"Small & Midcaps sind die Spezialisten an der Börse"
Nils-Peter Gehrmann managt den Small&Midcaps Deutschland-Fonds von Warburg Invest. Auf welche Nebenwerte und Branchen setzt er? Und wie viel Potenzial steckt noch in Deutschlands Hidden Champions?
Nils-Peter Gehrmann managt den Small&Midcaps Deutschland-Fonds von Warburg Invest. Auf welche Nebenwerte und Branchen setzt er? Und wie viel Potenzial steckt noch in Deutschlands Hidden Champions?
Herr Gehrmann, sind Deutschlands Nebenwerte gerade spannender als die großen Dax-Titel?
Small&Midcaps sind häufig die Spezialisten an der Börse und so kann mit dem Investment in einen hochfokussierten Nebenwert direkter an innovativen Trends in der jeweiligen Branche partizipiert werden. Als Beispiele könnte man hier einen Softwareanbieter nennen, der die Digitalisierung der Bauindustrie vorantreibt. Einen Automobilzulieferer der sich auf Sensorik für modernste Fahrassistenzsysteme spezialisiert hat oder ein Hochtechnologieunternehmen im Bereich Anlagenbau für die nächste Generation von Halbleitermaterialien.
Warum sollten Anleger auf Nebenwerte setzen?
Ein Blick auf die Small & Midcaps, also die kleineren Börsenwerte, lohnt sich in jeder Marktphase, denn diese Unternehmen profitieren von ihren ganz eigenen Wachstumstreibern und sind typischerweise weniger von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung abhängig. Dank der geringen Korrelation zu den Börsenschwergewichten, also den Large Caps, eignen sich die Nebenwerte bestens zur Diversifikation eines Portfolios.
Was macht einen starken Nebenwert aus?
Ein starker Nebenwert hat in der Regel einen Wettbewerbsvorteil, den er langfristig verteidigen kann. Dies gelingt häufig durch einen Fokus auf eine bestimmte Nische in der jeweiligen Branche. Darüber hinaus sollte das Unternehmen von strukturellen Wachstumstreibern profitieren, um so langfristig Umsatz, Gewinn und Cashflows zu steigern, im Idealfall mit einer Rate über dem Marktdurchschnitt. Das Management eines starken Nebenwerts zeichnet sich durch Weitsicht und eine klare Strategie aus, einen Umstand der häufig bei familiengeführten Unternehmen zu finden ist. Besonders spannend ist, dass viele mittelständische Unternehmen in Deutschland zu den Weltmarktführern auf ihrem Gebiet gehören oder es sogar sind. Häufig hochspezialisiert, sind diese „Hidden Champions“ der breiten Öffentlichkeit dennoch oftmals unbekannt. Dabei kommt fast die Hälfte der weltweiten Hidden Champions aus Deutschland.
Auf welche Branchen setzen Sie?
Aktuell fokussieren wir uns auf drei größere Bereiche oder Säulen. Zum einen konservative Titel aus dem Bereich Wohnimmobilien, Nahrungsmittel und Getränke sowie Medizintechnik. Zum anderen Digitalisierungsgewinner. Und das nicht erst seit Corona. Corona war hier letztlich nur ein Beschleuniger. Diese sind aus dem Bereich IT-Sicherheit, Cloud Computing und Equipment sowie Software und den entsprechenden Dienstleistungen drum herum.
Und der dritte Bereich?
Der ist konjunktursensitiver. Er beinhaltet zum einen Unternehmen aus der Halbleiterindustrie und damit ebenfalls aus dem Bereich Digitalisierung. Hierbei handelt es sich allerdings um etwas zyklischere Maschinen- und Anlagenbauer, beispielsweise im Bereich der Kristallzuchtanlagen und Nachbearbeitung von Wafern, die für Computerchips aller Art genutzt werden.
Zum anderen sind wir in Industrieunternehmen investiert, die beispielsweise von Investitionen durch den European Green Deal im Bereich der Schieneninfrastruktur profitieren, aber auch im Bereich der E-Mobilität oder beim Wassermanagement. Wichtig ist uns hierbei, dass die Unternehmen zu den Marktführern in ihren Nischenmärkten zählen und für strukturelles Wachstum über die kommenden Jahre positioniert sind.
Sie haben es angesprochen: In Deutschland finden sich in M- und SDax viele hochspezialisierte Weltmarktführer. Deren Kurse scheinen noch nicht enteilt. Wie viel Potenzial steckt noch in den „Hidden Champions“?
Mit einem mittel- bis langfristigen Anlagehorizont steckt in diesen „Hidden Champions“ noch großes Potenzial. Hierbei handelt es sich häufig um Unternehmen, deren Produkte unverzichtbar bei ihren in der Regel deutlich größeren Kunden sind. Durch Innovationen und hohe Qualitätsansprüche setzen diese „Hidden Champions“ immer wieder Standards in ihren Branchen und können ihren Platz an der Weltspitze so verteidigen. Strukturelles Wachstum in bestehenden Märkten und die Erschließung neuer Märkte sind die Voraussetzung für das besagte Potenzial, waren aber häufig bereits der Schlüssel zu dem jetzigen Erfolg.
Wie abhängig ist die zweite Riege von einer starken Industrie?
Zwar lässt sich dies aufgrund der unterschiedlichen Kundenstruktur nicht pauschal für alle Nebenwerte beantworten, aber die zweite Riege mit wesentlichen Kunden in der Industrie ist klar abhängig von dieser. Ein Nebenwert mit einem Nischenfokus kann dennoch weniger stark von einer Abschwächung betroffen sein, wenn seine Produkte essentiell wichtig sind, jedoch nur einen kleinen Teil an den gesamten Produktionskosten des Kunden ausmachen, zum Beispiel eine Schlauchschelle für sichere Verbindungen in Kraftstoffsystemen. Darüber hinaus sind diese Nebenwerte in der Regel breit aufgestellt und exportieren in viele Bereiche der Welt, was temporäre Nachfrageunterschiede in einzelnen Regionen glättet.
Wer sind die Hidden Champions der Digitalisierung?
Hier sind vor allem jene Unternehmen zu nennen, die ihren Kunden helfen, im digitalen Zeitalter erfolgreich zu sein. Das können beispielsweise Dienstleistungen im Bereich einer Cloud-Infrastruktur sein, die es dem Kunden ermöglicht, effizienter und dezentral zu arbeiten. Auch der Bereich Industrial Internet of Things birgt großes Potenzial, durch die Vernetzung der Maschinen in einer Fabrik, um so Produktionsprozesse zu optimieren, Daten zu sammeln und auszuwerten („Roboter miteinander sprechen lassen“). Ein wesentliches Thema ist der Bereich IT-Security. Durch die immer größere Digitalisierung und Vernetzung sind je nach Sensibilität auch Hochsicherheitslösungen gefordert, eine Nische im Bereich der Digitalisierung mit klarem strukturellem Wachstum.
Noch ein kurzer Ausblick: Was bedeutet eigentlich die anstehende Dax-Reform für einen Fonds, wie den Ihren?
Wir investieren derzeit in Nebenwerte und damit potenziell in alle Aktien unterhalb des DAX Index. Folglich würden wir uns von jenen Aktien in unserem Portfolio trennen, die im Zuge der Erweiterung des DAX von 30 auf 40 Titel aufgenommen werden würden. Das wären dann aber weniger als eine Handvoll Titel.
Wo steht der MDax Ende des Jahres? Und wo der Dax?
Mit der Jahreswende 2020/21 hat die weltweite Impfkampagne Fahrt aufgenommen. Auch wenn sich die Geschwindigkeit dabei von Region zu Region unterscheidet, nimmt der Anteil der Geimpften an der weltweiten Bevölkerung von Tag zu Tag zu. Die damit einhergehend steigende Zuversicht bei Investitionen und Konsum, mit den aufgelegten Konjunkturprogrammen und der weiter lockeren Geldpolitik im Rücken, sollte ein weiter positives Umfeld für Unternehmen und Aktienmärkte und damit auch die deutschen Aktienindizes schaffen.
Die Fragen stellte Oliver Götz