Daimler, BMW und Volkswagen im Abwärtsstrudel
Deutschlands Automobilgiganten kommen an der Börse einfach nicht in Fahrt. Im Gegenteil: Nach einem vielversprechenden zweiten Halbjahr 2017 drücken Anleger nun wieder deutlich auf die Bremse. Ausgehend von ihren Zwischenhochs im Januar haben die Aktien von Daimler, BMW und Volkswagen zwischen 14 und 20 Prozent an Wert verloren. Der Weg zurück in die Erfolgsspur wird damit länger und länger.
Deutschlands Automobilgiganten kommen an der Börse einfach nicht in Fahrt. Im Gegenteil: Nach einem vielversprechenden zweiten Halbjahr 2017 drücken Anleger nun wieder deutlich auf die Bremse. Ausgehend von ihren Zwischenhochs im Januar haben die Aktien von Daimler, BMW und Volkswagen zwischen 14 und 20 Prozent an Wert verloren. Der Weg zurück in die Erfolgsspur wird damit länger und länger.
Von Oliver Götz
Es war ein Paukenschlag mit Ansage, der den Volkswagenkonzern zu Wochenbeginn aufwühlte, durchschüttelte und eifrig zurück auf Krisenfahrt schickte. Seit Montagmorgen sitzt Audi-Chef Rupert Stadler in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft sah offenbar ausreichend eindeutige Indizien mit Blick auf Verdunklungsgefahr im Abgasskandal. Bereits vor einer Woche hatten die Beamten Stadlers Wohnung durchsucht. Nun schlugen sie zu. Mit voller Härte.
Öffentlichkeitswirksamer kann man – mit böser Zunge gesprochen – sein Konzernimage kaum zerstören. Da schien sich Volkswagen mit Rekordabsatzzahlen und den besten Ergebnissen der Unternehmensgeschichte jüngst eindrucksvoll aus der Umklammerung des Dieselskandals befreit zu haben, und nun das. In der Wolfsburger Führungsriege dürfte der Durchschnittspuls bei mindestens 180 liegen. Der Skandal um geschönte Abgaswerte via illegaler Abschalteinrichtungen wird immer mehr zu einem Virus, das hier und da überwunden scheint, dann aber doch wieder ausbricht und einfach nicht vollständig verschwinden will.
Und wie für ein Virus üblich, hat es sich inzwischen längst über Niedersachsen hinaus, bis nach Bayern und Baden-Württemberg ausgebreitet. Während Martin Winterkorns Managerkarriere beendet scheint, hängt die von Rupert Stadler an einem mindestens seidenen Faden, die von Daimler-Chef Dieter Zetsche scheint zumindest in grober Gefahr. In München ist das Virus zwar noch nicht ausgebrochen, die Ansteckungsgefahr jedoch bleibt hoch. Auffällige Messwerte gab es auch bei BMW. Zwar dementierte der Vorstandsvorsitzende Harald Krüger jegliche Verwicklung in einen Abgasskandal, aber was heißt das schon nach all dem, was seit 2015 so passiert ist.
Die größte Katastrophe der Branche
„Die Autobauer wursteln sich amateurhaft durch die größte Katastrophe ihrer Branche“, urteilt Professor und Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer. Ein Ende des Schlamassels sei nicht in Sicht. Volkswagen kostete die eigene Abgastrickserei bislang schon mehr als 26 Milliarden Euro. Und noch immer gibt es viele laufende Verfahren mit ungewissem Ausgang. Auch Daimler könnte noch eine Milliardenstrafe drohen. Das zumindest berichtete jüngst der „Spiegel“ in Bezug auf Äußerungen von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer. Schon jetzt müssen die Stuttgarter europaweit 774.000 PKW wegen illegaler Abschalteinrichtungen zurückrufen. Auch das dürfte nicht billig werden. Zetsche derweil pocht weiter darauf, Abgaswerte nicht manipuliert zu haben. Dieses Verhalten sei das Gegenteil von geradeheraus, ehrlich und offen, kritisiert Metzler-Analyst Jürgen Pieper. Und das drückt aufs Image. Ganz besonders wie es scheint auf das der Aktien.
Seit Januar hat die Volkswagen-Aktie 19 Prozent an Wert verloren, Daimler- und BMW-Papiere gaben um 20 beziehungsweise 14 Prozent nach. Damit sind die Kurse der drei Automobilgiganten weit von Niveaus entfernt, die ihren aktuellen Ergebnissen entsprechen würden. Denn die sind hervorragend. 2017 erzielten alle drei Rekordwerte bei Umsatz, Absatz und Gewinn. Die ersten drei Monate des laufenden Jahres liefen dann zwar nicht ganz so gut, Daimler, BMW und Volkswagen mussten im Vergleich mit dem Vorjahreszeitraum leichte Gewinneinbußen hinnehmen, Daimler und VW allerdings nur aufgrund von positiven Sondereinflüssen 2017 beziehungsweise geänderten Derivate-Bewertungen. Die Absatzzahlen dagegen stiegen erneut an. Daimler verkaufte sieben Prozent mehr Fahrzeuge, Volkswagen acht und BMW drei Prozent mehr. Die KGVs liegen mit Werten von 6,0 (VW), 6,5 (Daimler) und 7,5 (BMW) historisch Tief, die Dividendenrenditen gehören dank der niedrigen Kurse mit 3,3 Prozent, 5,9 Prozent und 4,6 Prozent dementsprechend zu den besten im DAX.
Wie heiße Kartoffeln...
Mit jedem weiteren Minus müssten die drei Großkonzerne so eigentlich immer bessere Einstiegsgelegenheiten offenbaren. Doch für den Moment will niemand zugreifen. Das Risikobewusstsein unter Anlegern scheint hoch. Nicht nur aus Respekt vor den weiteren Folgen des Dieselskandals, zuletzt vor allem auch aufgrund der Handelsstreitigkeiten der USA mit China und Europa. Letztere wollen Donald Trumps Strafzölle freilich nicht einfach so hinnehmen und kündigten Reaktionen an. Daraufhin wiederum reagierte Trump mit neuen Drohungen, er stellte beispielsweise weitere Einfuhrzölle auf chinesische Güter im Wert von bis zu 100 Milliarden Dollar in den Raum.
Damit ist die Angst, dass aus einem bislang noch eher harmloseren Scharmützel ein waschechter Handelskrieg wird, in die Köpfe vieler Anleger zurückgekehrt. Und am Ende könnten die großen deutschen Autokonzerne zu den Haupt-Leidtragenden gehören. Trump hat der EU bereits mit deutlich höheren Zöllen auf Deutschlands wichtigstes Industrieprodukt gedroht. Dies könnte mit Blick auf Umsatz und Gewinn spürbare Auswirkungen haben und einige Prozente kosten, zeigt sich nicht nur Experte Pieper besorgt.
Zum Kauf der Aktie rät er wie viele seiner Branchenkollegen trotzdem. JPMorgan-Analyst Jose Asumendi hob nach zuversichtlichen Aussagen von VW-Finanzchef Frank Witter mit Blick auf die anvisierten Jahresziele sein Kursziel von 213 auf 217 Euro an. Max Warburton vom Analysehaus Bernstein Research wies derweil auf China als „entscheidenden Gewinntreiber“ für die deutschen Autobauer hin und beließ sein Kursziel bei 220 Euro. Volkswagen konnte seinen Absatz dort allein im Mai um fast sieben Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum steigern.
Schlingerkurs in Ungewisse
Ähnlich sieht es für Daimler und BMW aus. Im Jetzt laufen die Geschäfte rund. Fundamental gibt es kaum Gründe die Aktien der deutschen Automobilkonzerne nicht zu kaufen. Bei Daimler seien die Aussichten für das dritte Quartal 2018 „sehr, sehr gut“, schrieb so beispielsweise und vor kurzem Deutsche Bank-Analyst Tim Rokossa. Sein Kursziel: 90 Euro. Der Credit Suisse derweil erscheinen die Markterwartungen für BMW deutlich zu niedrig. Anleger unterschätzten den größten Produktzyklus seit 2011, die Ebit-Marge dürfte spürbar steigen, so die Experten. Mit einem Kursziel von 129 Euro sprechen die Schweizer den Aktien der Münchner ein Kursteigerungs-Potenzial von mehr als 50 Prozent zu. Derzeit kosten die Papiere schließlich nur 83 Euro.
All diesen positiven Einschätzungen zum Trotz bleiben Dieselskandal und Handelsstreit aber offenkundig das dominierende Dauerthema unter Anlegern. Neben der unsicheren Zukunft mit Blick auf die wohl bevorstehenden Umwälzungen durch die Elektrifizierung, Digitalisierung und Automatisierung im Fahrzeugsektor. Auch hier fehlen den deutschen Konzernen klare Visionen und Konzepte. Die Konkurrenz aus China und den USA enteilt zunehmend. Der Weg zurück in die Erfolgsspur wird damit nicht nur länger und länger, er ist vor allem bislang ziellos. Und solange das so ist, führt er die deutschen Autobauer in holprigem Zickzackkurs – ins Ungewisse.
Fakt ist: Immer mehr Anleger verlieren den Glauben daran, dass den deutschen Auto-Konzernen eine schnelle und wirkungsvolle Virusbekämpfung gelingt. Der richtige Impfstoff, er fehlt. Wohl auch, da sich das Virus über immer neue Mutationen am Leben hält. Nach einem vielversprechenden Aufbäumen der drei automobilen Patienten im zweiten Halbjahr 2017 hat die Krise die deutschen Autobauer wieder fest im Griff.