„In der Krise wird deutlich: Geld auf dem Bankkonto ist gar keine so schlechte Anlage“
Peter Bofinger, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Würzburg und von 2004 bis 2019 einer der fünf deutschen Wirtschaftsweisen, über den Shutdown, die Notwendigkeit sogenannter Corona-Bonds, die Bedeutung von Bargeld nach der Virus-Krise - und grüne Schnurtelefone.
Peter Bofinger, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Würzburg und von 2004 bis 2019 einer der fünf deutschen Wirtschaftsweisen, über den Shutdown, die Notwendigkeit sogenannter Corona-Bonds, die Bedeutung von Bargeld nach der Virus-Krise - und grüne Schnurtelefone.
Herr Prof. Bofinger, Sie als ehemaliger Wirtschaftsweiser, für wie weise halten Sie denn die bislang beschlossenen geld- und wirtschaftspolitischen Maßnahmen der Notenbanken und Regierungen dies- und jenseits des Atlantiks?
Insgesamt hat die Finanzpolitik in allen Ländern sehr schnell und mit stark dosierten Maßnahmen reagiert. Auch die Notenbanken haben ein klares Zeichen gesetzt, dass sie alles tun werden, um in dieser extremen Lage die Stabilität des globalen Finanzsystems zu sichern.
In einem Appell, den die Frankfurter Allgemeine Zeitung vor kurzem veröffentlichte, fordern Sie unter anderem gemeinsam mit dem Chef des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, Gabriel Felbermayr, die Ausgabe von europäischen Anleihen, sogenannter Corona-Bonds. In Berlin scheint man von dieser Idee allerdings nicht besonders überzeugt…
Das ist schade, denn was wir jetzt brauchen ist ein deutliches Zeichen, dass wir in Europa diese Krise, von der alle Mitgliedstaaten massiv betroffen sind, solidarisch bewältigen wollen. Der Europäische Stabilitätsmechanismus ist ein Kreditmechanismus für Länder, die den Zugang zu den Kapitalmärkten verloren haben. Er passte zur Eurokrise, bei der Ländern geholfen wurde, die ihre nationalen Probleme nicht aus eigener Kraft bewältigen konnten. Deshalb gab es Geld nur gegen wirtschaftspolitische Auflagen. Deshalb haben diese Kredite ein klares Stigma.
Schlussendlich stünde die Ausgabe von Corona-Bonds für die Vergemeinschaftung von Schulden innerhalb des Euroraums. Wird Ihnen da nicht schwindelig, wenn Sie auf die Staatsverschuldung und Bonität Italiens blicken?
Gerade weil Italien schon jetzt eine hohe Verschuldung aufweist, brauchen wir Finanzierungsmechanismen, bei denen sich Italien zu günstigen Zinsen verschulden kann. Ideal wäre eine Lösung, bei der die Kredite von einer europäischen Institution aufgenommen und dann als Transfers an die Mitgliedstaaten weitergegeben werden.
Um was muss ich mir als deutscher Staatsbürger für den Moment mehr Sorgen machen: Um die europäische Wirtschaft oder die europäische Währung?
Die europäische Wirtschaft befindet sich durch den gesundheitlich bedingten Shutdown in einem künstlichen Koma. Sie muss deshalb von den Staaten so gut es geht durch Liquiditätshilfen und direkte Transfers, wie zum Beispiel Kurzarbeitergeld, am Leben gehalten werden. Aber je länger der Shutdown anhält, desto schwieriger wird es dieses Koma ohne gravierende Folgeschäden zu überstehen.
Apropos Währung: 2015 haben Sie – damals noch als einer der fünf deutschen Wirtschaftsweisen – in einem Interview mit dem „Spiegel“ gefordert, dass sich die Bundesregierung für die Abschaffung des Bargelds einsetzen soll. Das hat für einigen Wirbel gesorgt. Wie steht es um Ihren Standpunkt heute?
Ich habe unmittelbar nach diesem Interview den Vorschlag zurückgenommen. Ich muss sagen, dass ich völlig unterschätzt habe, wie wichtig es für viele Menschen ist, Bargeld zu benutzen und zu halten. Dass muss man respektieren. Für mich persönlich ist Bargeld schrecklich veraltet, so ähnlich wie die grünen Telefone mit langer Schnur und Wählscheibe, die wir in den 70er-Jahren benutzt haben.
Bei einem rein digitalen Geldwesen könnten die Notenbanken theoretisch Negativzinsen von zehn Prozent verhängen. Sparer müssten dies hinnehmen oder gegen ihren Willen konsumieren. Das klingt nach einer Menge Kontrolle...
Ich sehe auf absehbare Zeit nicht, dass es zu einer Abschaffung des Bargelds kommen wird. Bei der sehr hohen Präferenz vieler Menschen für Bargeld, dürfte das politisch nicht durchsetzbar sein.
Nun scheint es aber, als würde die Präferenz an Höhe verlieren. Durch die strengen Ausgangsbeschränkungen kaufen die Menschen derzeit nochmal mehr im Netz ein, als sonst schon. Via Kreditkarte, Paypal und Co. Dazu geraten Geldscheine und Münzen als mögliche Viren-Überträger in Verruf. Wird die Corona-Krise einmal als Anfang vom Ende des Bargelds in Erinnerung bleiben?
Im alltäglichen Zahlungsverkehr wird das Bargeld deutlich zurückgehen, nicht zuletzt durch die sehr einfache Zahlungstechnologie des kontaktlosen Bezahlens, bei dem ich unter 25 Euro ohne Pin-Eingabe bezahlen kann.
Wie wird diese Krise das Geldwesen verändern? Immer mehr institutionelle Investoren investieren gerade in den Bitcoin.
In der Krise wird deutlich, dass das Geld auf dem Bankkonto – selbst bei geringfügigen Negativzinsen – gar keine so schlechte Anlage ist.
Wir sprechen immer von der Digitalisierung des Geldwesens. Was bedeutet das denn überhaupt konkret? Zahlen wir bald alle alles mit Bitcoin?
Das Geldwesen ist ja schon seit Jahrzehnten weitgehend digital. Das Geld auf dem Girokonto ist ja schließlich girales Geld. Bitcoin ist eine völlig ungeregelte Währung und damit naturgemäß extrem instabil. Zudem sind Transaktionen mit Bitcoin sehr viel zeitaufwendiger als beispielsweise über Paypal oder Kreditkartensysteme.
Sehen Sie dieses Thema in der deutschen und europäischen Politik ausreichend berücksichtigt? Könnten wir Gefahr laufen, alsbald von einer Kryptowährung eines großen Techkonzerns abhängig zu sein?
Ich sehe das nicht. Aber wenn Facebook ein völlig uneinlösliches Geld emittiert und sich dafür mit staatlichem Geld bezahlen lässt, also sozusagen ein Monopoly-Geld gegen Euro oder Dollar verkauft, sollte man aus Gründen des Verbraucherschutzes einschreiten.
In Zeiten der Krise einmal ganz offen gefragt: Ist es an der Zeit unser bisheriges Geld- und Wirtschaftssystem radikal neu zu denken?
Nein. Unser Geldsystem hat sich in den vergangenen Jahren durchaus bewährt. Wir haben seit der Jahrtausendwende eine sehr viel höheres Maß an Geldwertstabilität als in den vorhergehenden Jahrzehnten.
Die Fragen stellte Oliver Götz
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