Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Märkte >

Rezession frisst Inflation – Nach kurzem Value-Comeback ist Growth wieder gefragt

So schnell wie die Finanzmärkte von der Inflationsangst heimgesucht wurden, so schnell wurde dieses Thema nun vom Risiko einer globalen Rezession abgelöst. Das könnte Invesotren nun wieder raus aus Value- und rein in Wachstumswerte treiben.

(Foto: solarseven / Shutterstock)

So schnell wie die Finanzmärkte von der Inflationsangst heimgesucht wurden, so schnell wurde dieses Thema nun vom Risiko einer globalen Rezession abgelöst. Das könnte Invesotren nun wieder raus aus Value- und rein in Wachstumswerte treiben.

Von Dr. Eckhard Schulte, Vorstandsvorsitzender MainSky Asset Management

So schnell wie die Finanzmärkte von der Inflationsangst heimgesucht wurden, so schnell wurde dieses Thema nun vom Risiko einer globalen Rezession abgelöst. Was bleibt, ist allerdings die im Kampf gegen die Inflation notwendige, restriktivere Geldpolitik der Notenbanken, die die Konjunktursorgen noch einmal verschärft. Die Weltwirtschaft befindet sich bereits im Abwärtstrend, in Europa zeichnet sich aufgrund der vielen externen Belastungsfaktoren ein „perfekter Sturm“ ab, eine Rezession ist unausweichlich. Zwar bremst der Zinserhöhungszyklus der Fed auch in den USA das Wachstum, aber aufgrund einer nahezu autarken Energieversorgung haben die Vereinigten Staaten ihr wirtschaftliches Schicksal im Gegensatz zu Europa selbst in der Hand. Daraus folgt für die Asset Allocation eine signifikante Übergewichtung des US-Aktienmarktes, wobei aufgrund des nachlassenden Drucks auf die Anleiherenditen und der sich zum Herbst wohl ändernden Rhetorik der Fed wieder Wachstumstitel sowie defensive Aktien in den Fokus rücken. Konjunktursensitive Assets wie Value- bzw. zyklische Aktien stehen aufgrund möglicher Gewinnenttäuschungen nach ihrem kurzzeitigen Comeback im ersten Halbjahr bereits wieder unter Druck. Am Anleihemarkt sollten die Renditen für Staatsanleihen aufgrund der zunehmenden globalen Rezessionsrisiken im Juni ihre Höchststände erreicht haben. Für den Euro erwarten wir aufgrund der sich zum Nachteil Europas verschiebenden Handelsbilanzen und drohenden Wohlstandsverluste eine Fortsetzung des Abwärtstrends.

„Perfekter Sturm“ in Europa

Die globale Wirtschaft befindet sich in einem Abschwächungsprozess, wobei sich in Europa ein „perfekter Sturm“ abzeichnet. Zum einen belasten die hohen Energiepreise bzw. Inflationsraten die Kaufkraft der Konsumenten und die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie. Zum anderen hat die EZB keine andere Wahl, als auf die hohe Inflation mit Zinserhöhungen zu reagieren und damit die monetären Bedingungen noch restriktiver zu gestalten. Eine Rezession in Europa ist damit unausweichlich, wir rechnen im dritten und vierten Quartal mit negativen Wachstumsraten in der Eurozone von jeweils rund einem Prozent. Dies sollte zwar helfen, die Inflation in der Eurozone ab Herbst tatsächlich zu senken. Leider nur ist die EZB im Zinserhöhungsprozess so spät dran, dass sie die Zinsen dennoch in diesem Jahr um mindestens 100 Basispunkte anheben wird. Erst 2023 sollte sie vor dem Hintergrund einer tiefen Rezession und fallender Inflationsraten ihren Zinserhöhungskurs wieder abbrechen müssen.
 
Situation in den USA weniger kritisch

In den USA nehmen die Wachstumsrisiken zwar ebenfalls zu, allerdings ist die Situation dort deutlich weniger kritisch als in Europa. So ist der Kaufkraftverlust der Konsumenten geringer, da die Löhne stärker steigen als in Europa. Zudem ist die USA kaum abhängig von Energieimporten. Allerdings hat die Fed die Geldpolitik bereits deutlich gestrafft und damit die Finanzierungsbedingungen der Wirtschaft erheblich verschlechtert. Ein weiterer deutlicher Rückgang der Wirtschaftsaktivität in den nächsten Monaten dürfte die Folge sein, zumal die Fed ebenfalls noch in diesem Jahr die Zinsen um weitere 100 bis 125 Basispunkte erhöhen sollte. Allerdings bietet ein Leitzinsniveau von rund drei Prozent zum Jahresende der Fed auch die Gelegenheit, ihren Zinserhöhungszyklus zu beenden. Zum einen hat sie dann ein restriktives Zinsniveau erreicht, zum anderen sollte auch in den USA ein Rückgang der Inflation ab Herbst der Fed eine Vorlage für eine veränderte Rhetorik bieten. Zudem dürften 2023 die restriktive Fiskalpolitik sowie der starke US-Dollar auch ohne Zinserhöhungen für angespannte Finanzierungsbedingungen sorgen.
 
Restriktivere Geldpolitik wirkt mit Zeitverzögerung

Insgesamt bleibt somit der globale Wachstumsausblick ungünstig. Die Sorge vor einer weltweiten Rezession sollte in den nächsten Monaten das vorherrschende makroökonomische Thema sein und die Inflation als Risikofaktor Nummer Eins ablösen. Diese dürfte ab Spätherbst tatsächlich spürbar fallen, auch weil eine Rezession zumindest zyklisch immer disinflationär ist. Allerdings werden die Notenbanken eben erst mit einem Rückgang der Inflation einen weniger restriktiven Kurs signalisieren können und somit in den nächsten Monaten weiter prozyklisch in die Wachstumsabschwächung die Zinsen erhöhen. Zudem belasten die bereits erfolgten Zinserhöhungen aufgrund der üblichen Wirkungsverzögerung der Geldpolitik in den nächsten Monaten das Wachstum ohnehin. Die Situation in China hilft derzeit auch wenig. Die Null-Covid-Politik sowie die anhaltende Schwäche am Immobilienmarkt haben die ehemalige Lokomotive der Weltwirtschaft lahmgelegt. So dürfte der globale Konjunkturindex (PMI) in den kommenden Monaten deutlich unter die 50-Punkte-Marke und damit in den Bereich der Kontraktion fallen.

Druck vom Anleihemarkt lässt nach

Während also die Zentralbanken zunächst an ihrer restriktiven Haltung festhalten und die Leitzinsen weiter erhöhen werden, rücken die Finanzmärkte mehr die bevorstehende Wachstumsschwäche und weniger die immer noch hohe Inflation in den Mittelpunkt. In der ersten Jahreshälfte sorgte der Druck von den Anleihemärkten für eine deutliche Reduktion in den Marktbewertungen, also für niedrigere Kurs-Gewinn-Verhältnisse. Nun aber dürfte sich der Markt auf ein Ende des Zinserhöhungszyklus bzw. in den USA schon auf Zinssenkungen in 2023 fokussieren. Somit sollte auch die Korrektur der Aktienbewertungen (Multiple Compression) zum Ende kommen. Ebenso sollten die Renditen für „sichere“ Staatsanleihen (Bunds und US-Treasuries) nicht weiter steigen und im Juni mit 1,7 bzw. 3,3 Prozent im zehnjährigen Bereich ihre Höchststände gesehen haben. Zum anderen aber bedeuten die zunehmenden globalen Rezessionsrisiken, dass sehr konjunktursensitive Assets wie Value- bzw. zyklische Aktien aufgrund möglicher Gewinnenttäuschungen unter Druck stehen.
 
Comeback der Value-Aktien könnte schon wieder vorbei sein

Für den US-Aktienmarkt spricht neben der Unabhängigkeit von Energieimporten sowie dem fortgeschrittenen Fed-Zinserhöhungszyklus auch die Marktstruktur. Diese ist tendenziell eher Growth-lastig und weniger zyklisch. Wir sehen unverändert eine strukturelle Outperformance von Wachstumsaktien, die wie auch schon in der Vergangenheit in Phasen steigender US-Leitzinsen zyklisch unterbrochen wird. Auch dieses Mal sollte dies nicht anders sein und mit dem Fokus auf ein Ende der US-Zinserhöhungen sollte auch die jüngste Outperformance der Value-Aktien zu Ende sein. Die nächste Aufwärtsbewegung in den globalen Aktienmärkten sollte vielmehr von den US-MegaCap-Technologietiteln getrieben werden. Für europäische Aktien spricht das Umfeld hingegen wie beschrieben nicht. Zwar sind die Bewertungen hier für fast alle Märkte historisch gesehen extrem günstig, allerdings sind diese allein kein ausreichender Investitionsgrund. Es bräuchte einen positiven makroökonomischen Impuls, um die günstigen Bewertungen performant werden zu lassen. Dies wäre z.B. ein deutlicher Rückgang der Energiepreise und damit der Inflation, was aber angesichts des andauernden Konflikts Russlands mit dem Westen wenig wahrscheinlich ist.