Orakel in der Krise?
Ausgefuchste Finanzinvestments und satte Gewinne – dadurch hat es Berkshire Hathaway weltweit zu beträchtlichem Ruhm gebracht. Doch die Holdinggesellschaft des Börsengurus Warren Buffett schreibt plötzlich tiefrote Zahlen und verzeichnet einen der größten Verluste der sonst so erfolgreichen Unternehmensgeschichte.
Ausgefuchste Finanzinvestments und satte Gewinne – dadurch hat es Berkshire Hathaway weltweit zu beträchtlichem Ruhm gebracht. Doch die Holdinggesellschaft des Börsengurus Warren Buffett schreibt plötzlich tiefrote Zahlen und verzeichnet einen der größten Verluste der sonst so erfolgreichen Unternehmensgeschichte.
„Wild und unvorhersehbar.“ Mit diesen Worten beschreibt der eigentlich als Orakel von Omaha bekannte Starinvestor Warren Buffett die Bilanzentwicklungen seines Unternehmens Berkshire Hathaway. Und tatsächlich mutet das jüngste Quartalsergebnis – das Schlussquartal des vergangenen Jahres – etwas eigenartig an: Das Minus von 25,4 Milliarden Dollar ist gleichbedeutend mit einem der höchsten Verluste der gesamten Holding-Geschichte. Wie konnte es dazu bloß kommen?
Hauptverantwortlich für das schlechte Ergebnis waren massive Kurseinbrüche an den US-Börsen, von denen auch Buffetts Investmentgesellschaft, die Anteile an Dutzenden Unternehmen hält, logischerweise nicht unverschont blieb. Insbesondere der 40-prozentige Kurssturz von Apple, wo Berkshire Hathaway mit beinahe 250 Millionen Aktien an 5,3 Prozent des Unternehmens beteiligt ist, war ein heftiger Schlag ins Aktien-Kontor. Auch die Abschreibungen in Höhe von drei Milliarden Dollar, von denen ein Großteil auf die rund 27-prozentige Beteiligung am Lebensmittelkonzern Kraft Heinz entfiel, trugen erheblich zu den schwachen Zahlen bei. Zudem machte eine neue Bilanzierungsregel, nach der Aktienportfolios bewertet zu aktuellen Kursen in den Quartalsergebnissen berücksichtigt werden müssen, der Holding zu schaffen. Da Berkshire Hathaway nach Verlusten im ersten Quartal für das zweite und dritte Quartal zweistellige Milliardenerlöse verbuchen konnte, sprang unterm Strich fürs Gesamtjahr ein Bilanzgewinn in Höhe von vier Milliarden Dollar heraus. Dieser fiel verglichen mit dem Vorjahresplus von fast 45 Milliarden Dollar allerdings weitaus bescheidener aus. Jedoch sollte an dieser Stelle bedacht werden, dass davon 29 Milliarden Dollar der Steuerreform von US-Präsident Trump einmalig zugerechnet werden mussten.
Wenngleich die jüngsten Zahlen den Eindruck einer Krise der Holdinggesellschaft, zu deren Konglomerat über 80 Unternehmen gehören, zu erwecken scheint, läuft das operative Geschäft der Mehrheitsbeteiligungen und Tochterunternehmen aktuell sehr erfolgreich. Berkshire Hathaway hat in den Bereichen Energie, Industrie und Versicherungen sowie mit der Eisenbahngesellschaft BNSF seinen operativen Gewinn im 4. Quartal um über 70 Prozent auf 5,7 Milliarden Dollar steigern können. Auf Jahressicht wurde sogar ein operativer Erlös in Höhe von 24,8 Milliarden Dollar erwirtschaftet. Laut Buffett war dies der höchste Gewinn der Unternehmensgeschichte.
Und auch in puncto Bargeldbestand gab es Erfreuliches zu vermelden. Dank eines Anstiegs im Schlussquartal lag dieser bei 112 Milliarden Dollar. Trotz der hohen Summe an liquiden Mitteln scheint eine großangelegte Unternehmensübernahme derzeit nicht in Sicht. Buffett, dessen jüngster Megadeal mit dem Kauf des Luftfahrtzulieferers Precision inzwischen schon drei Jahre zurück liegt, empfindet es als „enttäuschend“, dass sich aktuell kein neues, großes Investitionsobjekt finden lässt. „In den kommenden Jahren hoffen wir, viel von der überschüssigen Liquidität für Unternehmen auszugeben, die Berkshire dauerhaft besitzen wird", schreibt Buffett in seinem traditionellen Brief an die Aktionäre. „Die unmittelbaren Aussichten dafür sind allerdings nicht gut: Die Preise für Unternehmen mit guten langfristigen Aussichten sind schwindelerregend hoch." Demzufolge investiert Berkshire Hathaway das überschüssige Bargeld in Aktienrückkäufe. Das erfreut die Anleger, denn der Wert der auf dem Markt verbleibenden Aktien steigt durch dieses Manöver.
Weniger begeistert dürften Buffett und seine Gefolgsleute hingegen von der aktuellen Analyse des Hauses Lynx-Broker sein, dessen Experten beim Blick in die Zukunft eher auf einen Abwärtstrend tippen: „Derzeit sieht es ganz danach aus, als ob die Bären einen Test nach unten versuchen. Darum geben wir unsere Aussichten auf die Aktie vorläufig auf die bärische Seite. […] Noch aber haben die Bullen die Chance dieses Szenario zu verhindern. Hierzu müssten die Kurse idealerweise in den kommenden Wochen die Marke bei 210 USD nach oben durchbrechen. Dies wären wiederum deutliche Kaufsignale.“
Aktuell rangiert die Aktie knapp unter dieser Bewertung. Von Krise möchte Buffett dennoch nicht sprechen, wenngleich er sich in Hinblick auf die ein oder andere Entscheidung in jüngerer Vergangenheit eingestehen muss: „Ich lag in mehrfacher Hinsicht falsch.“ Dennoch hat sein Image als Börsenguru allenfalls leichte Kratzer abbekommen, insbesondere wenn man bedenkt, dass Buffetts Aktien zwischen 1976 und 2007 – dem letzten Jahr, in dem alle Käufe veröffentlicht wurden – eine durchschnittliche Rendite von 24,58 Prozent erzielen konnten. Und durch die jüngsten Entwicklungen an den Aktienmärkten sind einige Titel aus Buffetts Portfolio wie etwa die der Fluggesellschaft American Airlines, der Bank Goldman Sachs oder des Pharmaunternehmens Teva, die allesamt mit einem KGV unter 10 bewertet sind, durchaus zum Schnäppchenpreis zu haben. Möglicherweise ist genau jetzt der richtige Zeitpunkt zum Einstieg in die eine oder andere Aktie aus Buffetts Investmentgesellschaft: Schließlich hat sich das Orakel von Omaha bislang höchst selten geirrt und erst recht nicht in zwei Quartalen hintereinander danebengelegen. Wim Weimer