Der Clan hinter der Aktie: Wie die Porsches Geschichte schreiben
Die Familien Porsche und Piëch gehören zu den einflussreichsten Unternehmern in Europa. Sie besitzen Autofabriken, Restaurants und sogar eine Molkerei. Und sie verfügen über die besten Drähte in die Politik seit mehr als 100 Jahren. Mit dem Börsengang sind sie noch ein bisschen reicher geworden.
Die Familien Porsche und Piëch gehören zu den einflussreichsten Unternehmern in Europa. Sie besitzen Autofabriken, Restaurants und sogar eine Molkerei. Und sie verfügen über die besten Drähte in die Politik seit mehr als 100 Jahren. Mit dem Börsengang sind sie noch ein bisschen reicher geworden.
Der alte Glanz ist wieder eingezogen. Bei VW in Wolfsburg, bei Porsche in Stuttgart und vor allem bei den Familien Porsche und Piëch im österreichischen Zell am See herrscht ein Leuchten, wie schon lange nicht mehr seit dem Tod des Patriarchen und letzten VW-Übervaters Ferdinand Piëch. Denn die Familien Porsche und Piëch haben sich ihre Macht zurückgeholt. Eine Macht, die irgendwie entglitten war, als Dieselskandal und familienfremde Manager die Dynastie aufs Eis führten – was ungewohnt war in der mehr als 100jährigen Porsche Geschichte. Doch nun ist alles wieder in Ordnung.
Wer wieder im Konzern das Sagen hat, war deutlich geworden bei der wichtigsten Entscheidung des Jahres: dem Börsengang von Porsche und den Details dazu. Neu-VW-Chef und gleichzeitig Porsche-Oberst Oliver Blume hatte dabei offiziell nichts zu melden. Der Mann mit der Doppelrolle steckt tief in einem Interessenkonflikt und muss sich raushalten. Das kann immer einmal passieren in konzerngewordenen Familienbetrieben wie Volkswagen und Porsche welche sind. Es hat Tradition, dass der Konzern und sein oberster Manager den Vorgaben des Porsche-Piëch-Clans folgt, die Interessen freier Aktionäre hintenanstellt und sich nicht um die Einhaltung von Werten schert, die für meisten deutschen Unternehmen selbstverständlich sind.
Auto, Macht, Geld
„Auto, Macht, Geld – das sind die Zutaten für die Historie der Familien Porsche und Piëch, all jener Nachfahren des genialen Technikers Ferdinand Porsche, der im Auftrag von Adolf Hitler den Käfer auf die Straße brachte und den Grundstein legte für den VW-Konzern diese brisante Mischung aus Familienkonzern und Staatkapitalismus“, schreibt Journalist Georg Meck in seinem einschlägigen Werk zur Historie von Porsche und VW und benennt den Titel seines Buches, das versucht den Dieselskandal aus diesen Strukturen zu erklären, danach: „Auto Macht Geld. Die Geschichte der Familien Porsche und Piëch.“ Für alle, sie sich jetzt eine Porsche-Aktie kaufen und glauben damit Mitbesitzer der besten Sportwagenschmiede der Welt zu sein, ist das Buch Pflichtlektüre. Denn die Erkenntnis daraus lautet: Auch die Aktionäre sind nur Teil eines Systems, das darauf angelegt ist, die Macht der Familie zu zementieren. Bis das letzte Auto gebaut ist. „Es wird ein Sportwagen sein“, hatte Ferdinand Piëch einst vorausgesagt – womit die Geschichte ihren Lauf nimmt.
„Kein Konzern schleppt so viele Mythen mit sich herum, keine Familie begleiten so viele Legenden“, stellt Meck fest. Wie tickt die Familie hinter dem Weltkonzern, die im Salzburger Land, wo sie residieren, schon mal fast zärtlich „unsere Oligarchen“ genannt werden? Mit wem haben es die Aktionäre eigentlich jetzt zu tun?
Meck ist nach Zell am See gefahren, hat das „Schüttgut“ besucht, einen 600 Jahre alten Bauernhof, romantisch gelegen auf einer leichten Anhöhe südwestlich von Salzburg, „ein Haupthaus mit hölzernem Obergeschoss, dazu zwei große Wirtschaftsgebäude. 1942 hat Käfer-Erfinder Ferdinand Porsche das Anwesen gekauft, wo die Porsches und Piëchs seither „wohnen, lieben und jagen“. Auf dem Parkplatz vor dem Gut ist ein kleines Schild befestigt: „Porsche only“ steht darauf und Besucher dürfen lachen. „Wer auf Familientradition hält, hat in der Umgebung Grund und Boden, als Erst-, Zweit- oder Drittwohnsitz“, schreibt der Porsche-Biograph. Eine regionale Molkerei gehört der Familie, die Schiffe auf dem See fahren für sie und die Gondeln der Bergbahn auch. Natürlich können Besucher auch bei der Familie speisen, etwa im gut beleumundeten „Erlhof“ von Hans Michael Piëch. Dieser Porsche Enkel wird als der „zurückhaltende Milliardär“ im Salzburger Land gelobt, der vieles macht, was der Region hilft.
Wohnen, lieben und jagen
Ganz anders wird der Urahn der Familie beschrieben, der Namens- und Vornamensgeber: Ferdinand Porsche. „Des Teufels Konstrukteur“ nennt ihn Biograph Meck. 1875 in Böhmen als drittes von fünf Kindern geboren, geht er im väterlichen Betrieb in die Spenglerlehre. Er ist elf Jahre alt, als Gottfried Daimler das Automobil erfindet und Carla Benz damit herumkurvt. Ferdinand macht derweilen Experimente mit Elektrizität auf dem Dachboden des Elternhauses – eine Bastelei, an die sich VW erst 130 Jahre später wieder erinnert und nun auch die Elektrifizierung vorantreibt.
Ferdinand Porsche aber macht daraus seinen ersten Beruf, er geht nach Wien zur Vereinigten Elektrizitäts AG, die letztlich in dem heutigen ABB-Konzern aufgegangen ist. Dort leitet er den Prüfraum für Elektromotoren, heiratet 1903 Kollegin Aloisia Kaes, Tochter Louise und Sohn Ferdinand kommen zur Welt, die Eltern rufen ihn „Ferry“. Papa Ferdinand hatte da schon seinen großen Auftritt auf der Weltausstellung in Paris im Jahr 1900 hinter sich, wo er gemeinsam mit einem Partner ein elektrisches Automobil präsentiert hatte: Die Lohner-Porsche-Kutsche mit Allradantrieb, die in vermögenden Kreisen zum Renner wird. Die Rothschilds kaufen sich so eine, die von Thurn und Taxis ebenfalls. Porsche aber trennt sich von seinem Geschäftspartner – oder der von ihm. Der Grund: Der technikvernarrte Konstrukteur verbraucht Geld in rauen Mengen, das der kaufmännische Partner nicht mehr zur Verfügung stellen will.
Am 25. April 1931 gründet Porsche seinen eigenen Betrieb, die „Dr. Ing. hc. F. Porsche Gesellschaft mit beschränkter Haftung“, der Sitz ist Stuttgart, als Minderheitsgesellschafter dabei ist Schwiegersohn Anton Piëch und Rennfahrerlegende Anton Rosenberger, ein Mann jüdischer Herkunft, der mit der Machtergreifung der Nazis aus dem Unternehmen ausscheidet. Er wird nach dem Krieg mit 50 000 Mark und wahlweise einem Käfer in Luxusausführung oder einen Porsche Sportwagen abgefunden. In Stuttgart erhält Porsche denkwürdigen Besuch einer sowjetischen Delegation, die ihn im Auftrag von Machthaber Josef Stalin nach Moskau einlädt. Stalin sucht Unternehmer, die ihm helfen sein Riesenreich zu industrialisieren. Porsche ist ihm aufgefallen und er macht ihm ein Angebot. Ferdinand Porsche fährt hin, hört sich die Sache an – und lehnt ab. „Nach reiflicher Überlegung“, so beschreibt Sohn Ferry den Prozess später einmal, habe sich der Vater „gegen den goldenen Käfig entschieden.“
Stalin gibt er einen Korb, Hitler nicht
Porsche hatte sich mit anderen Machthabern eingelassen, die ihm näherstanden. Ferdinand Porsche arbeitet am „Kraft durch Freude“ (KDF)-Wagen, dem späteren Volkswagen. Zu Hitlers Geburtstag 1938 stellte er ihn vor. Seit Kriegsausbruch arbeitet man dann im Stuttgarter Konstruktionsbüro vor allem an militärisch nutzbaren Versionen dieses Vehikels. Der „Kübelwagen“ ist eines dieser Modelle. 1939 wird Porsche zum Wehrwirtschaftsführer ernannt, ist Vorsitzender der „Panzerkommission“, im Rüstungsrat und entwickelt als einer von Hitlers Lieblingsingenieuren den nach ihm benannten Panzerjäger „Ferdinand“. Das Unternehmen hat diesen Teil seiner Geschichte lange umgangen. Anders als der Volkswagen-Konzern, der 1996 in einer über tausend Seiten starken Studie die Zwangsarbeit untersuchen ließ, zog Porsche es vor, das Thema bei den Akten schlummern zu lassen.
Dort findet sich einiges: 656 Beschäftigte zeigt eine Grafik für das Jahr 1944, darunter etliche Zwangsarbeiter, wie Recherchen des Journalisten Ulrich Viehöver zeigen, der in seinem Buch über Stuttgarter NS-Täter Ferdinand Porsche als „gewissenlosen Profiteur des Nazi-Regimes" porträtiert. Die PS-Dynastie ist Teil des NS-Regimes. Hitler schätzt den aus Böhmen stammenden österreichischen Landsmann. Heinrich Himmler verleiht ihm einen SS-Rang. Wie eng der Porsche-Clan und die Diktatoren-Clicque verknüpft waren? Historiker urteilen: „Um seine Ziele zu erreichen, war Porsche stets bereit, alle Mittel in Anspruch zu nehmen, die das NS-Regime ihm bot, und alle persönlichen Kontakte zu Hitler und Himmler zwecks Unterstützung zu aktivieren.“ Mit Erfolg: Durch den Einstieg in die Rüstungsproduktion wächst der Gewinn von Porsches „kleinem Konstruktionsbüro“ in Stuttgart von gut 3000 Reichsmark (1934) auf über zwei Millionen (1944).
Panzerjäger Ferdinand
Die guten Beziehungen in die Politik halten über den Krieg hinaus. Porsche und Volkswagen und die Politiker in den Ländern Baden-Württemberg, Niedersachsen und dem Bund spielen meistens in einem Team. Als niedersächsischer Ministerpräsident saß Gerhard Schröder qua Amt im Aufsichtsrat von Volkswagen, der gerade zur Wahl stehende Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hat die gleiche Rolle und achtet darauf, dass jetzt im Wahlkampf zumindest nichts rufschädigendes aus dem Volkswagen- und Porsche-Reich seinen Weg in die niedersächsische Landespolitik findet. Er hat dafür ein mächtiges Instrument: Niedersachsen besitzt goldene Aktien an Volkswagen – ein Modell, das aus dem vergangenen Jahrhundert stammt. Es ist Aktionären ein Dorn im Auge, weil es jede Übernahme gegen den Willen des Landes verhindert, egal wie hoch dessen Aktienanteil gerade ist. Politik und Unternehmen nutzen die Dienste der gleichen Leute: Thomas Steg, stellvertretender Regierungssprecher unter Schröder wurde nach seiner Amtszeit Lobbyist in den Diensten von VW.
Doch das alles ist nichts gegen den Einfluss der Familie mit ihren Patriarchen, Ahnen, Enkel und Urenkelinnen. An der Spitze steht derzeit Wolfgang Porsche, 76-jährige Enkel des Dynastie-Gründers Ferdinand Porsche und großer Gewinner eines Machtkampfes, an dessen Ende sein Cousin Ferdinand Piëch sich schließlich ganz aus den Gremien des VW-Porsche-Konzerns zurückzog. Wolfgang Porsche ist Aufsichtsratschef des Mehrheitsaktionärs von Volkswagen, der Familienholding Porsche SE. Zugleich sitzt er in den Aufsichtsräten von Volkswagen und dessen Töchtern Audi sowie des Sportwagenbauers Porsche. Er ist auch Hausherr auf dem Schüttgut in Zell am See.
Natürlich gibt es in der Dynastie auch schwarze Schafe oder bunte Hunde – je nach Sichtweise. Am ehesten dazu eignet sich vielleicht Daniell Porsche. In der vierten Generation des Clans ist er das einzige Kind und damit Erbe des größten Unternehmensanteils. Als Waldorfpädagoge und Musiktherapeut positionierte er sich schon vor Jahren als Kritiker und Gegenentwurf des strengen „Autokraten" Ferdinand Piëch. Er ist Autor vieler Bücher, darunter "Es gibt noch mehr im Leben als Autos bauen". Sein Vermögen steckte er unter anderem in eine Holding-Gesellschaft, die sich an nachhaltigen und sozial orientierten Unternehmen beteiligt. Lange war ihm Einfluss im Konzern verwehrt. Inzwischen ist Daniell Porsche auch in mehreren VW-Gremien, darunter dem Aufsichtsrat der Porsche SE.
Einsatz verdoppelt
Sie alle gehören jetzt zu den Gewinnern. Denn der Börsengang von Porsche hat sie wieder reicher gemacht. Der Kurs des Sportwagenbauers am Morgen der Erstnotierung lag bei 84 Euro, und damit 1,50 Euro über dem Ausgabepreis, der schon ganz oben auf der Skala des Möglichen rangierte. Das Lieblingsunternehmen des Porsche-Clans wurde dadurch mit 75 Milliarden Euro bewertet und legte einen der größten Börsengänge hin, die Europa bisher gesehen hat. Von den nicht öffentlich angebotenen Porsche-Stammaktien gehen 25 Prozent plus eine Aktie an die Stuttgarter Porsche Automobil Holding SE, die von den Familien Porsche und Piech beherrscht wird. Sie bezahlen für ihr Viertel und zehn Milliarden Euro und dürften damit ihren Einsatz gleich am ersten Tag fast verdoppelt haben. Sogar der oberste Angestellte der Porsches, Oliver Blume, hatte die Erlaubnis, beim Börsendebüt in Frankfurt dabei sein. Denn klar ist: Die Geschichte geht weiter und langweilig wird sie nie.
Oliver Stock
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