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Kapitalmarkt 2024: Was dürfen Anleger erwarten?

Die Aussicht auf Zinssenkungen im kommenden Jahr dürfte Aktienkurse weltweit beflügeln. Der Chefanlagestratege der Deutschen Bank Ulrich Stephan sieht sogar eine erstaunliche Doppelchance und verrät, wie es in den unterschiedlichen Weltregionen, in wichtigen Branchen und bei Rohstoffen jetzt weitergehen dürfte.

Jahresendrally: Das Jahr 2023 neigt sich dem Ende entgegen. Für 2024 erwarten viele Experten eine positive Entwicklung auf den Kapitalmärkten, so auch der Chefanlagestratege der Deutschen Bank Ulrich Stephan.

Die Aussicht auf Zinssenkungen im kommenden Jahr dürfte Aktienkurse weltweit beflügeln. Der Chefanlagestratege der Deutschen Bank Ulrich Stephan sieht sogar eine erstaunliche Doppelchance und verrät, wie es in den unterschiedlichen Weltregionen, in wichtigen Branchen und bei Rohstoffen jetzt weitergehen dürfte.
 
Gastbeitrag von Ulrich Stephan, Chefanlagestratege für Privat- und Firmenkunden der Deutschen Bank
 
Die Notenbanken haben den Kapitalmarkt im Jahr 2023 geprägt. Ähnliches erwarte ich auch für das kommende Jahr. Jedoch sollten sich die Vorzeichen 2024 ändern. Nach beispiellosen Zinserhöhungen auf 5,5 Prozent in den USA und 4,5 Prozent in Europa, rechne ich ab Juni 2024 mit Zinssenkungen. Hintergrund für diese Annahme sind sinkende Inflationsdaten sowie eine schwache konjunkturelle Entwicklung.
 
Ich gehe davon aus, dass sowohl die Vereinigten Staaten als auch Europa mit unter einem Prozent wachsen werden, China mit unter fünf Prozent. Das sind volkswirtschaftlich keine besonders guten Aussichten. Die Zentralbanken haben somit auch 2024 eine Gratwanderung zu meistern. Einerseits müssen sie durch restriktive Geldpolitik die Inflation bekämpfen, anderseits wollen sie die Wirtschaft nicht in eine Rezession abgleiten lassen.
 
Angesichts der ähnlichen Ausrichtung der Geldpolitik und moderatem Wachstum sowohl in den USA als auch in der Eurozone dürfte sich der Euro-Dollar-Kurs stabil entwickeln und zum Jahresende 2024 bei 1,10 US-Dollar stehen.
 
Doppelchance mit Aktien und Anleihen
Trotz aller Risiken sollte 2024 aber auch Chancen für Anlegerinnen und Anleger bieten. Für Aktien und Anleihen dürfte es ein unter dem Strich gutes Jahr werden – vorausgesetzt, die geopolitischen Krisen eskalieren nicht und die Wirtschaft wächst – wenn auch schwach.
 
Aktien mit Aufwärtspotenzial

In einem makroökonomischen Umfeld mit allgemein niedrigem Wirtschaftswachstum, einer sinkenden Inflation und niedrigeren Leitzinsen gehören Aktien zu den Anlageklassen, die 2024 gut laufen sollten. Ich rechne mit einem Aufwärtspotenzial im mittleren bis hohen einstelligem Bereich, denn die Gewinne der Unternehmen dürften 2024 anziehen. Damit liegen wir unter den Konsensus-Erwartungen. Meiner Meinung nach sind diese zu optimistisch, denn sie berücksichtigen die Auswirkungen des hohen Zinsniveaus nicht ausreichend. Damit haben Aktien auch mit Gegenwind durch weiter hohe Zinsen, Lohninflation und damit sinkenden Margen zu kämpfen, während die erwarteten Zinssenkungen die Bewertungen von Aktien stützen sollten. Die Herausforderung wird meiner Meinung nach sein, sich für den geldpolitischen Lockerungszyklus neu zu positionieren.
 
Auf die „Awesome Eight“ sollte Verlass sein

US-Aktien dürften in der Gunst der Anleger bleiben, da sie in einer Welt mit geringem Wachstum strukturell steigende Gewinne versprechen. Das gilt insbesondere für US-Big-Tech (die „Awesome Eight“) - auch mit Hinweis auf künstliche Intelligenz -, Kommunikationsdienstleistungen sowie Industrie und Energie. Den S&P-500 sehe ich zum Jahresende 2024 auf einem Stand von 4.700. Punkten.
 
Europa und Japan auf der Kaufliste

Neben amerikanischen Aktien stehen auf meiner Kaufliste auch Aktien aus Europa und Japan. Europäische Aktien sind im historischen Vergleich und relativ zu anderen Märkten interessant bewertet. Für den STOXX Europe 600 prognostiziere ich ein Kursziel von 465 Punkten. Bei den Branchen bin ich in Europa positiv gestimmt für Banken und Versicherungen. Das höhere Zinsniveau gibt ihnen Rückenwind. Interessant sind auch die Bereiche Diskretionärer Konsum und Industrie. Die zyklischen Konsumgüterhersteller dürften von langfristig angelegten globalen Verbrauchertrends profitieren, während europäische Industrie-Unternehmen eine entscheidende Rolle bei der grünen Transformation spielen.
 
Gemischter Ausblick für Automobilbranche

Die Aussichten für die in Deutschland starken Autohersteller sind gemischt. Der globale Absatz dürfte zwar steigen, wovon aber nicht alle Anbieter in gleichem Maße profitieren werden. Für mich sind Premiumhersteller attraktiver als Massenanbieter. Denn die Konkurrenz aus China bei E-Autos wird vor allem den Massenherstellern zu schaffen machen. Der deutsche Leitindex DAX dürfte Ende 2024 bei 16.600 Zählern stehen.
 
Blick auf japanische Aktien kann sich lohnen


Schließlich bleibt auch der japanische Aktienmarkt einen Blick wert. Japan bietet neben niedrigen Bewertungen, hohem Gewinnwachstum der Unternehmen und einem schwachen Yen auch noch den Vorteil, indirekt in China investieren zu können. Beim Reich der Mitte bin ich mit Blick auf die Immobilienkrise und die Spannungen mit den USA dagegen vorsichtig. Chinesische Aktien sind zwar preiswert, ein Investment erfordert aber sehr viel Mut.
 
Anleihen – höhere Renditen wieder im Fokus der Anleger


Höhere Renditen haben Anleihen wieder in den Fokus der Anleger gerückt, denn das aktuelle Renditeniveau ist attraktiv für den Einstieg in Anleihen. So erwarte ich eine mittlere bis hohe einstellige Rendite am Rentenmarkt. Erfahrungsgemäß sind niedrige Wachstumsraten und die Aussicht auf Leitzinssenkungen ein gutes Umfeld für Investment-Grade-Unternehmensanleihen. Mein Fokus liegt dabei auf Qualität. Ich bevorzuge weiterhin europäische und amerikanische Unternehmensanleihen mit guter bis sehr guter Bonität (Investment Grade) gegenüber Hochzinsanleihen (High Yield) und Staatsanleihen. Die Renditen etwa von zwei- und zehnjährigen deutschen Bundesanleihen könnten etwas zurückgehen und Ende 2024 mit 2,5 Prozent beziehungsweise 2,7 Prozent verzinst sein. Dennoch sind Staatsanleihen wegen der potenziellen Absicherungsfunktion gegen eine schlechtere konjunkturelle Entwicklung ein wichtiger Baustein im Portfolio.
 
Rohstoffe – knappe Güter

Der Ölpreis dürfte steigen, wenn die Weltwirtschaft im Laufe des Jahres 2024 wieder an Fahrt gewinnt und die Ölnachfrage ansteigt. Auch die OPEC+ nimmt Einfluss auf die Preisentwicklung. Die Mitglieder der Organisation haben jüngst beschlossen, angesichts des Abwärtsdrucks auf die Ölpreise, ihre Produktion freiwillig um rund eine Million Barrel je Tag zusätzlich zu kürzen. Zudem setzt Saudi-Arabien seine bestehenden Kürzungen bis mindestens zum Ende des ersten Quartals 2024 fort. Die Preise dürften deshalb leicht ansteigen und die Sorte Brent in zwölf Monaten 88 US-Dollar pro Barrel kosten.
 
Bei den Industriemetallen dürfte die Transformation zu einer grünen Wirtschaft und die Digitalisierung die Preise treiben. Kupfer und Lithium, zum Beispiel, könnten sich nach einem teils deutlichen Rückgang wieder verteuern. Industriemetalle werden unter anderem in Batterien verarbeitet, der Trend zur E-Mobilität erhöht die Nachfrage. Kupfer wird in vielen Bereichen benötigt, in der Elektro- und allgemeinen Installationstechnik, genauso wie im Bauwesen, im Heizungsbau und für Windräder. Der Kupferpreis könnte weiter anziehen, von derzeit rund 8.200 auf 9.050 US-Dollar pro Tonne bis Ende 2024. Auch, weil es teuer ist, neue Minen zu erschließen oder sie zu erweitern – und es dagegen Proteste gibt.
 
Gold als sicherer Hafen gefragt

Gold hat seinem Ruf als Krisenwährung in unsicheren Zeiten zuletzt alle Ehre gemacht. Vor dem Hintergrund geopolitischer Unsicherheiten, etwa im Mittleren Osten, und sinkenden Renditen und der Erwartung baldiger Zinssenkungen ist der Preis für das Edelmetall Anfang Dezember auf ein neues Rekordhoch geklettert. Geopolitische Risiken und wirtschaftliche Unsicherheiten könnten den Goldpreis weiter steigen lassen. Meine Prognose liegt bei rund 2.250 US- Dollar pro Unze zum Jahresende 2024 – auch, weil Zentralbanken der Schwellenländer verstärkt Gold kaufen und den Preis stützen dürften. Sie sind die größten Käufer von Gold.
 
Fazit
 
2024 bietet Anlegern eine Doppelchance. Der Gleichlauf der beiden Anlageklassen Aktien und Anleihen könnte noch eine Zeit lang weitergehen: Bis Ende 2024 erwarte ich für beide hohe einstellige Renditen. Allerdings müssen sich Anlegerinnen und Anleger der Risiken bewusst sein, diese gezielt steuern und die Investitionen je nach Lage von Wirtschaft und Finanzmärkten anpassen. Vor allem sollten sie die Geopolitik im Blick behalten. Neben den bekannten Konflikten könnten insbesondere die Wahlen 2024 beispielsweise in Taiwan, Indien, dem Europaparlament oder den Vereinigten Staaten viel öffentliche Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Höhere Schwankungen der Märkte sind folglich nicht auszuschließen.

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