Washington ist alarmiert: Die Angst vor einem Banken-Crash ist größer als man zeigt
Die Pleite zweier US-Banken löst ein Börsenbeben aus. Investoren fürchten eine Kettenreaktion des Misstrauens oder gar eine Finanzkrise wie 2008. Die Sorge in den USA ist so groß, dass sogar der Präsident, der Notenbankchef und die Finanzministerin mit Pathos die Bevölkerung beruhigen wollen. Doch das macht die Angst nur größer. Derweil bringt der Chef der Pleitebank sein eigenes Geld in Sicherheit
Die Pleite zweier US-Banken löst ein Börsenbeben aus. Investoren fürchten eine Kettenreaktion des Misstrauens oder gar eine Finanzkrise wie 2008. Die Sorge in den USA ist so groß, dass sogar der Präsident, der Notenbankchef und die Finanzministerin mit Pathos die Bevölkerung beruhigen wollen. Doch das macht die Angst nur größer. Derweil bringt der Chef der Pleitebank sein eigenes Geld in Sicherheit
Joe Biden klang so ernst wie bei einer Kriegserklärung. Die Schließung zweier Banken hat das US-Finanzsystem offenbar ziemlich in Bedrängnis gebracht, so dass sich der US-Präsident genötigt sah, mit einigem Pathos die Bevölkerung zu beruhigen. In einer Ansprache rief er seinen Landsleuten zu: „Die Amerikaner können sich darauf verlassen, dass das Bankensystem sicher ist.“ Parallel verkündeten die Finanzministerin Yellen, der Notenbankchef Powell und der Chef des Einlagensicherungsfonds (FDIC) Gruenberg in einer dramatischen Gemeinschaftserklärung (https://home.treasury.gov/news/press-releases/jy1337), dass alle Bankkunden an ihr Geld kämen, dass das amerikanische Bankensystem „widerstandsfähig“ sei und „auf solidem Fundament“ stehe.
Was wie eine Mega-Beruhigung von ganz oben wirken soll, macht Amerikaner erst recht misstrauisch. Viele Anleger und Sparer fragen sich, wie schlimm die Schieflage und das Risiko im US-Bankensystem denn sein müssen, wenn sogar Präsident, Notenbankpräsident und Finanzministern gemeinsam beschwören müssen, was eigentlich selbstverständlich sein sollte, dass nämlich das Geld auf Bankkonten sicher sei. An den Börsen jedenfalls sind die Kurse von Bankaktien tief eingebrochen, Berichte von Barabhebungen und Schlangen vor US-Bankautomaten häufen sich. Die Angst vor Kettenreaktionen und einem Banken-Run ist spürbar.
Joe Bidens ungewöhnlicher Beschwichtigungsversuch erinnert an den legendären Auftritt von Kanzlerin Angela Merkel mit ihren damaligen Finanzminister Peer Steinbrück im Oktober 2008. Die Lehmankrise hatte die Weltfinanzarchitektur ins Wanken gebracht, es drohte eine Serie von Bankenpleiten und Merkel versprach fast wortgleich wie Biden jetzt: „Wir sagen den Sparerinnen und Sparern, dass ihre Einlagen sicher sind. Auch dafür steht die Bundesregierung ein.“ Die Sätze sind als „Merkel-Garantie“ in die Geschichte eingegangen, doch Merkel wusste schon damals, dass ihr Versprechen vor allem der Beruhigung dienen sollte. Später räumt die Bundesregierung ein, die Erklärung stelle „keine rechtsverbindliche und damit selbstständig einklagbare Garantie“ dar.
Tatsächlich hätte bei einem Geldvermögen der Deutschen von 5,9 Billionen Euro ein kollektiver Run auf die Bankkonten von der Bundesregierung gar nicht aufgefangen werden können. Merkels Garantie war ein politisch erfolgreicher Trick zur Zurückgewinnung von Vertrauen ins Bankensystem.
Genau das versucht jetzt Joe Biden auch. Denn die Pleite der Silicon Valley Bank (SVB) ist hoch gefährlich. Es handelt sich bereits jetzt um den größten Kollaps seit der globalen Finanzkrise von 2008. Das Institut hatte Ende 2022 Vermögenswerte von 209 Milliarden Dollar in der Bilanz und war damit die Nummer 16 der US-Bankenbranche. Die SVB war in der Tech-Szene bei Start-ups in den USA das zentrale Finanzinstitut. Fast die Hälfte aller US-Start-Ups wickelte seine Finanzierungen über die SVB ab. Inzwischen hat es mit der New Yorker Signature Bank noch eine zweite Bank erwischt. Diese Gemengelage führt dazu, dass auch Kunden von eigentlich soliden Banken plötzlich misstrauisch werden, Geld abheben und ihre Institute so in Bedrängnis bringen. Auch Kreditausfälle und platzende Investorenzusagen können Kettenreaktion auslösen, der Refinanzierungskreislauf gerät ins Stocken, weil jeder jedem schlagartig misstraut.
Die US-Behörden wollen das unbedingt verhindern - einerseits mit den politischen Erklärungen. Andererseits mit der Ankündigung, dass Kunden, die ihr Geld bei den über das Wochenende geschlossenen Geldhäusern Silicon Valley Bank und Signature Bank angelegt hatten, geschützt seien und Zugang zu ihren Ersparnissen bekämen. Das gelte auch für kleine Betriebe. Die Fed will den Banken in dieser akuten Krise auch den Zugang zu Liquidität erleichtern, damit es bei fortgesetzten Abhebungen keine akuten Engpässe gebe. Doch die nächste Schieflage zeichnet sich bei der First Republic Bank bereits ab.
Auslöser der Probleme sind die starken Zinserhöhungen in den USA. Damit kommt es insbesondere im Tech- und Immobiliensektor zu großen Verwerfungen, weil viele Geschäfte bei höheren Zinsen schlichtweg platzen.
Die Pleite der SVB gilt bereits als möglicher Endpunkt der Boomjahre im Silicon Valley. Der spektakuläre Erfolg vieler Techunternehmen basierte auch auf eine Phase billigen Geldes. Viele Projekt mit hohen Risiken wurden leichthändig finanziert. Damit könnte es nun vorbei sein. Gerade die SVB war bekannt dafür, dass Startups hier in Finanzierungsrunden leicht an viel Geld kommen konnten.
Der CEO der Bank war in Kalifornien beliebt, weil er mutiger und kreativer Geld fließen ließ als die vermeintlich konservativen Banker in New York. Greg Becker verkündete noch vor wenigen Wochen, dass man für 2023 wieder prächtige Geschäfte erwarte. „Wir sind optimistisch, weil unsere Kristallkugel ein wenig klarer ist", sagte Becker gegenüber CNBCN. Nur 24 Stunden vor der Pleite hatte Becker persönlich Kunden angerufen, um ihnen zu versichern, dass ihr Geld bei der Bank sicher sei.
Er selbst aber brachte Geld in Sicherheit. Nach Angaben der Aufsichtsbehörden verkaufte Becker am 27. Februar 12.451 SVB-Aktien für 3,6 Millionen Dollar. Auch ein Jahresbonus wurde ihm noch kurz vor der Pleite ausbezahlt. Seine Jahresbezüge bei SVB lagen zwischen 9 und 10 Millionen Dollar im Jahr.
Becker war schon 30 Jahre bei der SVB und arbeitete sich vom
Kreditsachbearbeiter bis zum Vorstandsvorsitz (seit 2011) hoch. Er inszenierte sich als Held der kalifornischen Geldwelt. Auf der Webseite der SVB steht noch heute, dass er ein „Champion der Innovationsindustrie“ sei. Unter seiner Führung sei SVB in den S&P500-Index aufgestiegen, sei als einer der besten Banken der USA gewählt worden, überhaupt das weltführende Institut zur Innovationsfinanzierung geworden. Becker ließ sich als Spender und Philanthrop feiern, als einer der in Gender- und Umweltfragen die Avantgarde verkörpere und die Nähe zu Politikern wie Al Gore suchte. Becker gehörte dem Vorstand der Federal Reserve Bank of San Francisco an und ist dafür eingetreten, dass Insidergeschäfte zeitlich nicht zu sehr beschränkt werden sollten. Genau davon hat er nun profitiert.
In seiner Belegschaft herrscht - wie CNN berichtet - inzwischen offene Wut über ihren Chef, der die Bank mit zu hohen Risiken, allerlei Ungeschicklichkeiten im Krisenmanagement und einer unverhohlenen Selbstbereicherung in die Pleite geführt hat. Beckers Videobotschaft an die Mitarbeiter vom Freitag wird als zynisch wahrgenommen. Darin sagte er, dass die 48 Stunden bis zum Zusammenbruch der Bank wohl „unglaublich schwierig" gewesen seien. Doch Becker hat schon im Dezember der BBC wissen lassen, dass man sich in seiner Branche ohnedies gar keine Sorgen machen müsse. Gute Leute aus der Innovationswirtschaft verfügen immer „über wirklich endlose Möglichkeiten“. Seine eigenen Möglichkeiten sind mit den geretteten Millionen bestimmt größer als die seiner Mitarbeiter, die jetzt arbeitslos werden.
Wolfram Weimer
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