Steinbrück: „Wahr ist: Es bleibt noch einiges zu tun“
Es war der 5. Oktober 2008, die Finanzkrise war wie ein Tsunami über auch die deutschen Banken hereingebrochen – da traten die damalige Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) vor die Kameras und verkündeten Deutschlands verunsicherten Bankkunden demonstrativ: „Ihre Spareinlagen sind sicher.“ Was denkt der Finanzminister von damals über die aktuelle Bankenkrise?
Es war der 5. Oktober 2008, die Finanzkrise war wie ein Tsunami über auch die deutschen Banken hereingebrochen – da traten die damalige Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) vor die Kameras und verkündeten Deutschlands verunsicherten Bankkunden demonstrativ: „Ihre Spareinlagen sind sicher.“ Was denkt der Finanzminister von damals über die aktuelle Bankenkrise?
Herr Steinbrück, erinnern Sie sich noch an den 5. Oktober?
Als ob es gestern gewesen ist.
Ist die Situation vergleichbar?
Sie war damals dramatischer. Es ging darum, einen Bankrun in Deutschland zu verhindern. Wir hatten an einem Freitag von der Bundesbank Hinweise erhalten, dass möglicherweise das, was in England passiert war, auch bei uns passieren könnte. In England hatten sich Schlangen vor den Filialen der Northern Rock-Bank gebildet, weil Kunden ihr Geld lieber unter die Matratze legen wollte, als es bei der Bank zu lassen. Die Bilder sorgten für historische Reminiszenzen an Ereignisse hierzulande vor hundert Jahren. Wir mussten handeln und sind deswegen am Sonntag vor die Presse getreten.
Was hat sich inzwischen geändert?
Eine Menge. Ich teile nicht die Ansicht, dass in den vergangenen 15 Jahren in Sachen Bankenregulierung zu wenig passiert ist. Das europäische Bankensystem ist deutlich robuster geworden. Es gibt höhere Kapitalanforderungen und Liquiditätspuffer, es gibt eine gemeinsame Bankenaufsicht bei der Europäischen Zentralbank. Es gibt eine Art Feuerwehrfonds für Banken. Das alles widerlegt Kritiker, die jetzt aus der Hüfte schießen und sagen, es sei nicht geschehen. Aber wahr ist auch: Es bleibt noch einiges zu tun.
Wo hakt es?
Der Schattenbankensektor ist unreguliert. Also die Hedgefonds, die machen noch immer, was sie wollen. Und das war ja auch ein Problem der Credit Suisse, die bei Investitionen in Hedgefonds viel verloren hat. Das andere ist die deutliche Trennung des risikoreichen Investmentbankings vom Rest des Geschäfts. Ich bin ein strikter Befürworter des Trennbankensystems, habe mich damit aber nicht durchsetzen können.
Wenn die Kunden das Vertrauen verlieren und ihr Geld abheben, ist jede Bank dahin. Das lässt sich doch gar nicht wegregulieren!
Es muss aber nicht automatisch dem Steuerzahler vor die Füße fallen. Durch den vorgeschriebenen Rettungsfonds ist immerhin eine Art Versicherungspolice entstanden. Was allerdings stimmt, ist, dass kein Politiker jemals ausschließen kann, dass eine Bank umfällt. Zu glauben, alle Risiken ließen sich beseitigen, entspricht einer Vollkaskomentalität und die ist unrealistisch. Was Sie aber machen können, ist, Geländer einzuziehen, die vor dem Absturz bewahren. Eine Bankenaufsicht muss sehr prophylaktisch scannen, welche Banken zum Risikofall werden.
Rechnen sie aktuell mit weiteren Pleiten?
Das halte ich in Deutschland für ausgesprochen unwahrscheinlich. Ich glaube nicht, dass ein Fall wie die Silicon Valley Bank oder die Credit Suisse hier möglich ist. Der Fall der Credit Suisse hat eine sehr viel längere Vorgeschichte.
Sind die Sparkassen hierzulande sicherer?
Die Sparkassen gehören in ein Lager mit den Landesbanken. Und bei denen steht seit 15 Jahren die Frage der Konsolidierung auf der Tagesordnung. Es gibt immer noch zu viele, was daran liegt, dass jedes Bundesland unbedingt eine eigene Bank haben will und jede Landeshauptstadt sich gern als Finanzzentrum fühlt. Dabei ist das einzige Finanzzentrum, das wir haben, Frankfurt. Fertig. Politisch müssen Landesbanken in Frage gestellt werden. Zwei genügen. Eine im Norden, eine im Süden.
Jetzt trifft die Krise ausgerechnet die Schweiz, diesen Hort der Sicherheit und Ordnung.
Sie werden mich jetzt nicht verleiten, wieder die Schweiz zu kritisieren. Mein Ruf dort ist nicht der beste. Ich habe ja angeblich eine Axt ans Schweizer Bankgeheimnis gelegt. Die Situation ist heute eine völlig andere. Damals hatten die Schweizer Banken ja praktisch Deutsche vorsätzlich zum Steuerbetrug eingeladen. Aber das hat sich inzwischen geändert.
Die Schweizer Bankenaufsicht hat doch tief geschlafen. Die Probleme bei der Credit Suisse waren Jahre bekannt.
Das kann ich nicht abschließend beurteilen. Aber ich halte die Frage für berechtigt, was die Schweizer Bankenaufsicht in den letzten Jahren insbesondere nach den Milliardenverlusten der Credit Suisse bei einem Fonds unternommen hat. Ich möchte diese Frage aber nicht beantworten.
Sie sind ja sehr diplomatisch!
Dafür bin ich bekannt.
Ist der Kauf der Credit Suisse durch die UBS jetzt eine gute Lösung?
Es ist auf jeden Fall gelungenes Krisenmanagement. Richtig begeistert dürfte die UBS nicht sein. Es ist wahrscheinlich so eine „Halb zog sie ihn, halb sank er hin“-Situation. Immerhin: Mit der Unterstützung der Schweizer Nationalbank, die eine dreistelligen Milliardenkreditlinie verspricht, könnte es funktionieren.
Die UBS verleibt sich eine kranke Bank ein und könnte sich selber anstecken. Wer rettet dann die UBS? Ist sie nicht zu groß für die Schweiz?
Bei der internationalen Ausrichtung der UBS greift der Bezug auf nationalstaatliche Grenzen nicht. Aber die UBS steht gut im Futter. Sie ist höchst erfolgreich unter ihrem ehemaligen Verwaltungsratspräsidenten Axel Weber aufgestellt worden, der zuvor ja hier Bundesbankpräsident war.
Das Gespräch führte Oliver Stock
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