Gut für die Börsen: Geldpolitik nach Augenmaß
Sorgen um das Wachstum überlagern die Bedenken hinsichtlich der Inflation. In diesem Umfeld steigt die Hoffnung auf eine gemäßigtere Geldpolitik der US-Notenbank. In Europa dagegen steht eine echte Zinswende noch aus. Geldpolitik per Autopilot dürfte den Börsen schaden. Wird sie hingegen mit Augenmaß betrieben, kann dies hingegen von Vorteil sein.
Sorgen um das Wachstum überlagern die Bedenken hinsichtlich der Inflation. In diesem Umfeld steigt die Hoffnung auf eine gemäßigtere Geldpolitik der US-Notenbank. In Europa dagegen steht eine echte Zinswende noch aus. Geldpolitik per Autopilot dürfte den Börsen schaden. Wird sie hingegen mit Augenmaß betrieben, kann dies hingegen von Vorteil sein.
Vom Analystenteam der DJE Kapital AG
Auch der Mai 2022 war – nach dem ausgesprochen schwierigen April – kein einfacher Börsenmonat. Trotzdem konnten wir uns mit unseren relativ hohen Aktienquoten im Mai gut behaupten. Einige unserer Fonds entwickelten sich sogar überdurchschnittlich, darunter die Dividendenstrategien, ein offensiver Mischfonds und ein vermögensverwaltender Fonds. Kurzfristige Prognosen bleiben bis auf Weiteres schwierig. Das Marktumfeld bereitet Investoren aus den verschiedensten Gründen weiterhin Bauchschmerzen, allen voran das geopolitische Risiko des Russland-Ukraine-Kriegs, die Zinsanhebungen bzw. die geldpolitische Straffung der US-Notenbank und die konjunkturelle Lage Chinas. Vor allem die monetären Indikatoren sehen kurzfristig nicht gut aus. Die Markttechnik hingegen ist nach wie vor sehr gut: Es herrscht immer noch ein sehr großer Pessimismus, und viele markttechnische Indikatoren liefern daher Kaufsignale.
Aktien/Anleihen
• Ausgewählte Anleihen bieten wieder Chancen
• Defensive Aktien weiterhin im Fokus
Im laufenden Jahr haben sich Mischfonds mit hohen Aktienquoten bislang meist besser geschlagen als solche mit hohen Anleihequoten. Inzwischen sorgen aus unserer Sicht die hohen Renditeniveaus wieder für einzelne Anlagechancen bei festverzinslichen
Wertpapieren: In den USA findet man wieder Anleihen mit Renditen von fünf bis sechs Prozent, und es gibt europäische Anleihen, die bei nicht zu langer Laufzeit mehr als vier Prozent Rendite bringen. Auf der Aktienseite halten wir einen Fokus auf defensive Aktien unverändert für sinnvoll. Qualitativ hochwertige Unternehmen mit hoher Preissetzungsmacht, die auch in einem wachstumsschwachen Umfeld solide Gewinne erwirtschaften, bleiben langfristig voraussichtlich die beste Anlagealternative.
Volkswirtschaften/Regionen
• Gegenläufige Inflationseffekte
• Mittelfristige Inflations- und Zinserwartungen nehmen bereits ab
• Situations- bzw. datenabhängige Fed-Politik könnte der Börse helfen
• China bleibt schwierig einzuschätzen und risikoreich
Sollte die US-Notenbank Fed ihren Zinserhöhungs- und Liquiditätsrückführungsprozess (Quantitative Tightening) per Autopilot fortsetzten, dürfte es für die US-Konjunktur und damit auch für die US-Börsen schwierig werden bzw. bleiben. Allerdings gibt es beim volkswirtschaftlich dominierenden Thema der Inflationsentwicklung auch positive Nachrichten bzw. gegenläufige Inflationseffekte: So verbessert sich die Verfügbarkeit von Waren. Vor allem bei Halbleitern steigen die Lagerbestände seit einiger Zeit wieder. Online-Werbung wird aktuell günstiger, und es ist wieder mehr Personal im höheren Einkommenssegment (auch IT-Fachkräfte) verfügbar. Die Mindestlöhne steigen zwar weiter, aber der Druck auf die Löhne für hochqualifiziertes Personal nimmt ab. Einige große Unternehmen scheinen zu viel Personal eingestellt zu haben und entlassen bereits wieder, wie z.B. große US-amerikanische Internetkonzerne. Die mittelfristigen Inflations- und Zinserwartungen (für die kommenden zwei, fünf und zehn Jahre) nehmen daher bereits ab. Der Börse könnte es helfen, wenn die Fed ihre Geldpolitik situations- und datenabhängig gestaltet.
China bleibt weiterhin schwierig einzuschätzen: Die Probleme auf dem Immobilienmarkt bleiben bestehen. Außerdem wird sehr wenig Land verkauft, und damit fehlt den Kommunen auch das Geld, um z.B. über Infrastrukturinvestitionen konjunkturell anzukurbeln. Die Gesamtwirtschaft in China ist nach wie vor angeschlagen. Selektiv bieten sich zwar Chancen, aber insgesamt lassen wir gegenüber der Anlageregion China Vorsicht walten.
Sektoren
• Basiskonsumgüter oft zu stark übergewichtet
• Stark angeschlagene Tech-Werte könnten wieder Chancen bieten
Die Branchenauswahl bleibt schwierig. Basiskonsumgüter sind bei vielen Investoren zurzeit stark übergewichtet. Wir halten es für sinnvoll, größere Übergewichtungen in diesem Sektor zu überdenken. Dagegen könnten die stark angeschlagenen Technologiewerte wieder Chancen bieten. Auch chinesische Tech-Werte sind sehr günstig bewertet und könnten mittelfristig vom nachlassenden Regulierungsdruck profitieren.
Aktien/Bewertung:
• Wert vor Wachstum
• Preissetzungsmacht und Profitabilität entscheidend
In den vergangenen Jahren standen vor allem Kriterien wie das Umsatzwachstum im Fokus der Investoren. Das könnte sich in den nächsten Jahren ändern. Kriterien wie die Preissetzungsmacht von Unternehmen und eine starke Marktposition bzw. Fähigkeit, die Margen zu halten, werden aus unserer Sicht in den nächsten Jahren wichtiger werden. Die Aktien jener Unternehmen, deren Profitabilität sich nicht verschlechtert, dürften künftig relativ gut laufen bzw. sich überdurchschnittlich entwickeln. Auch Kriterien wie Bewertung und Dividende dürften weiterhin eine größere Bedeutung haben als in den vergangenen Jahren.
Währungen/Rohstoffe/Gold
• US-Dollar entwickelt sich seitwärts
• Steigende Anleihenrenditen bremsen Gold
Wenn sich die US-Konjunktur abschwächt, könnte der US-Dollar zur Schwäche neigen. Wir erwarten daher eine Seitwärtsentwicklung des US-Dollar-Kurses. Auch in Europa herrscht konjunktureller Gegenwind. Die Ankündigung des EZB-Rats vom 9. Juni zeigt: Zinsanhebungen in der Eurozone werden nur sehr langsam und vorsichtig dosiert durchgeführt werden. US-Dollar-Absicherungen halten wir daher derzeit nicht für notwendig. Der Goldpreis entwickelte sich im Mai enttäuschend, sowohl in US-Dollar (-2,9 Prozent) als auch in Euro (-4,4 Prozent). Vor allem die steigenden Anleiherenditen wirkten sich negativ auf die Goldpreisentwicklung aus. Eine Seitwärtsentwicklung des US-Dollars würde sich tendenziell eher positiv auf den Goldpreis auswirken. Es gab zuletzt weniger Goldoptimisten, und Netto-Future-Long-Kontrakte waren wieder rückläufig. Gold behält aber seinen „Hedge-/Absicherungs-Charakter“, z.B. für den Fall einer weiteren geopolitischen Eskalation. Gold sollte aus unserer Sicht daher weiterhin Portfolio-Bestandteil bleiben. Im Falle eines möglichen Embargos gegen russisches Öl dürfte der Ölpreis erneut deutlich anziehen. Ein Gasembargo würde Europa und vor allem Deutschland mit hoher Wahrscheinlichkeit in eine scharfe Rezession führen.