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Die russische Börse ist ein Paradies für Spekulanten

Der Aktienmarkt in Russland ist sicherlich nicht für jeden Anleger als Tummelfeld geeignet. Doch für Spekulanten ist es fast wie in einem Paradies. Denn es geht traditionell volatil zu an der Moskauer Börse. Mit Mittelmaß begnügt man sich in der Performancebilanz der Weltbörsen jedenfalls selten. In der Regel ist man entweder vorn dabei, was in den vergangenen Jahren dank einem da noch strammen Wirtschaftswachstum oft passiert ist, oder man befindet sich unter den größten Verlierern.

BÖRSE am Sonntag

Letzteres war leider im vergangenen Jahr der Fall. Da sank der für den lokalen Markt richtungsweisende RTS-Index um gut 72%, nachdem er sich noch bis zum Mai im Plus gehalten hatte. Die Zahl der Dollarmilliardäre in Russland hat sich durch diesen herben Einschnitt mehr als halbiert. Doch in diesem Jahr hat sich das Blatt bisher wieder zum Besseren gewendet. Obwohl der RTS bis zum 23. Januar erst noch um weitere 21% bis auf 498,20 Punkte absackte, steht bei aktuell gültigen 722 Punkten inzwischen ein Plus von gut 14% zu Buche. Besser schneiden bislang nur die Märkte in Venezuela und Peru ab.

Gesunkener Ölpreis bremst

Mit diesem Spitzenplatz unterstreicht die russische Börse wieder einmal, dass sie immer für Überraschungen gut ist. Erwartet haben dieses Comeback jedenfalls vermutlich nur die wenigsten Marktteilnehmer. Gestaltete sich die Ausgangslage doch auch in den vergangenen Wochen alles andere als ermutigend. So ist der Handelsbilanzüberschuss im Januar um 59% auf 8,4 Mrd. US-Dollar eingebrochen und die Industrieproduktion um 16,0% im Vorjahresvergleich. Außerdem rechnet Regierungschef Wladimir Putin bei einem angenommenen Minus von 7,4%, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, mit dem ersten defizitären Staatshaushalt seit mehr als zehn Jahren.

Daten wie diese zeigen schon, wie sehr sich der Verfall des Ölpreises in dem rohstoffreichen Land negativ auswirkt. Wie schwer dieses Problem zu schaffen macht, zeigt auch die Prognose der Analysten von Capital Economics. Denn sie sagen für 2009 ein Schrumpfen der Wirtschaft um rund 5% voraus. Das wäre noch einmal deutlich schlechter, als es die Regierung derzeit mit einem geschätzten Minus von 2,2% annimmt. Angesichts des eingetrübten Umfeldes ist die im Dezember von der Ratingagentur Standard & Poor’s getroffene Entscheidung kein Wunder, die Bonitätsnote Russlands trotz der weltweit drittgrößten Devisenreserven um eine Stufe auf BBB, die zweitniedrigste im Bereich Investment Grade, zu senken.

Allerdings wäre es zu einfach, alle Schwierigkeiten nur auf den gefallenen Ölpreis abzuwälzen. Vielmehr haben die Verantwortlichen in der Politik auch etliche hausgemachte Fehler begangen. Dazu gehören neben dem Versäumnis, die Wirtschaft mehr zu diversifizieren, der mit Georgien ausgefochtene Blitzkrieg, die mit der Ukraine ausgetragene Gas-Fehde und die immer wiederkehrenden Attacken gegen einige Großunternehmen. Wie groß insgesamt die Verunsicherung war, zeigt sich daran, dass laut BNP Paribas seit August 300 Mrd. USDollar an Kapital aus Russland abgezogen wurden und die Landeswährung Rubel seit August gegenüber einem aus US-Dollar und Euro bestehenden Währungskorb um 35% eingeknickt ist. Der schwache Rubel hat wiederum viele Firmen in die Bredouille gebracht, da sich diese oft zu stark in ausländischen Währungen verschuldet hatten. So gesehen sind auch die Unternehmer nicht frei von Schuld. Zumal auch die Grundsätze der Unternehmensführung oftmals noch sehr zu wünschen lassen.

Pluspunkt Bewertung

Die Rohstoffpreise waren und sind aber die alles überragenden Einflussfaktoren. Schließlich stammen mehr als 70% der Gewinne der börsennotierten Unternehmen aus dem Öl- und Gassektor. Angesichts dieser Zahl liegt der Schluss nahe, dass das Jahresplus beim RTS-Index ohne die jüngste spürbare Erholung beim Ölpreis kaum in dem Ausmaß möglich gewesen wäre. Denn der über die Ölschiene nachlassende Kursdruck erlaubt es den Anlegern zusammen mit der allgemein weltweit wieder etwas gestiegenen Risikobereitschaft, sich wieder etwas mehr auf die Fundamentaldaten zu konzentrieren. Und in dieser Hinsicht hat die russische Börse nach dem erlittenen Crash auch jetzt noch einiges zu bieten. Obwohl im Schnitt für dieses Jahr bei den Gewinnen mit einem Minus von mehr als 40% gerechnet wird, beläuft sich das KGV für den MSCI Russia Index auf unter fünf. Das erscheint ebenso niedrig wie das Kurs- Buchwert-Verhältnis von durchschnittlich 0,5. Zum Vergleich: Dem MSCI Emerging Markets Index wird ein deutlich höheres Kurs-Buchwert-Verhältnis von 1,1 zugebilligt. Selbst die Dividendenrendite hat sich inzwischen deutlich gemausert. So kommen die RTS-Vertreter jetzt auf eine Rendite von im Schnitt rund 4%, während es im Vorjahr nur 1,5% waren.

Nicht zuletzt Bewertungsüberlegungen waren es dann auch, welche die Analysten von Goldman Sachs erst kürzlich ihr Kursziel für den RTS-Index auf 950 Punkten anheben ließen und sie bewegten, den russischen Markt zum Kauf zu empfehlen. Einig sind sich die Experten in ihrer Sichtweise aber noch lange nicht. Fast zeitgleich hat die ING Groep ihren Kunden zu Gewinnmitnahmen an der Moskauer Börse geraten. Der Osteuropa-Fondsspezialist East Capital wiederum hat momentan rund 60% seiner Mittel in Russland investiert, was ein so hohes Gewicht ist wie nie zuvor. Als wichtiger Pluspunkt wird von den Schweden zur Begründung für diese Anlagestrategie der starke inländische Konsum angeführt. Doch auch dieses Argument lässt sich durchaus kontrovers diskutieren. Zumindest stellt sich die Frage, was mit der Konsumlust passiert, wenn sich die Arbeitslosenquote, wie von Capital Economics vorhergesagt, tatsächlich auf 12% von durchschnittlich 6,3% im Vorjahr erhöhen sollte. Laut Osteuropa- Volkswirt Neil Shearing könnte dies in einer Volkswirtschaft, wo der Konsum mehr als die Hälfte des Bruttoinlandsproduktes ausmacht, in einem Desaster enden.

Fazit:

Die unterschiedlichen Meinungen der Experten sind ein Beleg dafür, wie schwierig die russische Börse einzuschätzen ist. Die komplexe Ausgangslage lässt aber auch viel Platz für überraschende Entwicklungen und diese wiederum versprechen auch volatile Kursausschläge. So gesehen dürften spekulativ angehauchte Anleger auch in den kommenden Monaten in Russland auf ihre Kosten kommen. Die Emittenten haben dabei sowohl für Optimisten als auch für Pessimisten Produkte im Bestand.

Optionsscheintrading

Call- und Put-Optionsscheine gibt es sowohl auf den RTS-Index, der die 50 größten Unternehmen beinhaltet, die an der RTS Stock Exchange in Moskau gehandelt werden, als auch auf den Russian Depositary Index (RDX), der die liquidesten Global Depositary Receipts (GDRs) umfasst, die an der London Stock Exchange gehandelt werden. Und natürlich auch auf den Russian Traded Index (RTX), der ein kapitalisierungsgewichteter Preisindex ist, der aus den umsatzstärksten und höchstkapitalisierten Aktien von Unternehmen besteht, die an der MICEX (Moscow Interbank Currency Exchange) gelistet sind. Wir beschränken uns aber auf die RDX-Produkte, weil hier derzeit die Aufgelder noch am geringsten sind.