Private Krankenversicherungen: Im Spannungsfeld der Politik
Die ehemalige Gesundheitsministerin, Ulla Schmidt, war ihrem Ziel der Sozialisierung des Gesundheitswesens schon recht nahe gekommen. Zu verlockend war es, die private Krankenversicherung (PKV) einzubeziehen, um damit Verfügungsgewalt über deren Alterungsrückstellung zu bekommen. Einschließlich der Rückstellung der privaten Pflegepflichtversicherung hat hier die Branche mittlerweile mehr als 144 Mrd. Euro auf die hohe Kante gelegt. Was hätte sich damit alles problemlos finanzieren lassen.
Die ehemalige Gesundheitsministerin, Ulla Schmidt, war ihrem Ziel der Sozialisierung des Gesundheitswesens schon recht nahe gekommen. Zu verlockend war es, die private Krankenversicherung (PKV) einzubeziehen, um damit Verfügungsgewalt über deren Alterungsrückstellung zu bekommen. Einschließlich der Rückstellung der privaten Pflegepflichtversicherung hat hier die Branche mittlerweile mehr als 144 Mrd. Euro auf die hohe Kante gelegt. Was hätte sich damit alles problemlos finanzieren lassen.
Der hauchdünne Wahlsieg der Wunschkoalitionäre CDU/CSU und FDP machte einen Strich durch diese Rechnung und erzeugte geradezu Euphorie bei der PKV, dass nun für sie bessere Zeiten anbrechen würden. Dass es hierbei hakt, ist im Wesentlichen dem gesundheitspolitischen Besserwisser, Horst Seehofer, zu verdanken. Schon als angeblicher Gegenspieler in der damaligen Opposition leistete er Ulla Schmidt immer wieder, und sei es auch nur indirekt, Schützenhilfe. Er war es schließlich auch, der schon als ihr Vorgänger im Ministeramt in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) das sozialistische Marterinstrument der Budgetierung eingeführt hatte. Und heute gefällt er sich als bayerischer Ministerpräsident offensichtlich in der Rolle des Elefanten im Porzellanladen. Er unternimmt jedenfalls alles, um eine Zielvorgabe aus dem schwarz-gelben Koalitionsvertrag, an dem er ja nicht ganz unbeteiligt war, zu zertrampeln. Dort wird ein „Einstieg in ein Finanzierungssystem für die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) mit einkommensunabhängigen Arbeitnehmerbeiträgen“ postuliert, gemeint ist die „Gesundheitsprämie“. Im Gespräch war meist eine Prämie von 130 Euro, die aus den durchschnittlichen Arbeitnehmerbeiträgen abgeleitet wurde. Wer bisher weniger an die GKV abführen musste, bekäme einen steuerlichen Sozialausgleich. Gut- und Bestensverdienende, die mit der Pauschale weniger bezahlen als bisher, brächten die Mittel hierzu gegebenenfalls aus ihren zusätzlichen Steuern auf.
Dass damit die dringend erforderliche Anpassung an die demografische Entwicklung wie auch die Abkopplung von den Arbeitskosten weiter aufgeschoben wird, ficht Horst Seehofer nicht an. Er könne es mit seinem sozialen Gewissen nicht vereinbaren, dass im Falle der Kopfpauschale der „Bankdirektor den gleichen Beitrag in die KV zahlt wie seine Putzfrau“, so lässt er einen seiner Lautsprecher, in diesem Falle den bayerischen Gesundheitsminister, Markus Söder, hinausposaunen: „Mit der CSU wird es keine Kopfpauschale geben.“ Die PKV mag insofern im bayerischen Ministerpräsidenten sogar einen Verbündeten sehen, denn sie würde in irgendeiner Weise in dieses System einbezogen werden, was ihr natürlich gar nicht passt, hätte dies doch auch für ihr Geschäftsmodell einschneidende Konsequenzen. Andererseits hätte dies freilich auch für sie den Vorteil, dass die Politik nicht immer wieder versucht, sie beziehungsweise ihre Versicherten zur Subventionierung der GKV heranzuziehen. Ein Beispiel hierfür ist die von Ulla Schmidt eingeführte dreijährige Wartefrist. Diese erhöht die Hürden für gesetzlich Versicherte, zur PKV zu wechseln. Drei Jahre lang müssen sie hierzu ein Einkommen über der Versicherungspflichtgrenze von derzeit 4.162,50 Euro erzielen. Sowohl die PKV wie auch unabhängige Sachverständige konnten mit guten Argumenten belegen, dass die Vorteile für die GKV minimal sein würden, doch Ulla Schmidt blieb stur. Die erhofften Entlastungseffekte blieben aus und die GKV kriselt weiter vor sich hin, stattdessen werden jene gesetzlich Versicherten belastet, die wechseln wollen, dies aber erst nach drei Jahren können. Dadurch nämlich wird der Aufbau der Alterungsrückstellung entsprechend verkürzt mit der Folge, dass der Zinseszins-Effekt geringer ausfällt. Dies wiederum hat zur Konsequenz, dass der Wechselwillige zum Ausgleich lebenslang eine höhere Prämie bezahlen muss. Kein Wunder also, dass die PKV frustriert darüber ist, dass die schwarz-gelbe Regierungskoalition die dreijährige Wartefrist noch nicht, wie im Koalitionsvertrag angekündigt, gekippt hat. Immerhin hat Gesundheitsminister Philipp Rösler jetzt endlich in einem Positionspapier die Verkürzung auf ein Jahr in Aussicht gestellt.
Rösler, der doch Anwalt aller Krankenversicherten sein wollte, verschafft nun auch der GKV mit ihrem Anteil von rund 90% an allen Versicherten Vorteile durch gesetzlich verordnete Arzneirabatte, nicht aber den 10% privat Versicherten. Dabei haben die Arzneimittelausgaben in der PKV von 1997 bis 2007 um 85% je Versicherten zugelegt, während sie in der GKV nur um 68% anstiegen. Mit anderen Worten, was bei der GKV per gesetzlichen Druck eingespart wird, holen sich die Pharmaunternehmen bei den privat Versicherten. Deshalb fordert der Vorsitzende des PKV-Verbandes, Reinhold Schulte, eine wirkungsgleiche Übertragung dieser Rabattregeln auf die PKV, derzeit stehen dem offenbar kartellrechtliche Gründe entgegen: „Dafür kämpfen wir im Interesse unserer Versicherten, denn sonst müssten sie durch höhere Preise die Zeche dafür zahlen, dass die gesetzlichen Krankenkassen von Rabatten profitieren.“ Die Gesundheitspolitiker der Union wie der FDP hätten die Berechtigung dieser Forderung anerkannt. Die PKV kämpft schon lange darum, einen rechtlichen Rahmen für Verhandlungen nicht nur mit Pharmaunternehmen, sondern mit allen Leistungserbringern zu bekommen. Schulte ist zuversichtlich, dass dies noch in dieser Legislaturperiode geschieht und die PKV endlich ein wirksames Instrument gegen Mengenausweitung in die Hand bekommt, die nur dem Zweck dienen, Zugeständnisse im gesetzlichen Bereich durch höhere Preise oder mehr Leistungen im privaten zu kompensieren. Auch was die im Koalitionsvertrag versprochene klarere Grenzziehung zwischen Wahl- und Zusatztarifen anbetrifft, ist bislang noch nichts geschehen. Schulte: „Solche Wahl- und Zusatztarife haben im Angebot einer vom Staat subventionierten Sozialversicherung nichts zu suchen.“
Schließlich und endlich sieht der Koalitionsvertrag auch eine kapitalgedeckte ergänzende Pflegeversicherung vor, von der ebenfalls noch nichts in Aussicht steht. Wie sehr hier die Zeit drängt, zeigt der schnell steigende Anteil der Pflegebedürftigen. Sind es derzeit 4 bis 5 je 100 Einwohner, wird dieser Anteil bis zum Jahr 2050 auf rund das Dreifache ansteigen. Die PKV, die mit ihren erwähnten Alterungsrückstellungen reichlich Erfahrung hat, sieht sich hierfür zuständig. Debeka-Chef Uwe Laue begründete auf der Bilanzpressekonferenz in Koblenz seine Forderung nach einer staatsfernen Lösung so: „Auf die 144 Mrd. Euro Alterungsrückstellungen, die die Branche für ihre Versicherten angesammelt hat, kann – außer den Versicherten – niemand zugreifen. Und das ist auch gut so.“ Denn für den Staat gelte, was der österreichische Ökonom Schumpeter feststellte: „Eher legt sich ein Hund einen Wurstvorrat an als eine Regierung eine Budgetreserve.“