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Mehr Marktbreite jenseits der "Magnificent Seven"

Nicht wenige Marktteilnehmer erwarten für das Jahr 2024 – zum Teil rasche – Zinssenkungen seitens der Notenbanken. Diese Erwartungen dürften aus unserer Sicht zu optimistisch sein. 2024 dürfte eher ein Jahr mit relativ hoher (wirtschaftlicher) Unsicherheit an den Märkten werden, nicht zuletzt aufgrund der vielen Wahlen einschließlich der US-Präsidentschaftswahl im November.

(Foto: whiteMocca / Shutterstock)

Nicht wenige Marktteilnehmer erwarten für das Jahr 2024 – zum Teil rasche – Zinssenkungen seitens der Notenbanken. Diese Erwartungen dürften aus unserer Sicht zu optimistisch sein. 2024 dürfte eher ein Jahr mit relativ hoher (wirtschaftlicher) Unsicherheit an den Märkten werden, nicht zuletzt aufgrund der vielen Wahlen einschließlich der US-Präsidentschaftswahl im November.

Eine Analyse von DJE Kapital

Von der Stimmung her (zu hoher Optimismus) erscheinen uns die Märkte kurzfristig ausgereizt. Wir erwarten jedoch auch keinen massiven Einbruch der Märkte, zumal das Wachstum inzwischen von mehr Unternehmen als nur den „Magnificent Seven“ getragen wird.

Auf der Aktienseite entspricht aus unserer Sicht ein defensiv ausgerichtetes Portfolio mit Fokus auf Sondersituationen der Marktlage am ehesten. Auf der Anleihenseite sind wir ebenfalls vorsichtig, d.h. wir halten Durationserhöhungen nicht für angebracht, da sich Bonds im November und Dezember 2023 sehr gut entwickelt haben. Gold bleibt als Beimischung interessant.

Chancen:

Anleihen ab Investmentgrade mit mittlerer Laufzeit und auch ausgewählte länger laufende (Staats-) Anleihen. Ausgewählte Emerging Markets-Anleihen (auch in Lokalwährung wie Mexikanischer Peso).

Aktien von Unternehmen, deren Geschäftsmodell weitgehend konjunkturunabhängig ist und hohe Margen aufweist (und die im Idealfall zusätzlich ein gewisses Kostensenkungspotenzial haben).

Sondersituationen wie Künstliche Intelligenz (KI) sollten auch 2024 Rückenwind haben: Nordamerika lebt von der genuinen Digitaltransformation; die Top-Technologieunternehmen werden auch 2024 massiv in KI investieren.

Versicherungssektor: Relativ gute Visibilität hinsichtlich Gewinnwachstum, historisch gesehen relativ gute Wertentwicklung sechs Monate und auch zwölf Monate nach dem letzten Zinsschritt.

Sektoren Basiskonsumgüter und Gesundheitswesen: Auch hier historisch gesehen relativ gute Wertentwicklung sechs Monate und auch zwölf Monate nach dem letzten Zinsschritt, Basiskonsumgüter mit aktuell relativ hohem Bewertungsabschlag; zuletzt viele Insiderkäufe im Gesundheitswesen.

Risiken:

Markterwartungen hinsichtlich der Zinssenkungsschritte der US-Notenbank (Fed) im Jahr 2024 erscheinen zu optimistisch.

Tiefe und länger anhaltende Rezession in Deutschland und Europa. Das belastet Titel, die stark am deutschen bzw. europäischen Binnenkonsum hängen; das alte deutsche Geschäftsmodell (billige Energie, gut ausgebildete Leute, gute Exportmärkte) bleibt unter Druck.

Industriesektor: Auftragseingangssituation und damit auch die Kapazitätsauslastung könnten sich 2024 verschlechtern.

Automobilsektor: Konkurrenz durch chinesische Anbieter wird 2024 weiter zunehmen.

Fundamental:

Bislang robuste US-Wirtschaft, auch ohne Zinssenkungen.

Schwache Konjunktur in Europa, daher hier erste Zinssenkungen.

Energie: Nachfrage und Angebot gleichermaßen hoch.

China: vorerst keine Erholung.

Die US-Wirtschaft zeigte sich auch weiterhin relativ resilient: Die Verbraucherstimmung dürfte auch ganz gut sein, da sowohl Immobilienmärkte (US-Immobilienpreise sind trotz hoher Zinsen gestiegen) als auch der Aktienmarkt im Jahr 2023 gestiegen sind. Bleibt die US-Wirtschaft so stabil wie aktuell, dürften die Leitzinsen nicht so schnell zurückgenommen werden.

In Europa erwarten wir eine deutlich schwächere wirtschaftliche Entwicklung als in den USA. Konjunkturell gesehen müssten die Leitzinsen in Europa früher sinken als in den USA. Die deutsche Wirtschaft dürfte auch 2024 stärker unter Druck bleiben: Das einstige deutsche Geschäftsmodell, basierend auf billiger Energie, gut ausgebildeten Arbeitskräften und guten Exportmärkten ist stark unter Druck, und es gibt bisher keinen neuen Ansatz. Die Digitalisierung vieler Produktionsprozesse kommt bis jetzt nicht gut voran.

Auf dem Energiemarkt ist die Nachfragesituation 2024 weiter gut. Das Ölfördermaximum (peak oil) dürfte auch mittelfristig nicht erreicht werden. Allerdings ist derzeit auch reichlich Öl und Gas auf dem Markt vorhanden, was gegen einen größeren Preisanstieg spricht. Langfristig ist es für den Sektor positiv, dass zurzeit wenig nach neuen Ölfeldern gesucht wird, und große Firmen mehr Fokus auf Konsolidierung und Kostensenkungen legen. Schwierigkeiten für den Sektor erwachsen aus unserer Sicht dann, wenn die Preise strukturell unter 70 US-Dollar pro Fass fallen, da dann weniger Aktien zurückgekauft werden dürften.

China: Wir erwarten vorerst keine große wirtschaftliche Belebung. China steht vor einem großen Strukturwandel, und die Immobilienpreise werden wahrscheinlich auch 2024 unter Druck stehen. Im Automobilsektor ist eine aggressive Exportstrategie chinesischer E-Mobil-Hersteller zu erwarten. Statt auf den breiten chinesischen Markt zu setzen ist aus unserer Sicht gezieltes Stock-Picking gefragt.

Monetär:

Inflation in den USA und Europa unter Kontrolle.

Historisch gesehen unternimmt die Fed in Wahljahren nur wenig.

Aufgrund der massivsten und schnellsten Zinserhöhungen in der Geschichte haben Fed und EZB die Inflation weitgehend unter Kontrolle bekommen. Die Kernraten (ohne die volatileren Komponenten Energie und Nahrung) sollten bei kurzfristiger Betrachtungsweise in Europa bei nur noch zwei Prozent und in den USA bei drei Prozent liegen. Allerdings dürfte es schwerer sein, die Inflation in den USA von drei Prozent auf die Zielmarke von zwei Prozent zu senken als von zehn Prozent auf drei Prozent zurückzuführen („Problem der letzten Meile“). Eine Zinssenkung in den USA bereits im März halten wir für unwahrscheinlich. Hinzu kommt, dass im November der nächste US-Präsident gewählt wird. Historisch gesehen hat die Fed in Wahljahren nicht viel unternommen, um nicht in den Verdacht zu geraten, sich in die Politik bzw. die Wahlen einzumischen.  

Markttechnik:

Negativ: Zu großer Optimismus setzt antizyklisches Verkaufssignal.

Positiv: Marktbreite hat sich verbessert.

Sentiment-Indikatoren wie der Fear & Greed (Angst & Gier)-Index und der NAAIM-Index (dieser zeigt das Aktienengagement professioneller US-amerikanischer Investoren) deuten auf einen sehr großen Optimismus. Fondsmanagerumfragen signalisieren sehr niedrige, zum Teil negative Barquoten – das deutet darauf hin, dass man voll investiert ist. Die Gefahr besteht darin, dass dann unter Umständen schon geringe Enttäuschungen ausreichen können, um die Stimmung zu kippen.

Positiv ist zu bewerten, dass sich die Marktbreite zuletzt deutlich erweitert hat. Wurde der Aktienmarkt 2023 vor allem von den sogenannten „Magnificent Seven“ – von sieben großen US-Technologiewerten – getragen, so zieht das Wachstum allmählich weitere Kreise. 90 Prozent der S&P-500-Aktien notieren aktuell über der 200-Tage-Linie. In solch einer Konstellation stand der Index in der Vergangenheit ein Jahr später auch immer höher.