Das große Comeback der Pandemie-Verlierer
Aus der Pandemie-Panik wird an den Börsen Impfstoff-Hoffnung und Anleger kaufen Aktien aus gebeutelten Sektoren. Papiere aus dem Technologie-Sektor sind die neuen defensiven Werte.
Aus der Pandemie-Panik wird an den Börsen Impfstoff-Hoffnung und Anleger kaufen Aktien aus gebeutelten Sektoren. Papiere aus dem Technologie-Sektor sind die neuen defensiven Werte.
Jetzt aber, wo mit jeder neuen Impfstoff-Nachricht Licht am Ende des Tunnels dieser Pandemie erscheint, gehen die Anleger ins Risiko. Dieses Risiko sehen sie aber nicht in Unternehmen mit einer hohen Wachstumsfantasie, sondern bei Fluggesellschaften, in der Touristik, also all den zyklischen Aktien und den Sektoren, die Geld verdienen, wenn in Wirtschaft und Gesellschaft möglichst alles rund läuft.
Kein Ausverkauf bei den Pandemie-Gewinnern
Seit Jahresbeginn wurden fast ausschließlich wenige große Technologieaktien gekauft – ein Sektor, der sich dank „Stay-at-Home“- und Homeoffice-Trend unerwartet hohen Gewinnen gegenübersah. Die Unternehmen haben in so kurzer Zeit so viel Geld verdient, dass sich für sie vollkommen neue Perspektiven eröffneten. Apple ist in diesem Verlauf zum wertvollsten Unternehmen der Welt aufgestiegen.
Nun aber ist es eine gute Nachricht, dass die Anleger an Apple und den anderen FANG-Aktien festhalten, obwohl der Wind wegen der Aussicht auf ein Ende der Pandemie mit all ihren Einschränkungen an den Börsen langsam drehen könnte. Denn im August sah es zeitweise noch so aus, als würde die Sektor-Rotation zu Lasten der Technologieaktien gehen. Das hätte die Stabilität des Gesamtmarktes in Mitleidenschaft ziehen können.
Hohe Liquidität auf der Suche nach Rendite
Drei Monate später aber sehen wir, dass die Flut der Zentralbank-Liquidität und der weiter große Renditehunger der Investoren in der Lage ist, alle Boote zu heben. Während die Tech-Aktien im Nasdaq 100 auf hohem Niveau seitwärts laufen, steigt der Russel 2000 für kleine und mittlere US-Unternehmen zeitgleich auf ein neues Allzeithoch. Der Dow Jones mit seinen überwiegend klassischen Industriewerten durchbricht erstmals die Schallmauer von 30.000 Punkten. Es ist im Übrigen ein Treppenwitz der Geschichte, dass diese von Donald Trump prognostizierte Marke just an dem Tag erreicht wurde, an dem er bekanntgab, den Weg für seinen Nachfolger Joe Biden freimachen zu wollen.
Im Zick-Zack-Kurs weiter nach oben
Trotz der Aufholjagd bei zyklischen Aktien und Value-Titeln liegt in den kommenden Monaten noch ein Zickzack-Kurs vor den Börsen. Die Winter-Welle des Coronavirus mit ihren negativen wirtschaftlichen Folgen muss gegen jegliche Hoffnungen über einen Aufschwung in der zweiten Hälfte des kommenden Jahres abgewogen werden. Das wird vermutlich nicht linear geschehen. Für jeden Schritt nach vorn wird der Markt einen halben oder dreiviertel Schritt zurückgehen. In der Tendenz dürfte die Kursentwicklung damit mittel- bis langfristig allerdings aufwärtsgerichtet bleiben.
Die Geldpolitik packt die Börsen in Watte
Die Volatilität an der Börse ist auf ein Niveau eingebrochen, das vergleichbar ist mit jener vor der Pandemie. Während vordergründig Infektionszahlen weiterhin die Nachrichten beherrschen, haben die Zentralbanken den Aktienmarkt wie ein zerbrechliches Postpaket in Watte gepackt. Mit so viel Puffer und Dämpfung kann die Winter-Welle des Coronavirus an den Kursen nicht mehr abgelesen werden. Die Anleger gehen davon aus, dass die zusätzlichen geldpolitischen Maßnahmen, die im Dezember sogar noch einmal ausgeweitet werden könnten, gegen mögliche Transportschäden auf dem Weg heraus aus der Pandemie schützen werden.
Ministerium für Geld- und Finanzpolitik in den USA?
Durch die potenzielle Berufung von Janet Yellen an die Spitze des US-Finanzministeriums ist noch einmal eine große Menge an zusätzlicher Unterstützung für die Aktienmärkte hinzugekommen. Einige sprechen schon von einer Verschmelzung der US- Notenbank mit dem Finanzministerium, was grundsätzlich zu der Bereitschaft der Demokraten zu einem sehr großen Konjunkturpaket und neuen Staatsschulden passen würde.
Von Jochen Stanzl, Chef-Marktanalyst CMC Markets
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