Hedgefonds betätigten sich als Brexit-Zocker
Dass die Briten die EU verlassen wollen, schockierte die Finanzmärkte. Aber manche Hedgefonds verdienten daran prächtig, indem sie auf fallende Kurse setzten. Das Pikante: Manche Manager halfen dem Brexit etwas nach.
Dass die Briten die EU verlassen wollen, schockierte die Finanzmärkte. Aber manche Hedgefonds verdienten daran prächtig, indem sie auf fallende Kurse setzten. Das Pikante: Manche Manager halfen dem Brexit etwas nach.
Der Handelssaal einer Londoner Bank am Freitagmorgen: Als die Nachricht vom Brexit die Runde macht, blicken die Händler gespannt auf ihre Bildschirme. Stumm verfolgen sie, wie die Kurse tiefrot blinken und die Schlagzeilen vorbei tickern. „Da“, sagt ein Händler plötzlich und tippt auf eine Schlagzeile, die auf seinem Bloomberg-Terminal erscheint, „Crispin Odey. Der hat heute richtig Geld verdient“.
Der Hedgefonds-Manager machte am Freitag mit dem Brexit ein Vermögen. Damit ist er nicht alleine: Eine Reihe von Fonds hatte auf fallende Aktienkurse und eine schwaches Pfund gesetzt – und wurde dafür belohnt. Wegen ihrer Anlagestrategie ziehen die Fonds immer wieder Kritik auf sich, doch bei Odey kommt eine Besonderheit dazu. Der Hedgefonds-Manager trieb den Brexit selbst voran, indem er sich dafür einsetzte. Die britische Finanzgröße hatte für die „Vote Leave“-Kampagne gespendet, die sich für einen Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union stark gemacht hat.
Am Freitag holte Odeys Fonds mehr als 220 Millionen Pfund für sich und seine Anleger heraus. „Ich denke, ich bin der Gewinner“, sagte er der britischen „Daily Mail“. Seine Anteilseigner hatte er schon vor dem Referendum gewarnt, dass er die Chancen für einen Brexit höher hält als erwartet. „Die Wahrscheinlichkeit ist hoch genug, dass sich Investoren für die Nachwirkungen eines solchen Votums vorbereiten sollten“, schrieb er in einem Brief an die Investoren. genau das tat Odeys Fonds: Er ging „Short“, setzte also auf fallende Kurse. Etwa beim Hausbauer Berkeley Group, dessen Aktien am Freitag rund ein Fünftel an Wert verloren. Auch beim Vermögensverwalter Aberdeen und dem Shoppinghausbetreiber Intu Properties hatte Odey auf fallende Kurse gewettet.
Odey ist aber nicht der einzige Brexit-Befürworter, der am Freitag abgesahnt hat. Auch Ian Wace vom Hedgefonds Marshall Wace hatte sich für den Brexit stark gemacht, während sein Fonds auf fallende Kurse setzte.
Auch auf der Bremain-Seite wurde prächtig verdient
Der Hedgefonds-Manager David Harding hatte sich für die „Britain Stronger in Europe“ eingesetzt. „Die EU zu verlassen, wäre ein furchtbares Investment“, hatte er gewarnt. Hardings Hedgefonds Winton Capital Management insgesamt rund 30 Milliarden US-Dollar. Auch Winton ging vor dem Brexit zahlreiche Short-Positionen ein.
Harding hatte allerdings mehrfach versichert, dass seine Spenden nichts mit den Handelspositionen von Winton zu tun haben. Der Fonds werde nicht von menschlichen Händlern gesteuert, sondern von Computern, die mit Algorithmen nach Trends in den Märkten suchen. Auch für Harding machte sich Brexit am Freitag bezahlt: Während die meisten Händler in London auf ihren Bildschirmen vor allem rote Zahlen sahen, legten die Anteile seines Fonds um rund zwei Prozent zu.
Nach eigenen Angaben nicht profitiert vom Brexit hat hingegen Starinvestor George Soros, der 1992 durch seinen Wetten gegen das britische Pfund weltberühmt wurde. Doch der 85-Jährige hat offenbar Geld verloren, weil er mit einem Verbleib von Großbritannien in der EU gerechnet hatte. Nach Angabe seines Sprechers habe auf einen auf einen Anstieg der britischen Währung gesetzt.
Der Ungar hatte wenige Tage vor dem EU-Referendum in Großbritanniens vor einem massiven Sturz des Pfunds gewarnt, sollte das „Leave“-Lager gewinnen. Ein „Schwarzer Freitag“ wäre die Folge, hatte er in einem Gastbeitrag für die Londoner Zeitung „The Guardian“ geschrieben. Das Pfund könnte im Falle eines Brexit mehr als 20 Prozent fallen, prognostizierte er - und kam damit der tatsächlichen Wechselkursentwicklung am Freitag erstaunlich nahe.
Auch der Gefühlslage, die nach dem Brexit in Großbritannien vorherrscht, hatte Soros irgendwie geahnt: „Zu viele glauben, dass ein Votum zum EU-Austritt keine Folgen auf ihre persönliche Finanzlage haben wird. Das ist Wunschdenken.“ Und so wünschen nun offenkundig viele, viele Briten, dass nicht wahr sein möge, was geschehen ist. Doch es ist nicht mehr die Stunde der Besonnenen, der Mahner. An den Finanzmärkten ist die Stunde der Zocker angebrochen. Handelsblatt / Michael Brächer / Kerstin Leitel