Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Märkte >

Regulierung der Märkte - sechs Fragen an den DDV

Die Interessen der Anleger zu stärken ist nicht nur ein löbliches, sondern unabdingbares Vorhaben. Doch nicht wenige Branchenkenner ziehen den Nutzen und wahrnehmbaren Mehrwert der momentan geplanten Regulierungsschritte in Zweifel. Ist das Rad der Regulierung überdreht worden und sind die Vorhaben aufeinander abgestimmt? Die BÖRSE am Sonntag fragte Christian Vollmuth, den Geschäftsführer des Deutschen Derivate Verbandes (DDV).

BÖRSE am Sonntag

Die Interessen der Anleger zu stärken ist nicht nur ein löbliches, sondern unabdingbares Vorhaben. Doch nicht wenige Branchenkenner ziehen den Nutzen und wahrnehmbaren Mehrwert der momentan geplanten Regulierungsschritte in Zweifel. Ist das Rad der Regulierung gar schon überdreht worden und sind die Vorhaben überhaupt aufeinander abgestimmt? Die BÖRSE am Sonntag stellte Christian Vollmuth, den Geschäftsführer des Deutschen Derivate Verbandes (DDV), dazu sechs Fragen.

BÖRSE am Sonntag: Herr Vollmuth, Verbraucherschützer bemängeln schon lange die ihrer Ansicht nach unzureichende Transparenz bei vielen Finanzprodukten. Ist es um den Anlegerschutz hierzulande wirklich so schlecht bestellt?

Christian Vollmuth: Nein, das sehe ich nicht so. In den vergangenen Jahren nach der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008 wurden unter dem Dach des Anlegerschutzes viele Initiativen auf den Weg gebracht, deren jeweiliger Nutzen zum Wohle der Kunden unstrittig ist. Nehmen wir beispielsweise das Produktinformationsblatt, das den Verbrauchern die Orientierung im Finanzdschungel erleichtert. Dieser „Beipackzettel“ für Finanzprodukte bringt Anlegern grundsätzlich mehr Transparenz und fasst alle wesentlichen Fakten eines Finanzprodukts komprimiert zusammen. Auch andere Gesetzesinitiativen und Regulierungsschritte verfolgen das Ziel  des zu verbessernden Anlegerschutzes. Was wir gleichwohl partiell sehen, ist eine Inkonsistenz der Regulierung.

BaS: Das klingt sehr technisch. Können Sie uns das näher erklären?

Vollmuth: Regulierungsmaßnahmen werden teilweise zu schnell initiiert und vorangetrieben mit der Folge, dass einige Einzelmaßnahmen zwar in sich schlüssig sind, aber nicht aufeinander abgestimmt. Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. Das kann zu Fehlentwicklungen führen, die letztlich insbesondere den Anlegern schaden können. Eine Überregulierung darf z.B. nicht bewirken, dass Kunden weniger Beratung in Anspruch nehmen. Die mit den neuen Vorschriften einhergehende Fülle an Information können die Anleger auch kaum noch nachvollziehen.  Auch viele  Finanzinstitute sind durch die Vielzahl der bevorstehenden Regulierungsmaßnahmen stark belastet, da deren Umsetzung mit beträchtlichen Kosten verbunden ist.

BaS: Es zeichnet sich immer deutlicher ab, dass das Inkrafttreten der EU-Finanzmarktrichtlinie MiFID II tatsächlich um ein Jahr verschoben wird. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Wie bewerten Sie diesen Schritt?

Vollmuth: Wir begrüßen den späteren Start von MiFID II und der dazugehörenden Verordnung MiFIR. Der bisherige Zeitplan, wonach die neuen Regelungen am 3. Januar 2017 in Kraft treten sollten, war mehr als ambitioniert und mitunter wurde auch die Komplexität der vielen enthaltenen Einzelmaßnahmen unterschätzt. Ein richtiger Schritt für die gesamte Industrie, zumal auch Banken und Finanzberatern durch die verschobene Umsetzung nun etwas Luft zur Vorbereitung auf die neuen Rechtsvorschriften gegeben wird. Ich möchte aber ausdrücklich betonen, dass es der Industrie nicht um das bloße Hinausschieben der Anwendbarkeit geht. Die gewonnene Zeit ist für die Emittenten dringend erforderlich, um die neuen Regelungen auch ordentlich technisch implementieren zu können. Dadurch wird sichergestellt, dass das, was die Regulierung sich wünscht, in der Praxis auch einwandfrei funktionieren kann.

BaS: Ist MiFID II  denn nicht stark mit anderen Regulierungsvorhaben vernetzt?

Vollmuth: Durchaus. Und die müssten dann konsequenterweise auch später in Kraft treten. So diskutieren wir derzeit im Verband, ob es nicht sinnvoll ist, sich beispielsweise auch für einen zeitlichen Aufschub der PRIIPs-Verordnung einzusetzen. Diese EU-Verordnung führt ein europäisches Kurzinformationsblatt für bestimmte Finanzprodukte ein. Auch hierbei haben wir es mit einem sehr ehrgeizigen Zeitplan zu tun, da die Verordnung bereits ab dem 31. Dezember 2016 in den EU-Mitgliedstaaten gilt. Ob eine Verschiebung der PRIIPs-Verordnung überhaupt auf europäischer Ebene durchsetzungsfähig wäre, ist noch völlig unklar.

BaS: Die MiFID II-Richtlinie harmonisiert die Finanzmärkte innerhalb der Europäischen Union. Fast schon ein „Herzstück“ dieses Projekts ist dabei die Festlegung eines Zielmarktes. Was ist darunter genau zu verstehen?

Vollmuth: Die Zielmarktbestimmung soll gewährleisten, dass sich ein Emittent bei Auflegung eines Finanzproduktes Gedanken darüber macht, für welchen Anlegertyp das Produkt generell in Frage kommt. Der Zielmarkt soll bestimmt werden, bevor ein Finanzinstrument an Kunden vertrieben wird und soll ferner regelmäßig überprüft werden. Auch die Vertriebsstellen von Wertpapieren müssen  mit den neuen Vorschriften vertraut sein und Vorkehrungen für deren Einhaltung treffen. In der Finanzindustrie gibt es erste Überlegungen, wie die Zielmarktbestimmung sinnvoll und praxisgerecht umzusetzen sein könnte. Oberstes Ziel ist eine weitgehende Standardisierung für alle Emittenten, um eine Fragmentierung des Markts zu vermeiden. Leidtragender wäre in diesem Fall erneut der Anleger.

BaS: Last but not least. Was tun Sie als Verband, um den Anforderungen an mehr Klarheit zum Wohle des Anlegers gerecht zu werden?

Vollmuth: Unser erklärtes Ziel beim Deutschen Derivate Verband ist es, frühzeitig Akzente zu setzen und Impulse für nutzenstiftende Diskussionen zu geben. Wir erarbeiten Branchenstandards, die bewusst auch über regulatorische Erfordernisse hinausgehen und oftmals künftige Anforderungen praktisch vorwegnehmen. Dies alles im ständigen Austausch mit unseren Mitgliedern. Ein weiteres Standbein ist unser Eintreten für eine verbesserte Finanzbildung. Finanzwissen versetzt Menschen in die Lage, wohlüberlegte Entscheidungen zu ihren Ersparnissen, ihrer Geldanlage zu treffen. Wer nichts weiß, muss alles glauben. Wer sich nicht auskennt, dem droht sogar ein Vermögensverlust. An diesen Stellschrauben drehen wir mit verschiedenen Initiativen, um hierzulande langfristig den Boden für eine notwendige Wertpapierkultur zu ebnen.