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Der US-Aktienmarkt verliert an Attraktivität

Ein weiteres Jahr der Ungewissheit steht bevor. Obwohl die Inflation absehbar sinkt, halten die großen Notenbanken an ihrer restriktiven Politik fest. Sogar Japan zieht die Zügel an. Und US-Aktien scheinen derzeit überbewertet.

(Foto: Shutterstock)

Ein weiteres Jahr der Ungewissheit steht bevor. Obwohl die Inflation absehbar sinkt, halten die großen Notenbanken an ihrer restriktiven Politik fest. Sogar Japan zieht die Zügel an. Und US-Aktien scheinen derzeit überbewertet.

Von Andreas Telschow, Fidelity International

Der Januar ist die beste Zeit für Neuanfänge. Und angesichts der vergangenen Inflationshöchststände läge die Vermutung nahe: Das Schlimmste ist überwunden, ab jetzt geht es bergauf. Doch die in den meisten Regionen weiterhin schwachen Wachstumsaussichten und die anhaltend restriktive Geldpolitik der großen Notenbanken erwecken nicht den Eindruck rascher Entspannung. Die Analysten von Fidelity rechnen für 2023 deshalb mit einem weiteren Jahr der Ungewissheit. Aus Anlegersicht spricht einiges für eine weiterhin defensive Ausrichtung.

Bank of Japan, Fed, EZB: Restriktionen statt Lockerung

Doch zuerst ein Rückblick auf die Ereignisse im Dezember. Vor allem ein Land sorgte mit seiner Notenbankpolitik zum Jahresende für eine Überraschung. Das ganze Jahr 2022 hindurch war die Bank of Japan die letzte Bastion der ultralockeren Geldpolitik gewesen. Kurz vor Weihnachten leitete sie nun jedoch einen – zumindest teilweisen – Strategieschwenk ein: Japans Währungshüter eröffneten, höhere Zinsen für langlaufende Anleihen zuzulassen. Der Yen gewann gegenüber Euro und US-Dollar sogleich an Wert. Viele Marktbeobachter vermuten hinter der vordergründig zahmen Maßnahme nur einen ersten Schritt einer Trendwende der Zinspolitik. Nun ist volle Aufmerksamkeit gefragt: Wird die Berechenbarkeit der Bank of Japan durch weitere Hauruck-Entscheidungen erschüttert, dann könnte ein größerer Schock eintreten, der auch andere Zentralbanken zum Handeln zwingt.

Auch andernorts bleibt die Lage angespannt. Die US-Notenbank Fed verlangsamte im Dezember zwar das Tempo der Zinserhöhungen auf 50 Basispunkte, nachdem sie zuvor viermal in Folge um 75 Basispunkte angezogen hatte. Trotz schwacher Verbraucherpreisdaten betonte der Fed-Vorsitzende Jerome Powell jedoch zuletzt, er müsse erst einen nachhaltigen Rückgang der Inflation sehen, bevor die Politik gelockert werde. Unsere Experten rechnen damit, dass die Rezession in den USA bis zur Jahresmitte eintritt. Sollten die Leitzinsen das ganze Jahr lang hoch bleiben, könnte das die Rezession verschärfen und weiter in die Länge ziehen.

Auch die Europäische Zentralbank (EZB) hat auf ihrer Dezembersitzung die Leitzinsen um 50 Basispunkte angehoben. Zudem bekannte sie, im März mit dem Abbau ihres Anleihebestands zu beginnen. Die Zentralbank korrigierte zudem ihre Inflationsprognosen für die Jahre 2023 bis 2024 deutlich nach oben und stellte die Märkte auf weitere Zinsschritte ein. Ob das nur eine Drohgebärde ist oder die obersten Währungshüter tatsächlich so agieren, bleibt abzuwarten. Denn ein weiterer spürbarer Anstieg der Zinsen könnte die teils hoch verschuldeten Länder des Euroraums in Bedrängnis bringen und Sorgen vor einer Destabilisierung des Finanzsystems aufkommen lassen. Die Analysten von Fidelity sind derweil optimistischer und schätzen, dass die Inflation im Euroraum bereits im zweiten Quartal deutlich sinken wird.

China und die globale Industrie: leise Zuversicht

Bliebe noch der Blick nach China, zuletzt immer wieder Sorgenkind der Märkte. Die Corona-Zahlen schießen dort nach dem faktischen Ende der Null-Covid-Politik aktuell in ungeahnte Höhen. Infolgedessen sind wirtschaftliche Rückschläge zu erwarten – dennoch blicken die Analysten von Fidelity aufgrund der gelockerten Corona-Maßnahmen und zunehmender staatlicher Stützung des Immobiliensektors mit vorsichtigem Optimismus auf die dortige wirtschaftliche Entwicklung.

Ein weiterer Hoffnungsschimmer ergibt sich in der Analyse unserer hauseigenen Daten zur wirtschaftlichen Entwicklung des globalen Industriesektors: Erstmals seit April 2021 sind die Auftragseingänge wieder auf ein überdurchschnittliches Niveau gestiegen. Allerdings tendieren unsere zentralen Konjunkturindikatoren nicht einheitlich, bei Rohstoffen etwa ist die Nachfrage weiter gesunken.

Aktienregionen: Großbritannien attraktiver als USA

Welche Auswirkungen haben die Entwicklungen der vergangenen Wochen nun auf die Aktien- und Anleihemärkte? Wichtigster Schritt unserer Analysten war das Herabstufen von US-Aktien auf neutral. Der Grund: Die jüngste Rallye hat die Bewertungen stark ansteigen lassen. Anders ist die Lage im Vereinigten Königreich, dessen Aktienmarkt die Experten von neutral auf Übergewichten hochgestuft haben. Hier scheint der Großteil der Negativprognosen bereits eingepreist, die Bewertungen sind niedrig und bieten gute Einstiegsmöglichkeiten. Auch Schwellenländeraktien belassen unsere Experten übergewichtet – vor allem dank der Öffnung Chinas nach dem Ende der Null-Covid-Strategie. Japan und der Pazifikraum stehen unter Beobachtung und bleiben neutral bewertet. Währenddessen verhindern die schwachen Wachstumsaussichten in Kombination mit der straffen Geldpolitik eine Erholung der Unternehmen im Euroraum. Hiesige Aktien belassen unsere Analysten deshalb auf Untergewichten.

Fazit

Zu Beginn des neuen Jahres bleibt der Optimismus verhalten. In Anbetracht der weiterhin strengen Geldpolitik der großen Notenbanken und des schwachen Wachstums halten unsere Analysten einen defensiven Kurs weiterhin für sinnvoll.