Das Glas ist noch halbleer
Der extreme Pessimismus an den Börsen hat sich zwar gelegt, aber Experten sind immer noch skeptisch. Die vorläufige Einigung mit David Cameron trägt dabei nicht zu Erheiterung bei, denn „nach der Gipfel" ist „vor dem Referendum", alle Blicke sind nach London gerichtet. Neue Unternehmensdaten könnten die Märkte daher in den nächsten Wochen relativ leicht wieder ins Minus drücken.

Der extreme Pessimismus an den Börsen hat sich zwar gelegt, aber Experten sind immer noch skeptisch. Die vorläufige Einigung mit David Cameron trägt dabei nicht zu Erheiterung bei, denn „nach der Gipfel" ist „vor dem Referendum". Neue Unternehmensdaten könnten die Märkte daher in den nächsten Wochen relativ leicht wieder ins Minus drücken.
„Die Rezessionsängste sind übertrieben.“ Fondshäuser überboten sich in der vergangenen Woche mit Kommentaren dieser Art. Ein bisschen hat es geholfen, denn die Stimmung an den Märkten ist nicht mehr ganz so pessimistisch wie zuvor. Lange hatten der fallende Ölpreis und schwache Konjunkturdaten gerade aus den USA Zweifel am Wachstum der größten Volkswirtschaft der Welt geschürt - mit entsprechenden fatalen Auswirkungen auf die Börsen.
In der vergangenen Woche kam es dann zu einer Gegenbewegung: Unter dem Strich legte der Dax knapp fünf Prozent zu – und schaffte damit die beste Woche in diesem bislang traurigen Börsenjahr. Am Freitag ging es dabei allerdings – parallel mit dem wieder sinkenden Ölpreis schon wieder runter. Der Dax schloss bei einem Stand von 9.388 Punkten. Sein Wochenhoch hatte am Donnerstag bei 9.552 Zählern gelegen. Auf Jahressicht liegt der Index immer noch fast 13 Prozent im Minus.
Die Credit Suisse traut dem Braten noch nicht: „Weltweit gibt es zaghafte Stabilisierungsanzeichen, aber wir sehen Risiken in beide Richtungen und halten es für zu früh, um das Engagement auszubauen“, betonten die Strategen der schweizerischen Großbank. Auch andere Strategen sehen das Glas noch eher halb leer. „Die Frage ist, wie nachhaltig die Kurserholung sein wird“, heißt es bei der WGZ Bank. Gute Nerven blieben auf jeden Fall ein wichtiger Begleiter für Aktieninvestoren.
Bernd Meyer von der Commerzbank wird noch konkreter: „Alleine aus der Einschätzung, dass die von den Märkten eingepreisten Wachstumsängste übertrieben sind, sollte man noch nicht schließen, dass sich die Aktienmärkte schnell und nachhaltig erholen werden“, sagt der Stratege. Er sieht dabei vor allem das Problem, dass es an Anlegern mangelt, „die in der Lage und willens sind, in der aktuellen Situation ihr Aktien-Engagement zu erhöhen.“ Schließlich hätten viele Anleger Geld aus Aktienfonds abgezogen. Zudem hätten Fonds und Investoren mit Wertsicherungsmechanismen ihr Risikobudget wohl schon aufgebraucht. „Von daher werden sie wohl kaum zusätzlich in Risikoanlagen investieren“, fürchtet Meyer.
Schlechtere Konjunkturdaten erwartet
Doch was könnte die Anleger das Glas wieder halb voll sehen lassen und Zuflüsse in Aktienfonds erhöhen? „Es bedarf eines geeigneten Katalysators, um die aktuelle Negativentwicklung an den Märkten zu durchbrechen und erste Käufe stimulieren zu können“, meinen dazu die Experten der DZ Bank: „Dieser Katalysator könnte eine Stabilisierung der volkswirtschaftlichen Indikatoren oder – der aktuellen Logik des Marktes folgend – des Rohölpreises sein.“
Vor diesem Hintergrund stehen Konjunkturdaten wie die Einkaufsmanagerindizes in der Euro-Zone am Montag, der deutsche Ifo-Geschäftsklimaindex und das US-Verbrauchertrauen am Dienstag sowie der GfK-Index zum Verbrauchervertrauen in Deutschland am Mittwoch im Fokus der Investoren. Das Problem: Für alle Werte sagen Ökonomen zumindest leichte Rückgänge voraus.
Impulse für Einzelunternehmen gibt es zudem vonseiten der Unternehmen selbst, wo die Bilanzsaison jetzt Fahrt aufnimmt. „Die Ausblicke werden entscheidend sein - sollten die Konzerne wie kürzlich Siemens positiver in die Zukunft blicken, wäre das schon die halbe Miete“, sagt Aktienmarkt-Experte Robert Halver von der Baader Bank, der Nachrichtenagentur Reuters.
Andere Experten mahnen allerdings zur Vorsicht: „Der Rückenwind durch die Euro-Schwäche für die Unternehmensgewinne wird bereits im derzeitigen Quartal deutlich abnehmen“, heißt es bei der Commerzbank. Schließlich sei in den ersten Wochen des Jahres der Euro-Dollar-Kurs nur leicht niedriger als im ersten Quartal 2015, im Vergleich zu vielen Schwellenländer-Währungen habe die Gemeinschaftswährung sogar deutlich aufgewertet.
Telekom könnte positiv überraschen
Positive Impulse erwarten Analysten bei der Deutschen Telekom, die am Donnerstag ihre Zahlen vorlegt. Dabei dürften vor allem Gewinne der US-Tochter und der hohe Dollar-Wechselkurs sorgen, dass die Telekom gut abschneidet. Auch bei Henkel sind Analysten optimistisch. Ungeachtet des konjunkturellen Gegenwinds dürfte der Konsumgüterhersteller ein ordentliches Gewinnwachstum ausweisen, meint Analyst Jörg Frey von MM Warburg. Für 2016 dürfte Henkel zudem ein weiteres Rekordjahr anpeilen.
Bei Fresenius und Fresenius Medical Care (FMC), die am Donnerstag ihr komplettes Zahlenwerk vorlegen, sind die Aussichten gemischt. Beim Gesundheitskonzern Fresenius rechnen Analysten mit einem ordentlichen Ergebnis. FMC, das seit Jahren unter den Kürzungen im US-Gesundheitssystem leidet, könnte dagegen den dritten Gewinnrückgang in Folge verzeichnen. Bei Vorlage der Bayer-Zahlen ebenfalls am Donnerstag werden die Investoren vor allem darauf achten, wie sich das Geschäft der Leverkusener nach der Abspaltung der Kunststofftochter Covestro entwickelt hat. Am Freitag folgt BASF: Der Chemiekonzern hat mit dem schwachen Ölpreis zu kämpfen, daher sind die Aussichten für die Ludwigshafener eher trübe.
BASF wurd also eine ereignisreiche Börsenwoche abschließen, und es werden einige gute Nachrichten kommen müssen, damit die Stimmung bei den Anlegern zum Monatsschluss in die positive und heitere Richtung pendelt. Weiteren Pessimusmus können Anleger und Märkte derzeit nicht gebrachen. Handelsblatt / Andrea Cünnen / Bearbeitung: sig