Netzwerkkönig und Wirtschaftswundermann
SPD-Schattenwirtschaftsminister, Bundesschatzmeister der FDP, Banker, Unternehmer, Investor, Mäzen. Harald Christ hatte schon viele Rollen. Nun soll er für den Bund die Commerzbank beaufsichtigen. Und nebenbei gelingt ihm Deutschlands größter KI-Deal
SPD-Schattenwirtschaftsminister, Bundesschatzmeister der FDP, Banker, Unternehmer, Investor, Mäzen. Harald Christ hatte schon viele Rollen. Nun soll er für den Bund die Commerzbank beaufsichtigen. Und nebenbei gelingt ihm Deutschlands größter KI-Deal
Die einen nennen ihn Tausendsassa, die anderen den derzeit einflussreichsten Netzwerker der Berliner Republik. Harald Christ ist ein superaktiver Grenzgänger zwischen Politik und Wirtschaft, zwischen Sozial- und Freidemokraten, geistig verortet zwischen Helmut Schmidt und Christian Lindner. Er war Schattenwirtschaftsminister von Frank-Walter Steinmeier und später Bundesschatzmeister der FDP. Genau der richtige Strippenzieher für Ampelzeiten in Deutschland. So hat ihn die Bundesregierung nun in den Aufsichtsrat der Commerzbank geschickt. Die Commerzbank ist immer noch zu rund 15 Prozent in Staatsbesitz, weil der Bund sie in der Finanzkrise vor dem Zusammenbruch gerettet hatte. Christ ist gelernter Banker, war lange bei der Deutschen Bank und Postbank, zwischenzeitlich auch mal Vorstandsvorsitzender der Ergo-Versicherung Beratung und Vertrieb AG. Obwohl Christ aus einer bodenständigen Arbeiterfamilie in Worms stammt (der Vater schaffte bei Opel im Presswerk und war aktiver Gewerkschafter) hat Christ ein kapitalistisches Händchen für Geld und gute Geschäfte. Schon früh wurde er ein umtriebiger Investor. In dieser Rolle ist ihm nun - zeitgleich mit seinem Start als Commerzbank-Aufsichtsrat - ein spektakulärer Deal gelungen.
Christ hat das Berliner Softwarehaus „G2K“ an den US-Konzern Service Not verkauft. Die deutsche Investorenszene staunt nicht schlecht, denn die Transaktion ist größte KI-Deal in Deutschland überhaupt. Die Amerikaner übernehmen das Startup für einen hohen dreistelligen Millionenbetrag.
Die G2K-Gründer Karsten Neugebauer (CEO) und Omar El Gohary (CTO) haben seit 2013 eine KI-Software entwickelt, die in Echtzeit große Mengen gesammelter Daten analysieren und für Unternehmen daraus konkrete Handlungsempfehlungen machen kann. Wird zum Beispiel ein Regal in einem Geschäft leer, eine Warteschlange zu lang, ein Lagerposten knapp dann analysiert die KI die Zusammenhänge, alarmiert und gibt konkrete Empfehlungen. Die KI wird durch Sensoren und Kameras mit umfassenden Daten gefüttert. Es optimiert am Ende nach er Smart-Retail-Logik Prozesse, spart Geld und erhöht die Produktivität. G2K macht mit der Technologie - vor allem in der Handelsbranche - rasch wachsende Millionenumsätze und beschäftigt 200 Mitarbeiter in München, Kairo, Mexiko und Dubai.
Den Software-Unternehmern hat Christ die große Investorentür aufgemacht. Er selbst übernahm dereinst ein größeres Aktienpaket, als kaum jemand an G2K geglaubt hatte. Christ verhandelte mit den besten Adressen, von SAP bis Microsoft und Google. Er hätte gerne eine deutsche Lösung für den neuen KI-Star gefunden. Doch am Ende schlug mit dem CEO von Service Now ein alter Bekannter von Christ zu: Bill McDermott war über neun Jahre Vorstandsvorsitzender von SAP.
Christ hat durch den Deal auch sein persönliches Vermögen erheblich vergrößert. Und seinen Ruf als geschickter Dealmaker. Bereits 2005 gelang ihm ein Börsengang mit der HCI Capital AG mit einem Erlös, der ebenfalls im dreistelligen Millionenbereich lag. Er hält außerdem 50 Prozent an der luxemburgischen Immobilienfirma x+bricks. Zu dem Portfolio der Firma gehören Handelsimmobilien mit einem Volumen von 1,3 Milliarden Euro, darunter auch viele alte Real-Standorte.
Sein wachsendes Imperium soll ihm nun Andreas Kuhlmann in die Zukunft führen. Der langjährige Chef der Deutschen Energie-Agentur (Dena) wird ab dem 1. Juli Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Christ & Company. Christ sagte dem Handelsblatt, Kuhlmann werde Unternehmen bei der Umsetzung ihrer Klimaschutzvorhaben beraten und darüber hinaus die Themen Energie- und Kreislaufwirtschaft sowie Nachhaltigkeit verantworten. Außerdem werde sich Christ & Company gemeinsam mit Kuhlmann neben der strategischen Beratung von Unternehmen auch dem stark wachsenden Markt für Beteiligungen im Clean-Tech-Bereich widmen.
„Christ & Company ist Beratungsunternehmen und Investor zugleich“, sagte Christ. „Bei einigen Mandaten steht die Beratung im Vordergrund, bei anderen bieten sich Investitionsmöglichkeiten. Und manchmal kommt auch beides zusammen“, ergänzte er. Sein Ziel sei es, „mit Christ & Company noch stärker unternehmerisch tätig zu werden“.
BaS
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