Börsenstrategien - Mythos und Wahrheit
Professionelle Börsenstrategien helfen nicht nur typische Anlegerfehler zu vermeiden, sondern sind auch nützlich, um aus der Fülle von Informationen die wichtigsten Signale herauszufiltern. Einige Modelle haben ihre Feuertaufe in der Finanzkrise jedoch nicht bestanden. Welche Regeln weiterhin gelten, erfahren Sie hier.
Das Jahr 2008 hatte es in sich. Nicht genug, dass sich aus der amerikanischen Immobilienblase eine weltweite Finanzkrise entwickelte, der Orkan an den Märkten erschütterte auch die Grundfesten der modernen Finanztheorie. Insbesondere das Versagen der Diversifikationsstrategie stellte selbst wissenschaftlich fundierte Anlagekonzepte infrage.
Die Diversifikation ist tot …
David Swensen, der das Stiftungsvermögen der amerikanischen Eliteuniversität Yale managt, setzte als einer der Ersten auf die Beimischung alternativer Assetklassen und feierte damit große Erfolge: Von 1985 bis 2007 erzielte er im Schnitt 16% Wertzuwachs pro Jahr. Selbst während des Crashs 2002 erwirtschaftete die Uni dank der breiten Diversifikation noch ein Plus. Damit schien der Praxistest bestanden. In der Folge wurden Rohstoffinvestments, Hedgefonds und Private-Equity-Investments mit dem Verweis auf die Risikodiversifikation auch gezielt an Kleinanleger vermarktet. Weil in der Finanzkrise zum ersten Mal alle Assetklassen gleichermaßen unter die Räder gerieten, wurde nicht nur Swensen kalt erwischt. Allein die 10 größten amerikanischen Stiftungsvermögen, die ihre Anlagen alle nach dem Prinzip Swensens managten, verloren im Jahr 2008 zusammengenommen 36 Mrd. US-Dollar!
… es lebe die Diversifikation
Doch, obwohl es sich gezeigt hat, dass die Diversifikation in extremen Phasen nicht funktioniert, sehen Vermögensverwalter und Fondsmanager keine Alternative: „An Risikostreuung führt auch künftig kein Weg vorbei“, so Philipp Vorndran, Kapitalmarktstratege beim Kölner Vermögensverwalter Flossbach & von Storch. Anleger sollten keinesfalls auf eine breite Streuung verzichten, rät auch das Deutsche Aktieninstitut: „Zwar sind mit den Turbulenzen auf den Finanzmärkten die Preise fast aller Vermögensgegenstände gefallen. Ausgenommen hiervon sind aber liquide und sichere Anlagen, wie z.B. deutsche Staatsanleihen oder Tagesgeldkonten. Hier zeigt sich ein wichtiger Vorteil eines diversifizierten Depots, das selbstverständlich auch diese liquiden Mittel enthalten sollte. Um Schwächeperioden der anderen Vermögensgegenstände überbrücken zu können, sollte jeder Anleger schnell verfügbare und relativ wertbeständige Geldanlagen besitzen. Dann muss er keine Aktien oder Fondsanteile unter ihrem eigentlichen Wert verkaufen, wenn er kurzfristig Geld braucht.“ Verzichten sollte man hingegen auf die oft zitierte Strategie „kaufen und halten“.
Kaufen und halten ist überholt
Deutsche Anleger, die nach dieser klassischen Methode verfahren sind, hatten in den letzten 10 Jahren an Aktien wenig Freude. Dank Dotcom- Blase und Finanzkrise steht auch nach 10 Jahren Haltedauer beim DAX unter dem Strich ein Verlust von über 20%, beim EURO STOXX 50 sind es sogar über 40%. Auch andere altbekannte Strategien, beispielsweise basierend auf Dividenden-Aktien, gerieten im Orkan des Jahres 2008 unter die Räder. Eine bekannte und seit Langem praktizierte Strategie besteht beispielsweise darin, die 10 Aktien mit der höchsten Dividendenrendite zu kaufen. Da dieses Vorgehen – bei dem unweigerlich die aktuell unpopulärsten Werte im Depot landen – in den USA entstanden ist, wird sie auch als „Dogs of the Dow“ bezeichnet. Normalerweise schnitten gerade Anlagestrategien, die sich an der Dividendenrendite einer Aktie orientierten, in schwierigen Börsenzeiten besonders gut ab. So lieferte diese Methode unter anderem während der dreijährigen Aktienbaisse kurz nach der Jahrtausendwende gute Ergebnisse. Doch in der Finanzkrise half auch das nichts: Im Jahr 2008 verlor der Index mit den 15 dividendenstärksten deutschen Standardwerten mit 45% noch stärker als der DAX (minus 40%).
Auf der Welle reiten
In ihren Facetten deutlich komplizierter, aber dafür erfolgversprechender, sind hingegen sogenannte Momentum-Strategien. Obwohl sehr viele unterschiedliche Ausprägungen dieses Ansatzes existieren, basieren alle auf der gleichen Grundannahme: Dass es an den Kapitalmärkten zyklische Kursbewegungen gibt, die über längere Zeiträume anhalten. Dementsprechend werden regelmäßig jene Assets ge- oder verkauft, die sich auch in der jüngsten Vergangenheit am besten entwickelt haben. Ein Beispiel für einen solchen Ansatz ist das TSI-Zertifikat (WKN DB0TS1) der Deutschen Bank. Das Konzept hat sich nicht nur während der Finanzkrise wacker geschlagen, sondern konnte auch von der Erholung im letzten Jahr in besonderem Maße profitieren: In den letzten 12 Monaten stieg das Produkt um fast 100%! Eine Momentum- Strategie, die neben Aktien auch die Chancen der Rentenmärkte nutzt, hat das Bankhaus Merck Finck im Programm. Nach einem System des Beratungsunternehmens Alpha Portfolio Advisors wird dabei die Anlagesumme jeweils zu bestimmten Teilen in Aktien oder Staatsanleihen investiert. Der „Best of Two“ betitelte Ansatz kommt bei dem hauseigenen gemischten Fonds „Merck Finck Vario Aktien Renten“ zum Einsatz und sorgte dafür, dass die Münchener nahezu ohne Verluste durch die Baisse steuerten und 2009 mit über 9% Plus abschließen konnten.
Auf der Suche nach Werten
Mit dem Value-Ansatz hat sich im Laufe der Jahrzehnte eine weitere Strategie herausgebildet, die inzwischen zu den Klassikern zählt. Ziel der Vorgehensweise ist es, unterbewertete Aktien mit stabiler Ertragskraft und hohem Substanzwert zu identifizieren. Als Vater dieses Stils gilt der legendäre US-Investor Warren Buffett. Allerdings musste auch das „Orakel aus Omaha“ im Zuge des Finanzorkans empfindliche Verluste hinnehmen: Die Aktie seiner Holding Berkshire Hathaway rutschte im Jahr 2008 um über 30% ab und konnte seitdem nur einen kleinen Teil der Verluste wieder gutmachen. Langfristig hat sich das Konzept allerdings ausgezahlt: In den letzten 10 Jahren stieg der Wert des Konglomerats um 120%. Im Gegensatz zu der simplen Dividendenstrategie ist der Value-Ansatz jedoch ungleich aufwendiger: Ob ein Titel aber „unterbewertet“ ist oder nicht, zeigt letztlich erst eine zeitintensive Auseinandersetzung mit mehreren Kennzahlen, den Geschäftsberichten und eine genaue Kenntnis des jeweiligen Marktes. Für Anleger empfiehlt es sich daher, besser auf entsprechende Fonds oder Strategiezertifikate zu setzen.
Technische Analyse und regelbasierte Strategien
Im Gegensatz zum value-orientierten Stockpicking gelten Handelsstrategien, die auf Charttechniken beruhen, als vergleichsweise exotisch. Dennoch gewinnen die unterschiedlichen Verfahren immer mehr Anhänger. Besonders populär ist derzeit das Elliott-Wellen-Prinzip. Die Methode basiert auf der Annahme, dass die Kurse durch menschliche Handlungen und Emotionen geprägt werden. Weil letzteren bestimmte wiederkehrende Verhaltensmuster zugrunde liegen, lassen sich aus den Kursmustern Vorhersagen ableiten. Ihre neugewonnene Popularität verdankt diese Form der technischen Analyse den treffsicheren Vorhersagen der Analysten: Heribert Müller berät mit seiner Firma institutionelle Kunden und nutzt dafür Elliott-Wellen. Im Januar 2008 verkündete er, dass sowohl bei Aktien und Euro als auch Gold und Öl die Preise kräftig fallen würden.
Fazit
Anleger, die sich nicht laufend mit dem Auf und Ab an den Börsen beschäftigen möchten, greifen am besten zu entsprechenden Fonds oder Zertifikaten. Nach wie vor gilt dabei das Gebot der Diversifikation. Dazu gehört insbesondere eine Cash-Quote, um längere Baissephasen überbrücken zu können. Trading-orientierte Anleger sollten sich zudem mit den Hilfsmitteln der technischen Analyse vertraut machen. Die streng regelbasierten Systeme helfen dabei, die eigenen Emotionen im Zaum zu halten und damit eine der größten Quellen für Anlegerfehler auszuschalten.