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Der italienische Patient

Italien und die EU-Kommission suchen weiter nach einer Lösung für die Bankenkrise, die Geldinstitute des Landes ächzen weiter unter der Milliardenlast fauler Kredite. Die Regierung versucht das Thema herunterzuspielen, doch dem italienischen Bankensektor drohen Verhältnisse wie im zusehends verrottenden Pompeji.

BÖRSE am Sonntag

Italien und die EU-Kommission suchen weiter nach einer Lösung für die Bankenkrise, die Geldinstitute des Landes ächzen weiter unter der Milliardenlast fauler Kredite. Die Regierung versucht das Thema herunterzuspielen, doch dem italienischen Bankensektor drohen Verhältnisse wie im zusehends verrottenden Pompeji.

Italien erlebt ein Bankenbeben. Acht Monate ist es her, seit vier Regionalbanken in die Pleite gegangen sind, die gesamten Branche ist seitdem in heftiger Bewegung. Mehr als 10.000 Kleinsparer, die Nachranganleihen gekauft hatten, ohne zu wissen, dass sie im Krisenfall haften müssen, verloren ihr Vermögen, es gab sogar einen Selbstmord. Jetzt können sie mit einer Entschädigung von rund 80 Prozent rechnen, teilte am Mittwoch der Interbankenfond zur Rettung der Depots (FITD) in Rom mit. Der Fonds hat von der Regierung Renzi den Auftrag erhalten, den im Mai im Kabinett verabschiedeten Solidaritätsfonds zu verwalten. Nach Schätzungen wird es rund 6.500 Anträge geben, die eine Summe zwischen 150 und 200 Millionen Euro fordern werden.

Premier Matteo Renzi, der innenpolitisch unter Druck steht, hatte in den vergangenen Tagen, als sich die Bankenkrise um Monte dei Paschi immer mehr zuspitzte, wiederholt öffentlich erklärt, dass sich die Sparer in Italien keine Sorgen machen müssten. Aus diesem Grund wird über Staatshilfe im Krisenfall für die Banken spekuliert. Die italienischen Banken haben faule Kredite in Höhe von 360 Milliarden Euro in ihren Büchern, Spitzenreiter ist die Bank aus Siena. Vor der Brexit-Abstimmung Ende Juni war Monte dei Paschi in einem Brief von der Bankenaufsicht der Europäischen Zentralbank aufgefordert worden, bis 2018 9,6 Milliarden Euro ihrer faulen Kredite abzubauen.

Die älteste Bank der Welt verhandelt bereist mit dem Bankenrettungsfonds Atlante über den Verkauf von faulen Krediten, meldet Reuters am Mittwoch unter Bezug auf zwei mit der Situation vertraute Personen, ohne Namen zu nennen. Eine Lösung soll gefunden werden, bevor Ende des Monats das Ergebnis des europäischen Stresstests bekannt gegeben wird. Der private Fonds Atlante war im April auf Drängen von Wirtschaftsministerium und Notenbank ins Leben gerufen worden, um kriselnden Banken bei Kapitalerhöhungen zu helfen und den Abbau der faulen Kredite zu organisieren. Nach der Rettung von zwei Volksbanken aus dem Veneto ist jedoch mehr als die Hälfte des Fondskapitals von 4,25 Milliarden Euro bereits verbraucht.

Jetzt werde über eine Aufstockung des Fonds beraten oder über die Schaffung eines „Atlante 2“, sagen Insider in Rom. Es gehe um eine Summe von zwei Milliarden Euro. Vergangene Woche hatte die Wirtschaftszeitung „Il sole – 24 ore“ geschrieben, dass ein Fonds geplant werde, der drei bis fünf Millionen Euro an Kapital haben solle, um die notleidenden Kredite aufzukaufen.

Ob Italien Staatshilfe in Anspruch nehmen muss, ist weiter offen. Nach den neuen EU-Bankenregeln sollen als Konsequenz aus der Finanzkrise 2008 staatliche Hilfen erst fließen, nachdem Aktionäre und private Gläubiger herangezogen wurden. Ausnahmen sind möglich, wenn etwa eine Systemkrise verhindert werden muss oder wenn beim europäischen Bankenstresstest neue Kapitallöcher auftreten.

Die Verhandlungen mit der EU-Kommission gehen unterdessen weiter, ohne dass konkrete Informationen öffentlich werden. Die Politik versucht, das Thema herunterzufahren. „Ich sehe keine krisenhafte Entwicklung insgesamt“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Thema Bankenkrise in Italien. Finanzminister Wolfgang Schäuble pocht auf die Einhaltung der europäischen Regeln. Es gebe für alle möglichen Fälle Lösungsansätze in der Richtlinie zur Bankenabwicklung (BRRD), sagte er zu Wochenbeginn während der Beratungen der Eurogruppe in Brüssel. „Nur - an die muss man sich halten, sonst brauchen wir uns keine Regeln zu geben.“

„Ein öffentliches Eingreifen kann nicht ausgeschlossen werden“, hatte dagegen der italienische Notenbankgouverneur Visco am Freitag bei der Jahrestagung des italienischen Bankenverbands ABI gesagt. Italien brauche ein öffentliches Sicherheitsnetz, das im Notfall greifen könne. Eine erste Zusage hat Italien bereits erzielt: in der vergangenen Woche bewilligte die EU staatliche Liquiditäts-Garantien in Höhe von 150 Milliarden Euro, befristet bis Ende des Jahres. Handelsblatt / Regina Krieger