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„Der Euro und die EZB müssen aufgelöst werden“

Der Finanzexperte und Bestsellerautor Marc Friedrich beschreibt in seinem neuen Buch ein zum Scheitern verurteiltes Geldsystem. Den Bitcoin sieht er als Alternative. Im Interview erklärt er zudem, warum er die Magnificent Seven verkauft hat, eine Börsenkorrektur im ersten Halbjahr erwartet und wie er 2024 investieren würde.

(Foto: WMG)

Der Finanzexperte und Bestsellerautor Marc Friedrich beschreibt in seinem neuen Buch ein zum Scheitern verurteiltes Geldsystem. Den Bitcoin sieht er als Alternative. Im Interview erklärt er zudem, warum er die Magnificent Seven verkauft hat, eine Börsenkorrektur im ersten Halbjahr erwartet und wie er 2024 investieren würde.

BÖRSEamSonntag: Herr Friedrich, Sie haben Ihr neues Buch mit „Die größte Revolution aller Zeiten: Warum unser Geld stirbt und wie Sie davon profitieren“ betitelt. Da drängt sich die Frage auf: besitzen Sie noch Cash?

Marc Friedrich: Wenig, weil die Inflation uns alle enteignet. Wir geben das Wertvollste, das wir haben, um Geld zu verdienen, unsere Lebenszeit. Und wenn einem dieses Geld über Steuern und Abgaben genommen wird, oder durch Inflation, dann muss man auf jeden Fall Zwischenspeicher finden. Geld ist in diesen Zeiten definitiv die falsche Anlageform.

Warum glauben Sie, stirbt unser Geld?

Wir haben ein Fiatgeldsystem, das auf Schulden basiert. Geld kommt so nur in die Welt, wenn Schulden erschaffen werden. Aktuell sehen wir exorbitant große Schuldenberge. Die letzte Schuldenkrise wurde mit neuen Schulden gelöst und die ihr zugrunde liegenden Probleme so nur in die Zukunft verschoben. Nun haben wir nicht mehr tragfähige Schuldenberge angehäuft. Ob in den USA, Deutschland, Europa, weltweit steigen die Schulden immer schneller. Selbst die Bundesregierung, die im vergangenen Jahr eine Billion Euro Steuereinnahmen hatte, muss trotzdem weiter Schulden machen. Der Euro und unser Geldsystem liegen seit 2012 auf der Intensivstation. Hätte die EZB die Maastricht-Kriterien nicht gebrochen, wäre der Euro schon längst passé. Parallel sehen wir, dass der Euro seit seiner Einführung offiziell 40 Prozent an Kaufkraft verloren hat. Inoffiziell, wenn man beispielsweise Gold dagegenstellt, sind es 90 Prozent. Die Menschen merken das bei der Stromrechnung oder an der Ladenkasse, ihr Geld reicht nicht mehr. Gleichzeitig konzentriert sich dem Cantillon-Effekt folgend immer mehr Vermögen bei einigen Wenigen. Die breite Masse verarmt. Das führt zu sozialen Unruhen, einem Erstarken von extremistischen Mächten an beiden Rändern und Unzufriedenheit in der Bevölkerung.

Das Geldsystem lebt nach wie vor weiter.

Schauen Sie in den Rückspiegel der Geschichte. Alle 80 bis 100 Jahre stirbt ein Geldsystem. Unser jetziges Geldsystem wurde 1945 geboren und 1971 durch Richard Nixon, der den Goldstandard ad acta gelegt hat, gebrochen. Seitdem haben wir ein ungedecktes Papiergeldsystem und das neigt sich jetzt auch dem Ende entgegen, weil es exponentiell gewachsen ist. Ein sterbendes Geldsystem ist kein neues Ereignis, es passiert immer wieder.

In Ihrem Buch beschreiben Sie den Bitcoin als Lösung. Seinen täglichen Einkauf auf einmal mit der Digitalwährung zu erledigen, hätte tatsächlich etwas revolutionäres.

Weltweit arbeiten die Notenbanken an einem digitalen Geldsystem, weil sie merken, es ist die beste Möglichkeit dem jetzigen Fiatgeldsystem noch einmal Leben einzuhauchen. Augustin Carstens, Chef der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel, hat angekündigt, dass er programmierbares Geld haben will. Deshalb sind die Weichen gelegt. Man wird das Geldsystem digitalisieren, um die komplette Kontrolle zu haben, auch damit Kunden ihr Geld nicht mehr einfach abziehen können und damit die Banken in die Bredouille bringen können. Das Fiatgeldsystem aber ist am Ende. Wir stehen also am Scheideweg: werden wir uns für ein besseres, ein demokratischeres Geldsystem entscheiden. oder wird es wieder ein Schuldgeldsystem werden, wodurch soziale Unruhen, Altersarmut und Inflation als Kollateralschäden bleiben? Ein Bitcoin-Geldsystem wäre zum ersten Mal ein Geldsystem, das Staat und Geld trennt. Und das brauchen wir, so wie Martin Luther einst Kirche von Staat getrennt hat.

Was macht Sie so sicher, dass ein auf dem Bitcoin basierenden Geldsystem so viel mehr Freiheit schafft? Staaten können ja auch Kryptowährungen regulieren.

Sie haben Recht, natürlich kann das System angegriffen werden. In der Tat wurde der Bitcoin ja auch jahrelang bekämpft. Aber er hat es überlebt. Jetzt wird der Bitcoin sogar von der „alten“ Finanzwelt umgarnt, Bitcoin-ETFs sind zugelassen worden. In El Salvador ist der Bitcoin schon offizielles Zahlungsmittel. Der Siegeszug schreitet voran. Und die Notenbanken machen es nach, indem sie digitale Währungen etablieren wollen.

Könnten sich dann nicht auch diese digitalen Währungen durchsetzen?

Ich muss mir überlegen: wem vertraue ich mehr, einer nicht demokratisch legitimierten Notenbank, die unendlich viel Geld drucken kann, oder einem Naturgesetz der Mathematik? Wir wissen nicht wie viel Geld die Notenbanken noch drucken, wie viel Gold noch in der Erde steckt, aber wir wissen beim Bitcoin durch einen mathematischen Algorithmus, dass bei 21 Millionen Einheiten Schluss sein wird, im Jahr 2140.

Welche Vorteile bietet der Bitcoin über seine Mengenbegrenzung hinaus noch?

Geld regiert die Welt, Geld ist der Schmierstoff der Wirtschaft. Wenn man hier ein Geldsystem implementieren könnte, das unabhängig von Staaten und Notenbanken ist, wäre das eine großartige Revolution. Der Bitcoin ist unabhängig, kann von jedem verwendet werden. Es ist das demokratischste Geldsystem, das die Menschheit je gesehen und erschaffen hat. Sie brauchen keine dritte Partei, keine Bank für Transaktionen. Sie können von Mensch zu Mensch Geld überweisen, und zwar in Echtzeit. Mit Bitcoin sind Sie ihre eigene Bank.

Aktuell ist Bitcoin mehr Geldanlage als Zahlungsmittel.

Wie bereits angesprochen: unser aktuelles Geldsystem dient nur einigen Wenigen. Wir hatten Millionäre, dann Milliardäre, jetzt dreistellige Milliardäre. Wir spüren doch alle, dass da was aus den Fugen geraten ist. Wir befinden uns in einem Paradigmenwechsel. Nicht nur politisch, geopolitisch, wirtschaftlich, auch monetär. Irgendwann werden die Menschen ob der multiplen Krisenlage, in der wir uns befinden, feststellen: mir wurde die Kaufkraft gestohlen, mir wurde die Altersvorsoge genommen, mein Geld ist weniger wert. Spätestens dann werden sie nach einem besseren Geld schauen, dass eine entsprechende Wertspeicherungsfunktion hat. Gold und Bitcoin ist Geld. Der Euro ist nur eine Währung, ohne Wertspeicherungsfunktion. Deshalb ist Bitcoin seit seiner Entstehung eigentlich das erfolgreichste Investment, das die Menschheit je gesehen hat. Die Menschen werden sich irgendwann für das beste Geldsystem, den besten Wertspeicher entscheiden. Und das wird meiner Ansicht nach das digitale Gold sein.

Würde man aktuell mit Bitcoin seinen Wocheneinkauf machen, würde der innerhalb von Tagen 20 Prozent mehr oder weniger kosten. Sollte es so kommen, wie Sie sagen, muss ich dann immer erstmal den Kurs checken, bevor ich einkaufen gehe?

Durch die weitere Ausbreitung wird der Bitcoin weniger volatil. Letztes Jahr waren Anleihen volatiler als Bitcoin. Wir sehen auch, dass die Crashs immer weniger werden. Momentan ist der Bitcoin immer noch Investment und Spekulationsobjekt. Gleichzeitig beginnen immer mehr Menschen die Philosophie dahinter zu verstehen und die Eintrittshürden werden immer geringer. Inzwischen gibt es sogar Möglichkeiten auf Amazon mit Bitcoin zu bezahlen.

Wie bemisst sich eigentlich der Wert eines Bitcoin, wenn er das herkömmliche Papiergeld ersetzt? Aktuell ist sein Wert ja darin begründet, dass er „echtes“ Geld wert ist.

Vor ein paar Jahren konnte man sich mit einem Bitcoin eine Pizza kaufen, jetzt einen Tesla Model 3, beim nächsten Bullenrun dann vielleicht ein ganzes Haus und irgendwann später vielleicht ein Unternehmen. Es gilt irgendeinen Gegenwert zu finden. Es gibt hier beispielsweise die Bitcoin-Gold-Ratio. Und die zeigt, dass man mit der Zeit immer mehr Gold für immer weniger Bitcoin kaufen kann.

Das klingt fast so, als wäre es eine sichere Sache, jetzt all sein Geld in Bitcoin zu investieren?

Nein, um Himmels Willen. Bloß kein Klumpenrisiko aufbauen, niemals alles auf eine Karte setzen. Aktuell würde ich ohnehin abwarten. Ich erwarte für das erste Halbjahr eine Börsenkorrektur, weil momentan das Sentiment an den Märkten, also die Grundstimmung viel zu positiv ist. Alle denken, dass es 2024 sieben Zinssenkungen in den USA gibt, dass man in Anleihen investieren muss, weil wenn die Zinsen sinken, explodieren deren Kurse. Alle denken, es wird keine Rezession in den USA geben, sondern ein Soft Landing. Und wenn immer alle in eine Richtung laufen und denken, werde ich vorsichtig und nehme gern die Gegenposition ein, dann ist auch das Chance-Risiko-Potenzial gigantisch.

Was erwarten Sie denn für 2024?

Wir haben die letzten Inflationszahlen in den USA gesehen, die sprechen leider nicht für Zinssenkungen, ganz im Gegenteil. Parallel könnten die geopolitischen Spannungen wachsen, dann haben wir schnell wieder Ölpreise von 80, 90 oder 100 Dollar. Dann sind die sinkenden Inflationsraten passé und die Notenbanken werden die Zinsen nicht senken. Wenn das so eintritt und die Erwartungen am Markt nicht erfüllt werden, brechen die Kurse ein. Dann würde auch der Bitcoin, wie alle anderen Assets oder Rohstoffe, deutlich unter die Räder kommen.

Und dann?

Dann würde ich beim Bitcoin antizyklisch einsteigen. Erst unter 35.000 und dann unter 30.000 US-Dollar wieder eine weitere Tranche setzen. Unter 30.000 US-Dollar sehe ich langfristig ein Kaufsignal. Kurzfristig kann es nochmal deutlich tiefer gehen, zum Ende des Jahres erwarte ich aber wieder einen Anstieg. 2025 könnte es ein neues Allzeithoch über 70.000 Dollar geben. Deshalb ist Timing wichtig und ein Einsteigen in Tranchen. Ein Prozent Bitcoin sollte jeder im Portfolio haben. Dann sollte jeder für sich überlegen, wie sehr an Bitcoin glaubt. Wichtig ist immer ein diversifiziertes Portfolio, da müssen Aktien rein, da müssen Rohstoffe rein, da muss Gold rein.

Haben Sie noch weitere konkrete Anlageempfehlungen mit Blick auf das laufende Jahr?

Ich wäre mit Blick auf das erste Halbjahr insgesamt vorsichtig. Ich habe die Magnificent Seven verkauft. Ich sehe ein unglaubliches Klumpenrisiko bei diesen Werten. Gemeinsam machen sie global zehn Prozent der Marktkapitalisierung aus. Wenn am Markt etwas passiert, werden diese sieben Aktien als erstes verkauft, die Fallhöhe ist einfach unglaublich hoch. Das sind alles gute Unternehmen, aber das sind sie auch noch, wenn ihre Aktienkurse 20 oder sogar 50 Prozent unter dem aktuellen Niveau notieren. Darüber hinaus würde ich nicht in ESG investieren. Das ist ein überbewerter Trend. Ich würde genau in das investieren, das gegen das Narrativ spricht. Ein bisschen populistisch formuliert: Ich würde in das investieren, was die Grünen hassen. Das heißt: Kohle, Öl, Gas, Uran, fossile Energieträger. Aber auch Dividendentitel und in die Emerging Markets. Brasilien und Indien beispielsweise, überall dort, wo es eine gute Demographiekurve gibt. Eine junge Bevölkerung will wachsen, die ist gierig, die will konsumieren.

Also eher defensive Investments, weniger Tech, mehr Value?

Ich glaube, Value wird Tech in den nächsten Jahren outperformen. Und wir sind am Anfang eines Rohstoffsuperzyklus. Wir hatten jahrelang viel zu wenige Investment in fossile Energieträger. Wenn es jetzt eine steigende Nachfrage danach gibt, sowie auch nach anderen Rohstoffen wie Kupfer oder Nickel, aber ein begrenztes Angebot, dann werden die Preise explodieren. Allein für die Energiewende braucht es so viel Kupfer. Es wird eine Katapultbewegung entstehen und da wird es in den nächsten Jahren spektakuläre Gewinne geben. Metalle, selten Erden, fossile Energieträger sind die „places to be“ für die nächsten Jahre. Viele Unternehmen aus der Branche zahlen gigantische Dividenden, teilweise zweistellig. Bestimmte Kohleaktien aus Australien beispielsweise werden bei neun Prozent Dividende mit einem KGV von zwei oder drei gehandelt. Mein absoluter Geheimfavorit: Petrobras, ein brasilianisches Ölunternehmen. Die Aktien kaufe ich schon jetzt immer wieder nach, wenn es ein paar Prozent nach unten geht.

Abschließend noch einmal zurück zu Ihrem Autoren-Dasein. Wer Marc Friedrich liest, dem begegnet wiederkehrend ein Finanzsystem vor dem Crash, ein politisches System am Abgrund. Was entgegnen Sie denjenigen, die behaupten: Sie wollten nur Ängste schüren?  

Ich argumentiere mit Daten und Fakten. Ich bin auch kein Dogmatiker, ich lasse mich gern eines Besseren belehren. Aber seitdem ich warne, ist es ja immer schlimmer geworden. Die EZB hat alle Maastricht-Kriterien gebrochen, die Schuldenberge sind wie von mir vorhergesagt explodiert. In den USA hat der Schuldendienst 2023 erstmalig die höchste Position im Bundeshaushalt eingenommen, sogar das Militärbudget übertroffen. Wie viele Warnsignale braucht man noch? Ich fühle mich deshalb leider bestätigt. Die Frage ist nicht, ob es knallt, sondern nur wann. Ich sehe es als demokratische Pflicht an, zu sagen: da kommt was auf uns zu.

In Bezug auf Deutschland: wenn Sie jetzt unter den politischen Entscheidern des Landes wären, was würden Sie verändern und warum?

Ich würde die Amtszeit begrenzen und Politiker in die Haftung nehmen. Das Parteiensystem, so wie wir es haben, ist nicht mehr zeitgemäß. Wir sehen, dass die Parteien vor Karriereambitionen, Vetternwirtschaft, fragwürdigen Deals, nur so strotzen. Es geht mehr um die eigene Karriere als um die Bevölkerung. Ich bin ein Freund der direkten Demokratie. Darüber hinaus brauchen wir eine radikale Steuerreform. Wir haben zu viele Gesetze, die uns die Wettbewerbsfähigkeit nehmen. Wir bräuchten nur einer Steuer, eine Verbrauchssteuer, sprich eine Mehrwertsteuer bei zehn Prozent. Nochmal zehn Prozent sollte der Bürger freiwillig spenden. Die Steuerlast läge dann bei 20 Prozent. Dann wären wir international wieder wettbewerbsfähig und wir müssten nicht internationale Unternehmen mit Milliardensubventionen ins Land locken. Und dann müssten wir das Geldsystem ad acta legen. Der Euro, die EZB müssen aufgelöst werden. Wir brauchen einen Wettbewerb der Währungen, damit sich Bevölkerung frei entscheiden kann, was die beste Währung ist. Gold, Euro, Yen oder der Bitcoin. Das zentrale Geldsystem, die Planwirtschaft der Notenbanken scheitert immer wieder.

Jetzt haben Sie viel schwarzgemalt, wo liegen vor dem Hintergrund der vielen Krisen auch Chancen?

Krisen waren immer Chancen und die Basis für die weitere Wohlstandsentwicklung. Ich bin immer positiv gestimmt. Wir haben gigantische technologische Entwicklungen. Der Mensch strebt immer nach vorne. Ich glaube, dass die Akkumulation von Krisen, die wir jetzt erleben, uns als Menschheit in ein komplett neues Bewusstsein katapultiert und in eine bessere Zukunft. Ich glaube, dass wir Grenzen einreißen werden, dass wir ein globales Geldsystem haben, dass wir nicht mehr Menschen verurteilen nach Hautfarbe, Religion, oder was auch immer, und schlussendlich wahrscheinlich alle Bitcoin verwenden.  

Das Gespräch führte Oliver Götz

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