Hedgefonds - Phönix aus der Asche
An den Börsen regiert die nackte Angst. Als Sündenböcke wurden unter anderem Hedgefonds ausgemacht. Tatsächlich haben aber auch diese in der Summe kräftig verloren. Trotzdem könnte die Branche am Ende des Tages zu den Gewinnern zählen.
Der Begriff Hedgefonds leitet sich von dem englischen Verb „to hedge“ ab, das zu Deutsch eingrenzen oder einzäunen bedeutet. So begannen bereits im 17. Jahrhundert Händler einer ungünstigen Preisentwicklung der von ihnen gehandelten Rohstoffe zu begegnen, indem sie das Risiko – mittels der Vorläufer der modernen Terminkontrakte – eingrenzten. Die heutigen Hedgefonds sind aber eher auf eine maximale Rendite aus und haben mit dem ursprünglichen Absicherungsgedanken nicht mehr allzu viel gemein.
Gewinne auch in der Krise
Der erste moderne Hedgefonds wurde von dem amerikanischen Wirtschaftsjournalisten Alfred Winslow Jones bereits im Jahr 1949 gegründet. Da sich die Fonds ursprünglich ausschließlich an besonders vermögende Einzelpersonen oder Familien richteten, entfiel die Notwendigkeit, kleine Anleger und Sparer durch eine Regulierung der Produkte zu schützen. Das Fondsmanagement verfügt damit über einen nahezu unbegrenzten Handlungsspielraum. Dieser lässt sich im Gegensatz zu herkömmlichen Fonds beispielsweise auch dazu nutzen, auch bei fallenden Kursen Geld zu verdienen. Um dies zu erreichen, leihen sich die Fonds Aktien von Unternehmen, deren Kurse vermutlich fallen. Diese Aktien werden dann an der Börse sofort wieder verkauft. Sinkt deren Kurs dann tatsächlich, können dieselben Wertpapiere billig zurückgekauft werden, die Differenz zwischen Verkaufs- und Kaufkurs abzüglich der Leihgebühr ist der Gewinn des Fonds. Durch die geschickte Kombination von Aktienkauf und -verkauf kann zudem ein Teil des üblichen Marktrisikos ausgeschaltet werden. Die Aktien, die von Hedgefonds verkauft und dann wieder eingekauft werden, besitzen diese also eigentlich gar nicht. Sie sind nur geliehen. Im Börsenjargon spricht man deshalb auch von einem sogenannten Leerverkauf oder dem Short Selling.
Geierfonds sorgen für funktionierende Märkte
Gerade diese Vorgehensweise wird den Fonds nun vorgehalten. Der Vorwurf: Hedgefonds hätten in den letzten Monaten mit Leerverkäufen gezielt die Aktienkurse der Banken heruntergeprügelt und so auf Kosten der Aktionäre und der Realwirtschaft massive Gewinne eingestrichen. Ein Blick auf die Marktstatistiken zeigt aber, dass das Short Selling von Finanzaktien gerade im turbulenten September, also just zu der Zeit, als Lehman Brothers Insolvenz anmeldete, niedriger war als oft angenommen. So berichtete die FAZ Ende September, dass diese Transaktionen in der Woche um den 15. September „bei Goldman Sachs 3,1% der Marktkapitalisierung ausmachten, bei Morgan Stanley 3,4%, bei HBOS 3%, bei Barclays 5,2% und bei der Deutschen Bank zum Beispiel 0,35%“. Spekulationen in dieser Größenordnung haben aber kaum Auswirkungen auf die Kurse liquider Wertpapiere. Zudem erlebte auch die Hedgefonds-Branche im September und Oktober historische Verluste: „Der September war für Hedge Funds, gleichgültig welcher Strategie, ein sehr schwieriger Monat und der Credit Suisse/Tremont Hedge Fund Index beendete den Monat mit einem Minus von 6.55%“, so Oliver Schupp, Präsident von Credit Suisse Index. Mit ihren Finanzwetten erfüllen die Spekulanten also eine wichtige Aufgabe: Sie machen mit allem Nachdruck auf ökonomische Missstände aufmerksam und legen den Finger in die Wunde. Denn die Ziele werden schließlich nicht zufällig ausgewählt. Geld verdienen kann man schließlich nur dann, wenn das Spekulationsobjekt geschickt gewählt ist, sprich wenn die Währung, das Kreditportfolio oder das Unternehmen, auf dessen Verfall sie wetten, tatsächlich hoffnungslos überbewertet ist.
Die schwarzen Schafe
Dass es aufgrund der Liquiditätsschwemme und dem parallel dazu verlaufenden Verfall der Risikoprämien in der jüngeren Vergangenheit auch zu Auswüchsen kam, bleibt unbestritten. So führte die enorme Zunahme an neuen Hedgefonds, +230% seit dem Jahr 2000 (3.300; absolute research) auf heute (7.600; absolute research), zu einem enormen Erfolgsdruck, der einzelne Manager immer wieder dazu verleitete, die Grenzen der Legalität zu überschreiten und/oder Wetten einzugehen, die nichts mehr mit ökonomischen Modellen oder Markteinschätzungen gemein hatten. Dazu zählen die offenbar gezielt gestreuten Gerüchte über die Solvenz bestimmter Finanzhäuser, wie beispielsweise Lehman Brothers, AIG oder Bear Stearns.
Zu trauriger Berühmtheit gelangte auch der Hedgefondsmanager Brian Hunter. Im Jahr 2005 setzte er darauf, dass sich die Preisdifferenzen zwischen Erdgaskontrakten unterschiedlicher Laufzeiten verschieben. Dank der beiden verheerenden Wirbelstürme Rita und Katrina lag der Spekulant auch tatsächlich richtig: Der Preis für Erdgas explodierte und Hunter wurde zur lebenden Legende. Im folgenden Jahr wollte er das Kunststück wiederholen. In der Hoffnung auf eine katastrophale Hurrikan-Saison im Herbst 2006 wettete der Starhändler des Fonds Amaranth darauf, dass Erdgas im März 2007 teurer sein wird als im April. Doch diesmal ging das Geschäft völlig schief. In dieser Saison richtete kein Wirbelsturm in den USA größeren Schaden an. Binnen weniger Tage waren auf diese Weise 6,5 der einst neun Milliarden Dollar Fondsvermögen einfach weg. Der Fonds musste anschließend geschlossen werden – und markiert den größten Verlust, den je ein Hedgefonds einfuhr.
Überlegene Anlageklasse
Doch es gibt auch eine andere Seite: Einigen Hedgefonds hat die gegenwärtige Krise spektakuläre Gewinne beschert. So spekulierte David Einhorn mit seinem Greenlight Fund schon im vergangenen Jahr auf den Untergang von Lehman Brothers, und Philip Falcone von Harbinger Capital setzte mit Leerverkäufen gezielt auf die Schwäche von HBOS. Der absolute Star aber ist John Paulson: Seit 2006 wettete Paulson auf das Ende des amerikanischen Immobilienbooms. Im vergangenen Jahr 2007, als die Bubble schließlich platzte, verbuchte er dann auch den höchsten Gewinn, der je von einem Hedgefonds erzielt wurde – 15 Milliarden Dollar.
Weniger spektakulär und deshalb auch weit weniger beachtet wird derzeit die Performance der Industrie insgesamt. Denn trotz Krise und im historischen Vergleich hoher Verluste, konnten die Hedgefonds die Aktienmärkte deutlich outperformen. Dies gilt sowohl für den Monat September, in denen Hedgefonds, gemessen am Greenwich Global Hedge Fund Index (GGHFI) und am Greenwich Composite Investable Index (GI2), mit -4.85% bzw. -5.87% deutlich weniger verloren als beispielsweise der MSCI World Equity (-12.08%) und der FTSE 100 (-13.02%), als auch in der Betrachtung der Entwicklung seit Jahresanfang: Hier verloren die beiden Hedgefonds-Indizes mit jeweils rund -9% nur einstellig, während der MSCI World Equity und der FTSE 100 Index rund -25% beziehungsweise rund -24% verloren. Zwar haben sich die Hedgefondsverluste nach Vorlage der neuesten Zahlen zum Monat Oktober nochmals deutlich ausgeweitet, der Barclays Hedge Fund Index liegt gegenüber dem Jahresanfang mittlerweile um rund -19% zurück, jedoch gilt dies gleichermaßen auch für die Aktienmärkte. Absolut betrachtet hat sich der Abstand damit sogar noch vergrößert.
Marktausblick
Angesichts der unsicheren Lage ziehen momentan viele institutionelle Anleger – trotz der relativen Outperformance – Geld aus Hedgefonds ab. So veröffentlichte J.P. Morgan jüngst eine Schätzung, nach der Hedgefonds im kommenden Jahr von Rückzahlungen in Höhe von 150 Milliarden betroffen sein könnten. In der Folge bieten einzelne Hedgefonds ihre Dienste nun kostenlos an, wenn sich die Investoren verpflichten, ihr Geld bis März kommenden Jahres nicht abzuziehen. Anleger, die eine Anlage in Hedgefonds planen, sollten daher noch das 1. Quartal des nächsten Jahres abwarten.
Fazit
Erfolgreiche Hedgefonds machen vor, dass die vorgestellten Strategien tatsächlich in messbare Erfolge umgemünzt werden können. Entgegen vielfacher Schlagzeilen sind sie in der Lage, nicht nur die Märkte deutlich zu schlagen, sondern sie tun es oft auch noch bei deutlich geringeren Risiken – das heißt niedrigerer Schwankungsbreite (Volatilität). Aus diesen Gründen dürften sorgfältig ausgewählte Hedgefonds immer eine interessante Anlagemöglichkeit bleiben. Wie so oft, besteht die Schwierigkeit vor allem darin, die interessanten Anbieter von den schwarzen Schafen und den unerfahrenen Anbietern zu unterscheiden.