Hedgefonds unter Beschuss
Der Start in das Jahr 2010 war unbestritten eine der schwierigsten und zugleich wichtigsten Phasen in der Geschichte der Hedgefonds. Nachdem man die Finanzkrise und den Madoff-Skandal gerade überstanden hatte, sorgte die Eurokrise dafür, dass sich die Politik wieder auf die Branche einschoss. Höchste Zeit, einmal hinter die Kulissen zu blicken.
Eines der beliebtesten Instrumente der Hedgefonds sind Leerverkäufe. Solange die Märkte steigen und das Finanzsystem schnurrt, ist das für die Politik auch kein Problem. Doch wehe, die See wird rauer und große Marktteilnehmer oder gar ganze Staaten geraten ins Trudeln. In diesem Fall benötigt man einen Schuldigen. Genau das passierte im Mai dieses Jahres.
Mit ihren Wertpapierverkäufen, so die Erkenntnis der Politiker, hatten Leerverkäufer griechische Anleihen unter Druck und Griechenland an den Rand des Ruins getrieben. Als kurze Zeit später ob des enormen Rettungspaketes Zweifel an der Finanzierbarkeit des Schutzschirms aufkeimten und der Euro abrutschte, konnte dahinter nur eine Verschwörung der Hedgefonds stecken. „Die Taktik, Leerverkäufer für das Verschärfen von Krisen verantwortlich zu machen, ist so alt wie die Märkte selbst“, so der Hedgefonds-Manager James Chanos in einem Handelsblatt-Interview. Nichtsdestotrotz wurde rasch auf die vermeintliche Bedrohung reagiert und seitens der Politik ein Verbot von Leerverkäufen sowie eine strikte Regulierung der Branche gefordert.
Strengere Regeln
Geht es nach den EU-Finanzministern, müssen sich die Manager von Hedgefonds und Private-Equity-Gesellschaften künftig zentral registrieren lassen und zur Einhaltung von Transparenzregeln verpflichten. Dazu gehört auch die Offenlegung ihrer Strategien, Positionen und Risikokennzahlen. Für die bislang weitgehend unregulierte Branche haben diese Maßnahmen einschneidenden Charakter. Doch noch ist nichts entschieden: Die ursprünglich für Juli geplante Verabschiedung der entsprechenden Gesetze wurde auf September verschoben, weil sich die Finanzminister nicht auf eine einheitliche Regulierung einigen konnten. Sollte die Regulierung im geplanten Umfang verabschiedet werden, dürfte sich die Schweiz innerhalb Europas zu einem wichtigen Standort entwickeln.
Die positive Seite der Gier
Dabei erfüllen die Hedgefonds an den Märkten eine wichtige Aufgabe: Durch ihre Wetten legen sie den Finger in die Wunde und identifizieren neben Marktineffizienzen frühzeitig Fehlentwicklungen und Überbewertungen. Das war beispielsweise im September 1992 so, als George Soros mit seiner berühmt gewordenen Spekulation gegen das britische Pfund Recht behielt. Während der Schaden für das System damals weniger offensichtlich war, lässt sich die kurze Eurokrise im laufenden Jahr auch als nachdrücklicher Hinweis der Märkte auf eine, zukünftig möglicherweise nicht mehr zu schulternde, Belastung der europäischen Staatshaushalte interpretieren. Gerade weil diese Einschätzung so stark spürbar war, mussten die Regierungen der betroffenen Staaten auch schmerzhafte Maßnahmen vornehmen und konnten sich nicht mit kosmetischen Maßnahmen begnügen.
Spekulanten sind nur der Sündenbock
Dass dafür allein die Hedgefonds verantwortlich waren, ist wenig wahrscheinlich. „Es hat noch nie auch nur den kleinsten Beweis dafür gegeben, dass Leerverkäufe der Grund für einen großen Absturz an den Märkten waren. Deren Anteil an der gesamten Marktaktivität ist zu klein“, kommentierte Chanos diese Behauptung. Und tatsächlich werden Leerverkaufsverbote von Wissenschaftlern, die sich mit der Thematik beschäftigen, sehr kritisch gesehen: Prof. Arturo Bris, von der IMD Business School in Lausanne, kam in einer 2008 veröffentlichten Studie zu folgendem Ergebnis: „Erstens mussten wir feststellen, dass der Impuls der Vorschrift schon der falsche war. Denn die Aktivität der Leerverkäufer war bei den geschützten Aktien vor Inkrafttreten der Vorschrift nicht größer als bei anderen Papieren“. Alessandro Beber und Marco Pagano, die die Auswirkungen solcher Verbote bei Aktien zwischen 2007 und 2009 untersuchten, stellten fest, dass das Verbot die Kurse der von dem Verbot betroffenen Aktien nicht stützte.
Übertreibungen wurden korrigiert
Demgegenüber hat es jedoch auch bei den Hedgefonds einige Auswüchse gegeben, die im Zuge der Krise und der anschließenden Mittelabflüsse eingedämmt wurden. So haben sich die Fonds im Zuge der Veränderungen an den Finanzmärkten wieder ihren traditionellen, risikoärmeren Strategien zugewandt und die Fremdkapitalquoten deutlich zurückgefahren. Zum Teil wurde dieser Bereinigungsprozess auch vom Markt erzwungen: Wer in den Jahren 2007 und 2008 zu viel Fremdkapital aufgeladen hatte, hat die Krise schlichtweg nicht überlebt. Darüber hinaus wurde die Abhängigkeit vom Aktienmarkt reduziert, sodass die Korrelationen in diesem Bereich signifikant gesunken sind.
Rückkehr zu alten Tugenden trägt Früchte
Dies führte einerseits dazu, dass das Ergebnis der Branche mit rund 20% für 2009 hinter den Aktienmärkten (+27% MSCI World Index) zurückblieb. Andererseits konnte man sich dafür aber auch in den ersten 6 Monaten des laufenden Jahres in der Gewinnzone (+0,6%) halten, während Aktien ihren Besitzern Verluste bescherten: -9,7 %, gemessen am Dow Jones Global Index. Besonders bemerkenswert ist hierbei, dass diese Entwicklung von der Mehrzahl der Fonds getragen wird: 51% der Fonds haben die erste Jahreshälfte im Plus beendet. Trotz des Rückstands gegenüber Aktien haben Hedgefonds zudem im vergangenen Jahr die beste Wertentwicklung der vergangenen zehn Jahre erzielt: „Die besten Hedgefonds haben ihre Fähigkeit unter Beweis gestellt, sowohl bei steigenden als auch bei fallenden Märkten eine überdurchschnittliche Wertentwicklung zu erzielen. Das zieht noch größere Vermögensanteile von Investoren an, die auf der Suche nach Stabilität und Wachstum sind“, so Benjamin Happ, Head of Capital Services Asia Pacific bei der Credit Suisse.
Risikoarme Produkte für Privatanleger
Mit dem Erfolg kehrt nun auch das Geld zurück. Der Vermögenszuwachs im letzten Jahr sorgte dafür, dass bereits im zweiten Halbjahr 2009 eine Kehrtwende bei den Mittelabflüssen erreicht werden konnte. Bis zum Ende dieses Jahres dürften die verwalteten Mittel sogar wieder auf das vor der Finanzkrise verzeichnete Rekordniveau von 2 Billionen US-Dollar steigen. Das ist das Ergebnis einer von der Credit Suisse regelmäßig durchgeführten Umfrage unter institutionellen Investoren. Viele der Strategien sind auch für Privatanleger sinnvoll.
Häufig stellt sich für sie die Frage, wie diese Anlageklasse im Portfolio überhaupt abgedeckt werden kann. Sie haben in der Regel nicht die Möglichkeit, direkt in Hedgefonds zu investieren. Nicht zuletzt aufgrund ihrer Liquidität sind Zertifikate- oder ETF-Konstruktionen auf diesem Gebiet daher besonders attraktiv. Allerdings steht gerade bei Produkten auf breit gestreute Indizes oder bei Dach-Hedgefonds die Risikominimierung beziehungsweise der Kapitalerhalt im Vordergrund – wer auf der Suche nach Renditewundern ist, wird hier in der Regel nicht fündig.
Fazit
Erfolgreiche Hedgefonds machen vor, dass die vorgestellten Strategien tatsächlich in messbare Erfolge umgemünzt werden können. Entgegen vielfacher Schlagzeilen sind sie in der Lage, nicht nur die Märkte deutlich zu schlagen, sondern sie tun es oft auch noch bei deutlich geringeren Risiken. Aus diesen Gründen dürften sorgfältig ausgewählte Hedgefonds eine interessante Anlagemöglichkeit bleiben. Wie so oft besteht die Schwierigkeit vor allem darin, die interessanten Anbieter von den schwarzen Schafen und den unerfahrenen Anbietern zu unterscheiden.