Hilfe für den Vermögensaufbau

Deutschland fehlt es bei der Altersvorsorge nicht in erster Linie an Wissen, sondern an gut gesetzten Anreizen für private und betriebliche Altersvorsorge.
Von Midia Nuri
Es gibt nichts Gutes, außer man tut es. Das klingt als Motto zum Thema betriebliche und private Altersvorsorge durch, über das Christian Pellis, CEO von Amundi Deutschland, und Henriette Peucker, Geschäftsführende Vorständin des Deutschen Aktieninstituts (DAI) auf dem Ludwig-Erhard-Gipfel miteinander sprechen. Zunächst einmal, befinden beide, stehe Deutschland bei der Altersvorsorge nicht nur schlecht da. „Dieses Jahr hatten wir erstmals mehr Aktionäre unter 40 als über 60 Jahren“, sagt Peucker. Die Zahl habe sich verdoppelt. „Und wenn man weiß, dass über 60-Jährige viel mehr Geld zur Verfügung haben, gibt das einigen Grund zu Optimismus“, findet die DAI-Vorständin. „Es zeigt, dass die Dinge zwar bürokratisch sind, aber gerade junge Leute die Klarheit haben, dass sie das auch einfach hinbekommen können.“ Die Grundhaltung sei sehr mutmachend. Aber, schiebt sie nach, solange die Politik Anreize setze, nicht fürs Alter vorzusorgen, werde es keinen Wechsel geben.
Deutschland sei europaweit am stärksten bei der digitalen Geldanlage, schließt sich Pellis an und verweist auf eine Umfrage von Amundi unter 11.000 direkt investierenden Anlegern aus 25 Ländern. 78 Prozent der Befragten investieren demnach zumindest teilweise über digitale Plattformen. Der wichtigste Grund für private Altersvorsorge ist der Studie zufolge ein sorgloser Ruhestand (37 Prozent der Befragten) oder auch vorgezogener Ruhestand (29 Prozent).
„Die Motivation, in Altersvorsorge zu investieren, ist also hoch“, hebt Pellis hervor, „obwohl der Staat hierfür praktisch keinen Anreiz setzt.“ Andere europäische Länder täten viel mehr für die private Altersvorsorge ihrer Bürger und erlaubten auch mehr Flexibilität dabei der Altersvorsorge. Zwar investierten gerade junge Leute in Deutschland viel digital, aber es sei nur ein kleiner Teil. „In den Niederlanden“, sagt der Niederländer, „haben 100 Prozent eine betriebliche Altersvorsorge und auch sehr viel eine private Altersvorsorge.“ Mehr als in Deutschland. Allerdings liege das nicht daran, dass Deutschland weniger Ahnung habe, sagt Pellis. „Nur haben Sie in anderen Länder viel mehr Anreize, zu denen auch Steuervorteile gehören.“
Natürlich sei auch Finanzbildung wichtig, sagt der Amundi-Deutschland Chef. Doch: „Die Standardprodukte sind einfach. Ich muss halt wissen, welches Risiko ich eingehen will.“ Das sei keine Raketenwissenschaft. Hierbei helfe Beratung. Auch Influencer hält Pellis für wichtig. Der Studie zufolge informieren sich 32 Prozent der Befragten dort – im Vergleich zu 48 Prozent, die Beratung in Anspruch nehmen, und 68 Prozent, die auf digitale Quellen zurückgreifen. „Aber trotzdem haben in Deutschland 59 Prozent der Befragten keinen langfristigen Finanzplan“, wundert sich der Amundi-Deutschland-CEO.
Wer einen solchen Plan hätte, würde die Finanzmärkte bei der Altersvorsorge auch aus eigenen Stücken wohl nicht aussparen. Und darauf kommt es an, dessen sind sich die beiden einig. Dafür spreche schon ganz einfach das Renditedreieck, sagt Peucker, das sie bei der Frage jederzeit gern auf ihren Smartphoneschirm holt. „Wenn Sie vor 30 Jahren investiert und selbst am tiefsten Punkt der Trump-Rezession verkauft hätten, sie hätten immer noch sieben Prozent Rendite gemacht“, sagt sie. „Es wird immer mehr sein als mit dem Sparbuch“, pflichtet Pellis bei. Und solange man diversifiziere, brauche man
darüber hinaus auch wenig zu wissen, sagt Peucker. „Streuen – dann kann man gar nicht viel verlieren.“
Natürlich sei Wissen wichtig und das DAI fordere auch Finanzbildung an Schulen, sagt Peucker. Dann zitiert sie den schwedischen Minister für die Finanzmärkte („Ja, den gibt es.“): „Die Leute wollen nicht belehrt werden, sondern üben.“ Dem schließt sich Pellis an. „Selbst wenn man heute in der Schule mit der Finanzbildung anfängt, hat man trotzdem zwei oder drei Generationen ohne Altersvorsorge.“ Das könnten wir uns mit Blick auf den demographischen Wandel, der leider ein bisschen zu sehr vergessen würde, nicht leisten, sagt Pellis. „Und das wissen die Leute auch.“ Deshalb wünschten sich gut ein Drittel der Deutschen eine Rentenreform.
Oliver Behrens sieht dagegen großen Bedarf an Bildung und gerade Finanzbildung. Der Chef des Onlinebrokers Flatexdegiro sieht eher finanzielles Analphabetentum, das zu Unsicherheit und auch hohen Risiken führe, „weil die Leute sich dann auch von Scharlatanen beraten lassen.“ In Bildung zu investieren, sei nicht nur wichtig für die Menschen, auch für den Standort. „Nur wenn es den Bürgern besser geht, werden sie das System der Marktwirtschaft und demokratischen Grundordnung unterstützen“, ist Behrens überzeugt.
„Die Politik hat recht viel öffentliches Geld lockergemacht“, sagt Peucker. „Man vergisst, dass das private Geld genauso wichtig ist.“ Sie fordert, die Politik müsse Altersvorsorge einfacher machen. „Das bringt auch unsere Wirtschaft voran.“ Die Politik sei hier am Zug, denn die Leute wollten Geld zur Seite legen. Nicht nur für den Ruhestand, weiß Amundi-Deutschland-CEO Pellis. „Daneben wollen Privatanleger auch einfach viel Geld verdienen, reisen oder sich Rücklagen für Kauf oder Renovierung einer Immobilie oder auch spätere Langzeitpflege sichern“, sagt er.
Auch die betriebliche Altersvorsorge, könne die Politik viel tun, sagt Pellis. „Indem sie Kooperationen zwischen Unternehmen fördert. Das ist nett für die Kleinen, weil ihre Mitarbeiter so von guter betrieblicher Vorsorge profitieren“, sagt er. „Und auch für die großen Unternehmen, die ihren Zulieferern Teilhabe an betrieblichen Vorsorgemodellen ermöglichen, ist das von Vorteil.“