergeben sich im derzeitigen Umfeld gegebenenfalls gute Gelegenheiten, um qualitativ hochwertige Value- und Wachstumstitel sowie Titel mit laufenden Erträgen auszuwählen. Und zuletzt erscheinen uns langfristige Themen weiterhin überzeugend.

Alles in allem sollte sich der Zinsanstieg positiv auf den Finanzsektor auswirken, da die Margen dadurch höher werden. In den kommenden Monaten könnten sich Kaufgelegenheiten ergeben. Allerdings sollte man die Auswirkungen der jüngsten Ereignisse auf das Vertrauen und auf die Kosten von Einlagen sowie die Auswirkungen der steigenden Zinsen auf die Endnachfrage und damit auch die Entwicklung der Unternehmensgewinne berücksichtigen. Insgesamt ist es aus Anlegersicht durchaus beruhigend, dass das Finanzsystem in seiner Gesamtheit widerstandsfähiger zu sein scheint als zuvor. Und das muss es unseres Erachtens auch sein, denn wenn „Geld wieder etwas kostet“, werden weitere Bewährungsproben anstehen.

Multi Asset

Der Zusammenbruch der Silicon Valley Bank (SVB) war in vielerlei Hinsicht ein Einzelfall, der auf einige ungünstige RisikomanagementEntscheidungen zurückzuführen ist. Aber er reiht sich durchaus in eine Serie von Zwischenfällen ein, die zumindest zum Teil auf den deutlichen Zinsanstieg zurückzuführen sind. Insofern stellt sich für die Anleger die Frage, an welcher Stelle die durch den abrupten Regimewechsel entstandenen Belastungen als nächstes zum Tragen kommen.

Für die Märkte ist es beruhigend, dass die Finanzierung der Crédit Suisse vorerst gesichert hat. Eine Aufspaltung des Konzerns wäre schwierig. Für den Bankensektor ist das Vertrauen der Einleger und der Kontrahenten von grundlegender Bedeutung, und eventuell werden Regulierungsbehörden und Zentralbanken im großen Stil eingreifen, um das Vertrauen in den Sektor zu stützen.

Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) und die Europäische Zentralbank (EZB) sind sicherlich in Alarmbereitschaft. Aufgrund der jüngsten Ereignisse könnten sich Risikobereitschaft und Liquidität an den Märkten deutlich verringern; ein solches Umfeld entwickelt sich häufig nach finanziellen Zwischenfällen. Insgesamt ist die Lage für chancenreiche Vermögenswerte nicht besonders konstruktiv (um es milde auszudrücken), wovon sichere Häfen wie der US-Dollar und US-Staatsanleihen (Treasuries) profitieren sollten.

Die Zentralbanken stehen vor einem Dilemma: Sollen sie ihr mittelfristiges Ziel der Inflationsbekämpfung vorübergehend außer Acht lassen, um kurzfristig einen Bank-Run oder ausgeprägte Ansteckungseffekte zu verhindern? Die EZB hat diese Frage bereits beantwortet: Sie hat den Leitzins bei ihrer Sitzung am 16. März wie erwartet um 0,5 Prozentpunkte angehoben, aber – und das ist bedeutsam – keine weiteren Zinserhöhungen angekündigt.

Was ist jetzt wichtig?

Durch ihr rasches Handeln beim Zusammenbruch der SVB könnte sich die Fed Zeit verschafft haben, um sich weiter auf ihr Hauptziel zu konzentrieren: die Kerninflation durch eine Anhebung der Leitzinsen unter Kontrolle zu bringen. Die Fed strebt – insbesondere angesichts der zuletzt guten Arbeitsmarktdaten –, dieKonjunktur weiter zu dämpfen und so den Kerninflationsdruck zu verringern.

Eventuell werden US-Aktien eine Zeit lang schwächer notieren, zumal die Bewertungen nach wie vor eher hoch sind und die Margen geringer werden. Vor Kurzem haben wir den Anteil von US-Aktien in unseren Multi AssetPortfolios verringert und denjenigen von US-Treasuries zumindest aus taktischen Gründen erhöht. In einigen Bereichen sind wir konstruktiver, zum Beispiel in den Schwellenländern, die attraktive Bewertungen bieten und von Chinas erneuter Öffnung profitieren. Auch der japanische Yen bietet bei inzwischen positiven Renditen ein beträchtliches Potenzial als sicherer Hafen. Da die künftige Entwicklung ziemlich unklar ist, ist Vorsicht geboten.

Fixed Income

Alles fing im Silicon Valley an, wo an nur einem Tag die Rekordsumme von über 40 Milliarden US-Dollar aus einer relativ unbekannten Bank abgezogen wurde. Innerhalb einer Woche verlor der europäische Bankensektor über 10% seines Marktwerts. Die Credit Default Swaps (CDS) weiteten sich für erstrangige unbesicherte Anleihen um rund 40 Basispunkte (Bp.) und für nachrangige um 70 Bp. aus. Aus Sicht von Bankenanalysten ergeben diese Ansteckungseffekte überhaupt keinen Sinn: Wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass europäische Banken sich nicht in einer Krise befinden.

Nichtsdestotrotz müssen wir mit dieser neuen Realität umgehen, zumal Vertrauen die Grundlage für den Bankensektor bildet. Mit Hilfe unseres Bottumup-Investmentprozesses, der auf einer sorgfältigen Analyse von Fundamentaldaten basiert, wählen wir die widerstandsfähigsten Unternehmen aus.

Insgesamt stellt die Liquiditätssituation für große US-amerikanische und europäische Banken kein Problem dar, zumal sie die regulatorischen Liquiditätsanforderungen zumeist mit großem Abstand erfüllen. Zudem gehen wir davon aus, dass die Zentralbanken erforderlichenfalls rasch handeln würden, um eine systemische Liquiditätskrise zu verhindern.

Aufgrund der jüngsten Ereignisse ist es zu umfangreichen Korrekturen der Renditestrukturkurven in den USA und im Euroraum gekommen, und die Prognosen für den Zinspfad der Zentralbanken wurden beträchtlich angepasst. Im Februar schienen die Anleger noch zu kapitulieren: Vom Anfang des Monats bis zu seinem Ende wurden die Erwartungen für das Endniveau des Fed- bzw. EZB-Leitzinses um über 100 Bp. bzw. 80 Bp. angehoben. Infolge der Spannungen im Bankensektor werden jetzt kaum noch weitere Zinserhöhungen der Fed erwartet, und die Prognosen für das Endzinsniveau der EZB wurden deutlich gesenkt. Diese Prognosekorrektur konzentrierte sich auf den kurzen und mittleren Laufzeitbereich, wirkte sich aber auch auf die langfristigen Zinsen aus.

Aus unserer Sicht handelt es sich um übertriebene Korrekturen. Die EZB hat bereits dargelegt, dass die Zentralbanken über spezifische Instrumente für den Umgang mit einer möglichen Liquiditätskrise verfügen. Angesichts der hohen Kerninflation dürften sie die Inflationsbekämpfung fortsetzen. Wir rechnen mit weiteren Zinsanhebungen der Zentralbanken. Wie stark diese Zinsschritte ausfallen, wird jedoch davon abhängen, ob die Zentralbanken den Stress im Bankensektor erfolgreich unter Kontrolle bekommen und wie sich die Kerninflation weiter entwickelt.

Was ist jetzt wichtig?

Weil die Kurse an den Rentenmärkten so deutlich schwanken, könnten sich Chancen für aktive Positionierungen entlang der Renditestrukturkurve ergeben: Das kurze Ende sollte untergewichtet werden, da dort wohl mit einer Aufwärtskorrektur zu rechnen ist. Dagegen eröffnen die jüngsten Spannungen bei den Credit Spreads die Möglichkeit, bestimmte Positionen überzugewichten. Dies gilt vor allem für Banken, deren Spreads aufgrund von Ansteckungseffekten undifferenziert angestiegen sind.