Nimmt die Inflation wieder Fahrt auf?
Mit der lockeren Geldpolitik der bedeutenden Notenbanken, schwachem Welthandel und niedrigen Wachstumsraten hat sich das Umfeld für Sparer in den vergangenen Jahren grundlegend verändert: Die Zinsen fielen so stark, dass seither in den meisten Industrieländern mit klassischen Sparanlagen nach Abzug der Inflation kaum noch positive Erträge zu erzielen sind, das heißt zumeist negative Realrenditen herrschen. Ulrich Stephan analysiert.
Mit der lockeren Geldpolitik der bedeutenden Notenbanken, schwachem Welthandel und niedrigen Wachstumsraten hat sich das Umfeld für Sparer in den vergangenen Jahren grundlegend verändert: Die Zinsen fielen so stark, dass seither in den meisten Industrieländern mit klassischen Sparanlagen nach Abzug der Inflation kaum noch positive Erträge zu erzielen sind, das heißt zumeist negative Realrenditen herrschen.
Von Ulrich Stephan
Einige Marktteilnehmer rechnen bei weiter niedrigen Zinsen mit einem Anziehen der Inflationsraten. Jüngst war eine solche Entwicklung sowohl in der Eurozone als auch in den USA tatsächlich zu beobachten: Während die Preissteigerung in der „Alten Welt“ von 0,2 Prozent im August auf 0,5 Prozent im Oktober kletterte, legte sie in den USA von 1,1 Prozent (August) auf 1,5 Prozent (September) zu – und notierte damit jeweils so hoch wie seit knapp zwei Jahren nicht mehr. Die Verzinsungen zehnjähriger US-Staatsanleihen sowie deutscher Bundesanleihen zogen ebenfalls an.
Dass es sich dabei um eine längerfristige Preisentwicklung handeln könnte, scheinen die ebenfalls gestiegenen Erwartungen an die zukünftigen Inflationsraten nahezulegen. Doch sind diese Annahmen valide? Und worauf gründen sie sich? Ausschlaggebend für die in den vergangenen Wochen gestiegenen Inflationserwartungen waren insbesondere die Entwicklung des Ölpreises sowie die Erwartung fiskalpolitischer Maßnahmen in Europa und den USA.
Künftig weiter steigende Ölpreise
An den Rohstoffmärkten übersprang der Ölpreis Anfang Oktober die Marke von 50 US-Dollar pro Fass. Dazu trug maßgeblich die Ankündigung der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) von Ende September bei, ihre Fördermengen zeitnah drosseln zu wollen. Viele Marktteilnehmer rechnen aktuell damit, dass die OPEC ihre Ankündigung in die Tat umsetzen könnte, und es dadurch zu einer Verknappung des Angebots am Ölmarkt sowie weiter steigenden Preisen kommen könnte.
Die Deutsche Bank rechnet allerdings nicht mit einem solchen Szenario. Selbst bei einer Drosselung der OPEC-Förderquoten könnten beispielsweise die Vereinigten Staaten als große und nicht in der OPEC organisierte „Player“ die gestiegenen Ölpreise zum Anlass nehmen, ihre Produktionsquoten vor allem durch Fracking wieder zu erhöhen. Der Ölpreisanstieg könnte hierdurch wiederum begrenzt gehalten werden.
Fiskalpolitik als Inflationstreiber?
Treibend auf die Inflationserwartungen dürften sich außerdem die Diskussionen hinsichtlich einer Ausweitung fiskalpolitischer Maßnahmen ausgewirkt haben. So wiesen jüngst sowohl der Internationale Währungsfonds als auch verschiedene Notenbanken auf den sinkenden Nutzen einer lockeren Geldpolitik zur Stimulierung der Konjunktur hin. Stattdessen sollten die Regierungen durch Investitionsprogramme die wirtschaftliche Entwicklung stärker vorantreiben. Um die Konjunktur in Europa zu stärken und Jobs zu schaffen, möchte der Präsident der Europäischen Kommission Jean-Claude Juncker sein 2014 gestartetes Investitionsprogramm verdoppeln: Statt 315 Milliarden Euro binnen drei Jahren sollen mit dem sogenannten Juncker-Plan nun 500 Milliarden bis 2020 und 630 Milliarden bis 2022 erreicht werden.
Auch in den USA lassen sich in den Wahlprogrammen der beiden US-Präsidentschaftskandidaten Hillary Clinton und Donald Trump bereits Pläne für umfangreiche Infrastrukturinvestitionen finden. Ob und in welchem Umfang fiskalpolitische Maßnahmen tatsächlich umgesetzt werden, bleibt jedoch fraglich. Beispielsweise sind die Pläne sowohl von Clinton als auch von Trump bislang nur sehr vage. Und in Europa scheint eine abgestimmte Fiskalpolitik aufgrund regional unterschiedlicher wirtschaftlicher Ausgangssituationen und anstehender Wahlen derzeit eher unwahrscheinlich.
Deutsche Bank hält Erwartungen für übertrieben
Insgesamt hält die Deutsche Bank das beschriebene Inflationsszenario entgegen der allgemeinen Marktmeinung derzeit nicht für wahrscheinlich. Angesichts der nach wie vor lahmenden Konjunktur sowohl in den USA als auch in Europa dürfte in absehbarer Zeit kaum mit einem spürbaren Preisdruck zu rechnen sein. Trotzdem sollten Anleger das Thema sehr genau im Auge behalten, um bei Bedarf auf tatsächlich veränderte Rahmenbedingungen bei Zins und Inflation reagieren zu können.
Ulrich Stephan ist Chef-Anlagestratege für Privat- und Firmenkunden der Deutschen Bank.