Eidgenössisches Erdbeben
Die Entscheidung der Schweizer Notenbank SNB, den Franken nicht mehr an den Eurokurs zu koppeln, führt an den Finanzmärkten zu heftigen Turbulenzen. Bereits einen Tag nach der überraschenden Verkündung gab es die ersten Broker-Pleiten. Anleger können die starken Schwankungen an den Aktienmärkten jedoch nutzen.
Die Entscheidung der Schweizer Notenbank SNB, den Franken nicht mehr an den Eurokurs zu koppeln, führt an den Finanzmärkten zu heftigen Turbulenzen. Bereits einen Tag nach der überraschenden Verkündung gab es die ersten Broker-Pleiten. Anleger können die starken Schwankungen an den Aktienmärkten jedoch nutzen.
Wer sich am Donnerstag nicht näher um die Börse gekümmert und zwischendurch einen Blick auf den Chart des Wechselkurspaares Euro/Franken geworfen hat, dem zog es glatt die Schuhe aus. Seit über drei Jahren bewegte sich der Schweizer Franken über der der Marke von 1,20 Euro. Am Donnerstag dann der jähe Absturz. Wie Blei im Wasser verschwand der Franken unter der Oberfläche und rauschte um mehr als 15 Prozent in die Tiefe und damit vorübergehend unter die Ein-Euro-Marke. Der Grund: Die Schweizer Nationalbank (SNB) ließ diese Woche die Bombe platzen und hob den festgelegten Mindestkurs von 1,20 Franken je Euro auf – die Marktteilnehmer wurden quasi ohne Ausnahme kalt erwischt.
Der Franken wertete gegenüber Euro und Dollar massiv auf. Nicht nur an den Devisenmärkten kam es zu Turbulenzen, auch an den Aktienmärkten. Während der Schweizer Aktienindex von 9.200 auf 8.000 Punkte gnadenlos um 13 Prozent einbrach, jubilierte der DAX. Das deutsche Börsenbarometer sprang in diesem Jahr erstmals über die 10.000er-Marke und schaffte am Donnerstag ein Plus von gut zwei Prozent. Schließlich können deutsche Unternehmen durch die Euroschwächung nun günstiger in die Schweiz exportieren. Das freut die exportstarken DAX-Konzerne. Am Freitag spurtete der DAX mit über 10.100 Punkten auf ein neues Allzeithoch.
Experten sprachen am Donnerstag von „Schocks“ und „Kapitulation der Notenbank“. Was um Himmels Willen war in die Schweizer Notenbanker gefahren? Die SNB begründete den Schritt mit der Abschwächung des Euro gegenüber dem US-Dollar. Diese Entwicklung hat die Strategie durchkreuzt, den Franken gegenüber dem Euro zu schwächen. Die SNB versucht schon seit längerem, mit Euroeinkäufen und Frankenverkäufen die heimische Währung zu schwächen. Offenbar sorgen sich die Notenbanker nun um die hohen Eurobestände in ihrer Bilanz. Experten gehen davon aus, dass der Euro künftig noch mehr Boden gegenüber dem Franken verliert, weil EZB-Chef Mario Draghi Staatsanleihen kaufen will. Zudem erwarten die Börsianer, dass die EZB die Märkte weiterhin mit Liquidität flutet.
Tsunami für die Schweiz
Die Freigabe des Frankens ließ alle Dämme brechen. Besonders exportorientierte Schweizer Unternehmen wie der Luxusgüter-Konzern Richemont und der Uhrenhersteller Swatch schauen in die Röhre. Swatch-Chef Nick Hayek zeigt sich geschockt und befürchtet gar einen „Tsunami“ für die ganze Schweiz. Und weiter: Jordan sei nicht nur der Name des Nationalbank-Präsidenten, sondern auch der eines Flusses, merkte Hayek süffisant an. Das Medien-Echo ließ nicht lange auf sich warten: „Wäre der Schweizer Notenbankpräsident ein Arzt und das Land sein Patient, müsste er feststellen, dass seine Schocktherapie den Patienten zwar nicht kollabieren, aber doch in eine tiefe Ohnmacht sacken ließ“, spottete das Handelsblatt. Während das Düsseldorfer Finanzblatt von der „Schweizer Finanzbombe“ sprach, war es für die Frankfurter Allgemeine Zeitung in ganz ähnlicher Diktion eine „veritable Finanzbombe“.
Interessant ist auch, was unmittelbar nach der Nachricht am deutschen Aktienmarkt passierte: Zunächst wurde der DAX auf dem falschen Fuß erwischt. Panik brach aus, Anleger verkaufen ihre Wertpapiere in Scharen. Innerhalb weniger Minuten verlor der deutsche Leitindex 250 Punkte. Dann kam die Wende: Börsianer interpretierten den Schritt der SNB so, dass die Schweizer Notenbank darauf spekuliert, die EZB werde in der kommenden Woche ein umfassendes Anleihekaufprogramm beschließen. Die Aussicht auf die neue Geldflut trieb anschließend den DAX in die Höhe.
SNB-Chef Jordan zeigt sich demonstrativ gelassen
Der Initiator des großen Pauschenschlags, SNB-Präsident Thomas Jordan, ließ sich an dem Tag der Entscheidung nichts anmerken. Er zeigte sich fast schon erleichtert, als er das Ende des Mindestkurs-Kurses des Frankens bekanntgab. Jordan ist der Ansicht, dass sich die Überbewertung der Schweizer Währung seit der Einführung des Mindestkurses im September 2011 reduziert habe. Die heimische Wirtschaft habe die vergangenen Jahre der Planungssicherheit dazu nutzen können, sich auf die neue – jetzige – Situation einzustellen. Dass der Franken nun diese Woche massiv aufwertete, wertete Jordan jedoch als Überschießen, wie es angesichts der noch orientierungslosen Märkte zu erwarten gewesen sei. Er geht davon aus, dass sich der Kurs des erstarkten Frankens mit der Zeit wieder in Richtung eines leicht stärkeren Euro korrigiert.
Dass die SNB irgendwann die „1,20 Euro-Politik“ beenden würde, ist an sich keine Überraschung. An eine abrupte und schnelle Entscheidung wie sie diese Woche erfolgte, hatte jedoch kaum jemand gedacht. Beobachter hatten eher mit einem gestaffelten Rückzug gerechnet. Jordans Art und Weise, es zu tun, sorgte an den Märkten für Irritation, zumal der Notenbank-Chef noch nicht einmal angedeutet hatte, es überhaupt zu tun. Gegenüber den Medien begründete Jordan dies so: Eine Vorankündigung wäre eine Einladung zu Insidergeschäften gleichgekommen. Von der Leseart, dass die SNB angesichts der immer teurer werdenden Strategie, den Euro zu kaufen, die Mindestkurs-Strategie aufgeben mußte, weil die Kraft nicht mehr reichte – davon wollte Jordan nichts wissen. Und ob daran etwas ist oder nicht: Die SNB hat am Markt viel Vertrauen verloren. Beobachter glauben, dass die Krisenpolitik der Notenbank versagt habe. Dafür sprächen, so ist vielerorts zu hören, auch die aufgeblähte Bilanz und die Buchverluste der Euro-Bestände.
Devisenhändler und Broker in Turbulenzen
Im Zuge der schlagartigen Kehrtwende ist laut der Presseagentur dpa-AFX von den „ersten Opfern in der Finanzwelt“ die Rede. Vor allem Währungshändler litten extrem unter der Notenbank-Entscheidung, die Kursbindung aufzugeben. Bisher habe es zwei Pleiten gegeben: Der kleine neuseeländische Devisenhändler Global Brokers habe bereits kurz im Anschluss an die Entscheidung der Schweizerischen Nationalbank sein Geschäft eingestellt. Am Freitag folgte die Insolvenz des britischen Devisenhändlers Alpari. Pikant ist, dass dieser Händler auch hierzulande Contracts for Difference (CFDs, zu Deutsch: Differenzkontrakte) anbietet, mit denen spekulative Anleger auch Währungswetten eingehen können. Begab man sich am Freitag auf die Internetseite von Alparie, so war zu lesen: „In the recent move on the Swiss franc caused by the Swiss National Bank’s unexpected policy reversal of capping the Swiss franc against the euro has resulted in exceptional volatility and extreme lack of liquidity. This has resulted in the majority of clients sustaining losses which has exceeded their account equity. Where a client cannot cover this loss, it is passed on to us. This has forced Alpari (UK) Limited to confirm today, 16/01/15, that it has entered into insolvency. Retail client funds continue to be segregated in accordance with FCA rules.” Der Entschluss der Schweizerischen Nationalbank hat laut Alpari zu extremen Schwankungen und dem Austrocknen jeglicher Liquidität geführt. „Das hat zur Folge gehabt, dass die Mehrheit der Kunden Verluste erlitten hat, die ihr Einlagenkapital überstieg. Wo der Kunde diesen Verlust nicht abdecken kann, wird er an uns weitergereicht“, so die Auskunft auf der Alpari-Seite.
Sogar der größte Anbieter von Devisenhandel für Kleinanleger, der US-Broker FXCM, bekam arge Probleme. Die Verluste der Kunden bezifferte FXCM auf 225 Millionen Dollar. Als Folge könnte man die Mindestanforderung an die eigene Kapitaldeckung verletzt haben, warnte FXCM. Die Börsianer reagierten geschockt. Die FXCM-Aktie brach am Freitag von 9,04 Euro auf 1,75 Euro regelrecht zusammen – ein Minus von 80 Prozent.
Das Devisen-Debakel könnte bei den CFD-Brokern tatsächlich zum „Tsunami“ führen. Denn die Kunden der Broker müssen für ihre Geschäfte nur einen kleinen Teil des gehandelten Werts als sogenannte Margin hinterlegen. So kommt es zum Hebeleffekt. In den USA müssen beispielweise nur zwei Prozent der gehandelten Währungssumme abgedeckt sein. Die Kundenverluste, die über die Einlagen hinausgehen, müssen vom Händler ausgeglichen werden. Das System der Absicherung funktionierte nach dem SNB-Entscheid nicht mehr. Als der Euro gegenüber dem Franken abschmierte, konnte lange Zeit überhaupt kein Kurs gestellt werden. Auch bei anderen Devisenhändlern war von Verlusten ihrer Kunden in Höhe von mehreren zehn Millionen Dollar die Rede. Experten erwarten nun, dass das Ausmaß der Verluste noch nicht abzusehen ist und dass weitere Pleiten folgen könnten.
Vom Schweiz-Schock profitieren
Investoren, die bei ihren Währungswetten auf einen schwachen Franken setzten, haben nun das Nachsehen. Ansonsten gilt: Anleger sollten sich durch das Finanzmarkt-Chaos nicht verunsichern lassen und einen kühlen Kopf bewahren. Sie können sogar von den heftigen Marktschwankungen profitieren, indem sie sich Produkte heraussuchen, die in Phasen steigender Volatilität attraktiver werden. Beispielsweise können Bonus-Zertifikate in Zeiten hoher Volatilität attraktiv sein. Sie verfügen über eine Kursbarriere. Sollte der Basiswert bis zum Laufzeitende die Barriere (Schwelle) nicht berühren, erhalten Anleger eine Bonuszahlung. „Bei Bonus Zertifikaten, deren Basiswert sich zwischen Bonusbetrag und Schwellenkurs, aber deutlich näher am Schwellenkurs bewegt, führt eine steigende Volatilität in der Regel zu einem sinkenden Kurs im Zertifikat. Anleger, die sich des dadurch gestiegenen Risikos eines Schwellenereignisses bewusst sind, können den günstigeren Kurs für einen Einstieg nutzen.“, sagt Stefano Angioni, Derivateexperte der DZ Bank.
Ausgesuchte Bonus-Zertifikate auf den DAX
WKN | Barriere | Fälligkeit | Bonusrendite | Verkaufskurs |
PA8377 | 9.100 Punkte | 24.09.2015 | 16,85% | 105,68 € |
CC5T69 | 9.000 Punkte | 23.09.2015 | 14,25% | 105,36 € |
CR6KFE | 8.800 Punkte | 24.12.2015 | 10,02% | 105,27 € |
DT88CV | 8.700 Punkte | 23.09.2015 | 8,29% | 105,27 € |
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Quelle: finanztreff.de |
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Stand: 16.01.2015 |
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