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Kaiser's Tengelmann: Versager haben gewonnen

Gerhard Schröder hat wieder einmal seine Qualitäten bewiesen. Vom rat- und glücklosen Sigmar Gabriel als Retter geholt, hat er den Gordischen Knoten durchschlagen, hat er die Zitterpartie um die Zukunft von 15.000 Mitarbeitern beendet. Ob sie am Ende für die Meisten gut aus geht, wird erst die Zukunft weisen. Aber was jetzt schon konstatiert werden kann: es ist unsäglich, was geschehen ist.

BÖRSE am Sonntag

Gerhard Schröder hat wieder einmal seine Qualitäten bewiesen. Vom rat- und glücklosen Sigmar Gabriel als Retter geholt, hat er den Gordischen Knoten durchschlagen, hat er die Zitterpartie um die Zukunft von 15.000 Mitarbeitern beendet. Ob sie am Ende für die Meisten gut aus geht, wird erst die Zukunft weisen. Aber was jetzt schon konstatiert werden kann: es ist unsäglich, was geschehen ist.

Von Florian Josef Hoffmann

Zwei Vermögenspositionen gehen aus dem ursprünglichen Fusionsverfahren zwischen Edeka und Kaiser'sTengelmann mit großem Schaden hervor: Tausende von Arbeitsverträgen und Pensionsansprüchen von Mitarbeiter einerseits und das Geldvermögen der Inhaberfamilie Haub andererseits. Beides hängt eng zusammen, denn die Familie Haub hatte sich einen starken Partner (Edeka) gesucht, um das desolate Unternehmen Kaiser'sTengelmann (KT) mitsamt aller Mitarbeiter und ihrer Pensionslasten zu schultern.

Nun kann man natürlich sagen: Geschieht ihnen recht, den ehemals reichsten Deutschen, warum haben sie nicht besser gemanagt. Die Antwort darauf ist einfach: Das KT-Geschäftsmodell war auf den Mittelstand ausgerichtet, den starken deutschen Mittelstand, die Durchschnittsfamilie wenn man so will, das Lieblingskind der Sozialen Marktwirtschaft. Genau dieses Lieblingskind wurde in den letzten beiden Jahrzehnten Opfer der Schere, der sich öffnenden Einkommensschere.

Durch den Einkommensverfall war der Normalbürger gezwungen, seine Wanderschaft hinüber zu Aldi und Lidl zu starten. Mit Sicherheit kamen bei KT andere Managementfehler dazu, man ja hätte ja auf die Veränderungen besser reagieren können. Aber es geht in diesem Verfahren eben nicht nur um ein Familienvermögen und be- und vergangene Fehler, sondern auch um das konkrete aktuelle Schicksal von 15.000 oder ursprünglich 16.000 Mitarbeitern mit ihren Familien, also mit Sicherheit das Schicksal von etwa 50.000 Menschen. Das sind extrem weitreichende Auswirkungen auf die zweite Vermögensposition, auf die der Mitarbeiter.

Und dann kamen die Versager

Als erstes kam das Bundeskartellamt: Es ist bis heute unerfindlich, weshalb die Fusion dort nicht von Anfang an genehmigt wurde! Die Behörde bearbeitete im Jahr 2015 nicht weniger als 2.011 Fusionsanträge. Davon wurde einer, ein einziger Antrag (!), abschlägig beschieden, nämlich der hier in Rede stehende. Man nennt so etwas Behördenwillkür! Jeder Bürger hat Anspruch auf Gleichbehandlung, keine Gleichbehandlung im Unrecht, aber Gleichbehandlung im Ermessensgebrauch durch eine Behörde. Behördenhandeln muss berechenbar und vorhersehbar sein. Aber wenn alle zweitausend Fusionsanträge durchgewunken werden, dann schreit eine einzige Ablehnung zum Himmel.

Ein solches Behördenversagen ist im Fall des Bundeskartellamts nur möglich, weil seine sogenannten „Beschlusskammern“ quasi richterliche Unabhängigkeit genießen. Was bei Einführung dieser Unabhängigkeit durch den Gesetzgeber vor zehn Jahren vielleicht gut gedacht war, hat sich zwischenzeitlich in vielen Erpressungsfällen als behördliche Übermacht herausgestellt. Nicht umsonst haben die Väter des Grundgesetzes die Einrichtung von „Sondergerichten“ verboten, Art. 101 GG. Hier besteht also Handlungsbedarf für den Gesetzgeber, denn die Beschlusskammern agieren wie Ausnahmegerichte, sind also verfassungswidrig.

Zweiter Versager war der 1. Kartellsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf, der die „Ministererlaubnis“ kippte. Man kann das dortige Urteil das nur als krasses Fehlurteil bezeichnen. (Siehe auch mein Beitrag „Angebot ist nicht gleich Angebot“ vom 16. Juli 2016 hier auf THE EUROPEAN). Natürlich kann man fragen, weshalb die Fusionspartner Edeka und KT nicht das normale Klageverfahren vor dem OLG eingeschlagen haben, um die Ablehnung der Fusion durch das Bundeskartellamt zu Fall zu bringen. Aber die Antwort darauf ist einfach: Ein Unternehmen, das eine Periode der Rechtsunsicherheit von drei Jahren vor sich hat – so lange und noch viel länger dauert ein solches Wirtschaftsverwaltungsverfahren über eine oder zwei Instanzen -, ein solches Unternehmen verliert in dieser Zeit unsäglich an Unternehmenswert, weil es keine unabhängigen unternehmerischen Entscheidungen mehr gibt und weil viele der besten Mitarbeiter abwandern. Und genau deshalb – und natürlich auch für andere Fälle - hat der Gesetzgeber für solche Fälle die Ministererlaubnis vorgesehen.

Wie kann ein Minister „befangen“ sein?

In dieser Drucksituation rügen die OLG-Richter die „Befangenheit“ des Ministers bei der Entscheidung über die Versagung/Erlaubnis. Der gesunde Menschenverstand fragt sich doch allen Ernstes, wie man einen Bundeswirtschaftsminister überhaupt als „befangen“ rügen kann. Wenn doch jemand befangen ist, dann ist es ein Minister von morgens bis abends. Gabriel ist doch SPD-Mitglied. Als solcher hat er einen besonderen Draht zu den Gewerkschaften. Beide politischen Partner muss er in seine Überlegungen einbeziehen. Er ist Kabinettsmitglied. Als solcher muss er deren Interesse einbeziehen und abwägen oder sich abstimmen mit der Bundeskanzlerin und den Kabinettskollegen. Gabriel hat eben keine richterliche Unabhängigkeit, der ihn hätte im Sinne einer neutralen Entscheidung hätte befangen werden lassen können, wie einen Richter oder einen normalen Büroangestellten. Gabriels Ministererlaubnis war eine Tendenzentscheidung, die seinem politischen Interesse entsprach und dem politischen Interesse der Bundesregierung, der er angehört. Sonst bräuchte es die Ministererlaubnis nicht, die ja gerade als politisches Korrektiv für eine formale behördliche Entscheidung gedacht ist. Deshalb war das Urteil grottenfalsch.

Woraus folgt: Schuld an der katastrophalen Entwicklung sind nicht in erster Linie die Beteiligten, sondern der Gesetzgeber, der eine derartige Entwicklung nicht vorhergesehen und damit zugelassen hat. Hauptopfer sind weniger irgendwelche Verbraucher, die jetzt angeblich ein paar Cent höhere Preise zahlen müssen, sondern Tausende von Mitarbeitern von Kaiser'sTengelmann und ihre Familien, sowie die Familie Haub, insbesondere Herr Karl-Erivan Haub, der seit fast zwei Jahrzehnten bei diesem Unternehmen nachweislich nichts anderes im Sinn hatte, als seiner sozialen Verantwortung für eben diese Mitarbeiter gerecht zu werden.

Es wird Zeit, dass der Gesetzgeber die entsprechenden Gesetzes-Normen abzuändert, um ähnliche Kalamitäten in Zukunft zu vermeiden. Dann muss der Minister in Zukunft nicht wieder einen Ex-Bundeskanzler aus seinem wohlverdienten Unruhestand holen, damit der die Fehler der Versager korrigiert.