Ölpreis-Einbruch treibt US-Förderer in die Insolvenz
Er sinkt und sinkt und sinkt: Der Ölpreis kennt seit Monaten nur noch eine Richtung. Inzwischen kostet leichtes US-Öl 15 Dollar pro Barrel (159 Liter) und damit gerade einmal halb so viel, wie US-Energiefirmen brauchen, um zu überleben, rechnet die Nationalbank von Kansas jetzt vor. Damit droht den USA eine neue Pleitewelle.
Er sinkt und sinkt und sinkt: Der Ölpreis kennt seit Monaten nur noch eine Richtung. Inzwischen kostet leichtes US-Öl 15 Dollar pro Barrel (159 Liter) und damit gerade einmal halb so viel, wie US-Energiefirmen brauchen, um zu überleben, rechnet die Nationalbank von Kansas jetzt vor. Damit droht den USA eine neue Pleitewelle.
Shooting-Stars der Energie-Branche und ihre Manager stürzen ab. Aktienkurse einzelner Ölförderer sind bereits massiv unter Druck geraten. Die Stellung der USA als weltweit größter Ölförderer ist gefährdet und ein weiteres Projekt aus der „America first“-Politik des im Wahlkampf stehenden US-Präsidenten Donald Trump könnte kippen.
Besonders heikel ist die Lage für die US-Schieferölfirmen. Laut einem Gutachten der US-Kanzlei Haynes und Boone, die auf die Beratung von Energiefirmen spezialisiert ist, benötigen derzeit die Hälfte der 60 wichtigsten US-Ölunternehmen frisches Geld. „Wir erwarten, dass eine beträchtliche Anzahl von Produzenten weiterhin Schutz vor Gläubigern in einem Konkursverfahren suchen muss, selbst wenn sich die Ölpreise in den nächsten Monaten erholen", heißt es in dem jüngsten Bericht der Kanzlei.
Nachfrage bricht ein
Bei der unter Umweltschutzgesichtspunkten höchst umstrittenen Förderung von Öl aus Schiefergestein, dem sogenannten Fracking, wird das Öl mit Chemikalien unter hohem Druck aus dem Gestein gepresst. Das Verfahren ist aufwändig und entsprechend teuer. Die Produzenten sind auf höhere Ölpreise angewiesen als beispielsweise die Konkurrenz in Saudi-Arabien, die das unterirdisch lagernde Öl mit einfacheren Methoden fördern kann. Für die Branche war die Lage schon vor der Corona-Pandemie schwierig, da sich die ölfördernden Länder auf keine Drosselung ihrer Produktion einigen konnten und der Ölpreis wegen eines Überangebots unter Druck geraten war. Der Konjunktureinbruch in Folge der Pandemie zwingt nun Flugzeuge am Boden zu bleiben, Kreuzfahrten finden nicht mehr statt, Menschen reisen nicht mehr. Die Nachfrage nach Rohöl ist weltweit um 30 Prozent eingebrochen.
Starke Nerven müssen in dieser Phase die Aktionäre von Ölproduzenten zeigen. Ein besonders schillernder Fall ist der einer einstigen Ikone unter den neuen Energieförderfirmen: Chesapeake Energy, einem Pionier bei der Gewinnung von Erdgas aus Schiefergestein. Tagesverluste an der US-Börse von 66 Prozent – und damit mehr als der gefallen Dax-Aufsteiger Wirecard an der Frankfurter Börse – deuten darauf hin, dass Investoren mit einer bevorstehenden Pleite des Unternehmens rechnen. Chesapeakes Erfolge beim Fracking von Gas hatten zuvor die Rolle der USA als globaler Exporteur von Gas wesentlich gestärkt und beispielsweise auch zum Veto der Amerikaner gegen die Inbetriebnahme der deutschen Gaspipeline Nordstream 2 nach Russland geführt.
Tod eines Gasprinzen
Das Unternehmen hat im ersten Quartal einen Verlust von 8,3 Milliarden US-Dollar eingefahren. Unter seinem ehemaligen Chef Aubrey McClendon, einem echten „Gasprinzen“ überbot Chesapeake Konkurrenten beim Aufkauf von Land, in dem er Gasvorräte vermutete. Als er fündig wurde, startete er eine Kampagne zur Förderung von Erdgas-Autos, die allerdings bei den Amerikanern auf taube Ohren stieß. 2013 baute er einen luxuriösen Campus für das Unternehmen in Oklahoma City, legte sich mit den Oklahoma City Thundern ein ganzes Basketballteam zu, beteiligte sich an einem französischen Weingut und sammelte für 12 Millionen Dollar antike Landkarten. Die Basketballmannschaft spielt immer noch in der Chesapeake Energy Arena, die ein Symbol für den Status von Oklahoma City als Welt-Gasdrehscheibe sein sollte. Gleichzeitig war McClendon jedoch in Kartell-Vorwürfe verwickelt und wurde angeklagt. Einen Tag nach Bekanntwerden der Anklage starb der damals 56jährige bei einem mysteriösen Unfall, bei dem sein Auto von einer Brücke stürzte. Seither geht es mit Chesapeake bergab, inzwischen sind noch 1900 Mitarbeiter bei dem Unternehmen beschäftigt. „Chesapeake war eine echte Ikone“, beschreibt Darlene Wallace, Präsidentin von Columbus Oil, einem weiteren Energieförderer in Oklahoma die Konkurrenz. „Es ist traurig, dass es so gekommen ist. Aber es ist auch eine Mahnung daran, dass niemand zu groß ist, um zu scheitern.“
Während Chesapeake noch in Turbulenzen steckt, haben andere bereits die Reißleine gezogen: 19 amerikanische Öl- und Gasproduzenten haben in diesem Jahr Insolvenz angemeldet, zählen die Experten von Haynes und Boone. Nach Berechnungen der Ratingagentur Fitch dürften ein Fünftel aller Kredite an Ölfirmen ausfallen und Banken müssen sich darauf einstellen, Besitzer großer Ölvorräte und Schieferfelder zu werden.
Fasshersteller im Rausch
Gewinner dieser Krise sind derzeit die Hersteller von Öltanks und Fässern, die sich über mangelnde Nachfrage nicht beklagen müssen. Weil gerade Schieferölproduzenten den einmal in Gang gesetzten Fracking-Prozess nicht so schnell stoppen können, müssen sie das sprudelnde Öl lagern. Die üblichen Lagerkapazitäten sind erschöpft und auch schwimmende Supertanker, sind voll und können nicht weiter als Ausweichlager benutzt werden. Die Profiteure dieser Situation sitzen ebenfalls in Oklahoma, wo in der Region von Cushing so viele Öltanks wie an keinem anderen Ort der Welt stehen. Es ist Platz für 76 Millionen Barrel, ein Angebot, dass derzeit restlos ausgebucht ist. Eines der Unternehmen vor Ort ist Convege Midstream. Die Firma bietet an, Rohöl unterirdisch in Tanks zu lagern. „Ehrlich gesagt“, berichtet Firmenchefin Dana Grams, „steckten wir vor Kurzem in Schwierigkeiten. Jetzt hat sich der Markt gedreht.“
Oliver Stock
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