Das US-Imperium schlägt zurück
Die Konjunktur brummt, die Unternehmensgewinne explodieren und für die kommenden Jahre wird mit einer Renaissance der Industrie gerechnet. Wider Erwarten handelt es sich bei dieser Schilderung nicht um China & Co., sondern um die USA.
Am 20. Dezember veröffentlichte das US-Handelsministerium die endgültigen Berechnungen für das BIP im dritten Quartal. Obwohl die Zahlen eine faustdicke Überraschung waren, ging die Meldung im Weihnachtstrubel und den Kassandrarufen im Zusammenhang mit dem „Fiscal Cliff“ unter.
Immobilienkrise ist überwunden
Tatsächlich konnte die US-Wirtschaft im dritten Quartal 2012 um stolze 3,1% – und damit deutlich stärker als zunächst erwartet – zulegen. In der ursprünglichen Prognose war man von 2,0% ausgegangen. Ein Wert, der nun sehr deutlich nach oben korrigiert werden musste. Für das Gesamtjahr 2012 wird nunmehr mit einem BIP-Wachstum von rund 2,2% gerechnet. Gräbt man noch etwas tiefer in den Zahlen, fallen weitere Besonderheiten auf: Der private Konsum gewinnt an Fahrt (+1,6%) und die Entwicklung bei den Wohnimmobilien zeigt wieder nach oben. Dass sich dieser Trend auch im vierten Quartal fortgesetzt hat, bestätigt der aktuelle Beige-Book-Bericht der US-Notenbank: „Getragen von Pkw- und Eigenheimverkäufen legte die US-Wirtschaft im letzten Monat in fast allen Teilen des Landes zu“, so die Zentralbank. Die Einzelhandelsumsätze im Weihnachtsgeschäft lagen höher als 2011 und der viel beachtete S&P-Case-Shiller-Index, der die Entwicklung der Eigenheimpreise in 20 Städten abbildet, notierte im Oktober 2012 um 4,3% über dem Vorjahreswert. Der Index dürfte laut Beige Book auch im laufenden Jahr weiter zulegen. Der S&P-Sub-Index für Wohnungsbauunternehmen kletterte in der vergangenen Woche auf den höchsten Stand seit 2007. Damit verdichten sich die Anzeichen, dass der Markt für Wohnimmobilien unmittelbar vor einer Wende steht. Mit der Belebung auf dem Immobilienmarkt und dem Anstieg des privaten Konsums haben sich damit zwei wichtige Pfeiler der US-Wirtschaft stabilisiert.
Enorme Herausforderungen
Angesichts dieser Zahlen rechnen Analysten damit, dass die Prognosen für das laufende Jahr 2013 ebenfalls angehoben werden: „Die US-Wirtschaft wird uns positiv überraschen. Die Konsensschätzungen für das US-Wirtschaftswachstum dürften auf 3% ansteigen und die Inflation dürfte 2013 kein Problem sein“, so Léon Cornelissen, Chefvolkswirt der Robeco-Gruppe. Verschwiegen werden darf dabei nicht, dass nach wie vor große Herausforderungen warten: So konnte die Arbeitslosigkeit bislang nicht entscheidend gesenkt werden und verharrt mit 7,8% auf einem für die USA hohen Niveau. Eine wirkliche Einigung über die drohenden Haushaltskürzungen – das „Fiscal Cliff“ – ist nach wie vor nicht erzielt worden. Bislang hat man sich nur einige Wochen Zeit verschafft. Dazu kommt eine exorbitante Verschuldung von mehr als 16 Bio. US-Dollar. An den Finanzmärkten herrscht diesbezüglich jedoch keine Alarmstimmung: Die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen hat zwar in den vergangenen Monaten leicht angezogen, befindet sich mit 1,87% aber immer noch deutlich unter dem Wert vom 5. August 2011 (2,56%), dem Tag der Herabstufung durch S&P.
Optimismus überwiegt
Trotzdem gibt es für den Optimismus weitere gute Gründe. So erreichten die Gewinne der amerikanischen Unternehmen im vergangenen Jahr einen neuen Rekordwert. Nach Berechnungen des „Handelsblatts“ erzielten die 50 größten Industriekonzerne des Landes 2012 einen Reingewinn von 307 Mrd. Dollar. Dies entspricht einer Steigerung um 6% gegenüber dem Rekordjahr 2011. Damit geht die Schere zwischen den USA und Europa weiter auf: „Die operativen Gewinne (EBIT) der 300 umsatzstärksten europäischen Konzerne sanken im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 4,4% – die 300 größten US-Unternehmen schafften hingegen ein Plus von 1,8%. Und während die durchschnittliche Gewinnmarge der europäischen Unternehmen von 11,0% auf 9,8% sank, verzeichneten die US-Konzerne nur einen leichten Rückgang von 13,3% auf 12,8%“, so das Ergebnis einer „Ernst & Young“-Analyse der 300 umsatzstärksten europäischen und US-amerikanischen Unternehmen im ersten Halbjahr 2012 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Für 2013 rechnen Analysten damit, dass die US-Konzerne ihre Gewinne nochmals kräftig ausweiten können. Neben der robusten Binnenkonjunktur und der Verbesserung der wirtschaftlichen Aussichten in den Schwellenländern profitieren sie dabei von einer entscheidenden Wendung.
Amerika am Wendepunkt
Wie hierzulande befindet sich auch der Energiesektor der Vereinigten Staaten im Umbruch. Im Gegensatz zur hiesigen Energiewende geht es dabei allerdings nicht um den Ausbau erneuerbarer Energien. Stattdessen erschließen die Amerikaner im großen Stil sogenannte unkonventionelle Gas- und Ölvorkommen. Die Vorräte unter dem nordamerikanischen Kontinent sind so groß, dass das Land in wenigen Jahren vom Energie-Importeur zum Energie-Exporteur aufsteigen wird: In einer kürzlich veröffentlichten Studie prognostizierte die Internationale Energieagentur (IEA), dass sich die USA bis 2017 vom weltgrößten Energieverbraucher in den größten Produzenten verwandeln werden. Bereits 2015 sollen die USA zum größten Gasproduzenten der Welt aufsteigen. Die Ölproduktion könnte sich nach aktuellen Prognosen von heute 7,8 Mio. Barrel pro Tag bis 2020 auf 11,6 Mio. Barrel steigern lassen. Damit würden die USA mehr Öl als Kuwait, Iran, die Vereinigten Arabischen Emirate und Katar zusammen fördern.
US-Energiebranche vor Boom
Dazu kommt: „Aktien aus dem Energiesektor wurden jetzt bereits über eine längere Zeit von Anlegern gemieden, da Rezessionsängste dominierten. Diverse positive Entwicklungen bei Energieunternehmen sind deshalb nicht in den Preisen reflektiert und bieten 2013 attraktive Anlagechancen. Interessant sind insbesondere die Themengebiete Stromnetze, Flüssigerdgas, Energieeffizienz sowie Technologieanbieter für die Öl- und Gasförderung“, so Roberto Cominotto, Fondsmanager des JB Energy Transition Fund. Es ist daher kaum verwunderlich, dass sich auf den Empfehlungslisten der Finanzhäuser zahlreiche Titel aus der Energiebranche beziehungsweise deren Ausrüstungszulieferer sowie Raffineriebetreiber finden. So listet beispielsweise Barclays auf seiner Liste Global Top Picks 2013 unter anderem folgende US-Titel: Cheniere Energy Partners, EOG Resources, SM Energy Co., NRG Energy, Northeast Utilities, Halliburton und Tesoro Corporation.
Die Gelegenheit ist günstig
Günstig bewertet wirken aber nicht nur Energietitel. In den letzten 20 Jahren notierte der S&P 500 im Durchschnitt mit dem 13,7-Fachen der künftigen Gewinne (KGV). Auf Basis eines Gewinnwachstums im laufenden Jahr zwischen 5% und 10% würde das KGV auf unter 13 sinken. Ein Wert, der in der Vergangenheit stets ein deutliches Aufwärtspotenzial signalisierte. Die Analysten prognostizieren daher für 2013 nahezu unisono steigende Kurse. Aussichtsreich sind vor allem Blue Chips wie Amex, Google, Johnson & Johnson, Home Depot, Visa, Verizon, Comcast und Apple.
Hohe Zuflüsse in Aktienfonds
Dazu kommt, dass früher oder später mit einem deutlichen Anstieg der Inflation gerechnet werden muss. Bereits auf dem heutigen Niveau wird jedoch mit dem Kauf von US-Staatsanleihen der Erhalt des Kapitals nicht mehr erreicht. An US-Aktien – insbesondere an Dividendentiteln – führt daher kein Weg mehr vorbei. Diese Meinung scheint sich auch auf den Märkten durchzusetzen: Nachdem Anleger in den letzten vier Jahren fast 250 Mrd. US-Dollar aus dem amerikanischen Aktienmarkt abgezogen haben, konnten nach Analysen von EPFR Global in der ersten Woche des laufenden Jahres bereits Rekordzuflüsse von 3,1 Mrd. US-Dollar in US-Aktienfonds verzeichnet werden.
Fazit
Billige Energie, hohe Investitionen in Förderkapazitäten und energieintensive Branchen sowie der Verbleib des Kapitals im Inland könnten der US-Wirtschaft in den kommenden Jahren einen neuen Boom bescheren. Für Anleger sind vor allem amerikanische Blue Chips interessant, die günstig bewertet und international aufgestellt sind.