S&P 500 stark überverkauft: Erholung in zweiter Jahreshälfte möglich
Während Rezessionsängste und eine straffere Zentralbankpolitik die Marktvolatilität zur Jahresmitte 2022 angetrieben haben, erwarten die Strategen von Russell Investments, dass die Kerninflation in den USA wahrscheinlich ihren Höhepunkt erreicht hat. Die Märkte könnten sich stabilisieren und in der zweiten Jahreshälfte möglicherweise erholen.
Während Rezessionsängste und eine straffere Zentralbankpolitik die Marktvolatilität zur Jahresmitte 2022 angetrieben haben, erwarten die Strategen von Russell Investments, dass die Kerninflation in den USA wahrscheinlich ihren Höhepunkt erreicht hat. Die Märkte könnten sich stabilisieren und in der zweiten Jahreshälfte möglicherweise erholen.
„Anfang 2022 war unklar, wie weit die Inflation ansteigt, wie entschlossen die Zentralbanken reagieren und ob Russland eine Invasion in der Ukraine beginnt. Der Krieg ist nun Realität, die Kerninflation scheint in den USA ihren Höhepunkt zu erreichen und die Märkte rechnen mit relativ aggressiven Straffungsmaßnahmen der meisten Zentralbanken", so Andrew Pease, Global Head of Investment Strategy bei Russell Investments. „All diese Faktor sollten Marktteilnehmer inzwischen in ihre Perspektiven eingepreist haben.“
Gemäß dem Russell Investments Composite Sentiment Index, der die Anlegerstimmung des S&P 500® Index misst, sind die Märkte zur Jahresmitte stark überverkauft. Die Russell-Investments-Strategen folgern daraus, dass die Märkte die schlechten Nachrichten inzwischen eingepreist haben und dass sie sich erholen könnten, wenn Inflations- und Wachstumszahlen besser als derzeit befürchtet ausfallen. „Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass die Anleger in Panik geraten und ihre Assets auf breiter Front verkaufen. Die Lektion aus früheren Marktkorrekturen lautet jedoch, dass Zeiten der Panik die besten Chancen für längerfristige Anleger bieten können", so Pease.
Wie sich die US-Wirtschaft entwickelt, ist Pease zufolge der größte Unsicherheitsfaktor für den globalen Ausblick. Er erwartet, dass Tempo und Ausmaß der Straffung durch die Fed das Risiko einer Rezession in der zweiten Hälfte des Jahres 2023 mit sich bringen könnten. Auch, wenn sich eine tiefe Rezession und ein größerer Bärenmarkt nicht ausschließen lassen, sind eine Verlangsamung oder eine leichte Rezession wahrscheinlichere Szenarien. Das Aufwärtsszenario für die US-Wirtschaft und die Märkte ergibt sich aus der Möglichkeit, dass die Kerninflation in den USA ihren Höhepunkt erreicht hat. In Verbindung mit einer Abschwächung des Arbeitsmarkts könnte dies die Fed dazu veranlassen, in der zweiten Jahreshälfte weniger aggressiv zu agieren.
In Europa besteht das größte Risiko darin, dass Russland auf das Öl-Embargo der Europäischen Union mit einem Stopp der Gaslieferungen in die Region reagiert. „Die starke Abhängigkeit Europas von russischem Gas bedeutet, dass Vergeltungsmaßnahmen und ein starker Anstieg der Gaspreise die Region mit ziemlicher Sicherheit in eine Rezession stürzen würden", so Pease.
Das Zyklus-, Value- und Sentiment-Analysesystem von Russell Investments zur Jahresmitte 2022 zeigt an, dass eine zu pessimistische Haltung riskant sein könnte. Die Stimmung wird als extrem überverkauft und auf einem Niveau bewertet, das zuletzt während der Corona-Marktpanik im März 2020 erreicht wurde. Das System stuft US-Staatsanleihen als günstig ein. Aktienbewertungen seien hingegen infolge der aktuellen Unsicherheiten in Bezug auf Gewinnspannen und Kurs-Gewinn-Verhältnisse schwieriger zu prognostizieren.
Die Russell-Investments-Strategen fassen ihre Präferenzen für Anlageklassen zur Jahresmitte wie folgt zusammen:
- Nicht-US-Aktien aus Industrieländern ziehen die Analysten gegenüber US-Aktien vor, da sie relativ günstiger bewertet sind und von einer Schwächung des US-Dollars profitieren könnten, falls die Fed weniger aggressiv als erwartet agiert.
- Schwellenländer-Aktien können sich erholen, wenn China deutliche Konjunkturimpulse gibt, die Fed das Tempo der Straffung verlangsamt, die Energiepreise nachgeben und der US-Dollar schwächer wird. Aktuell bewerten die Analysten Schwellenländer-Aktien neutral.
- High-Yield- und Investment-Grade-Anleihen beginnen sich zu erholen. Die Renditenaufschläge liegen über ihren langfristigen Durchschnittswerten. Die Spreads werden weiterhin unter Aufwärtsdruck stehen, wenn die Wahrscheinlichkeit einer Rezession in den USA steigt und der Russland/Ukraine-Konflikt eskaliert. High-Yield- und Investment-Grade-Anleihen dürften sich gut entwickeln, wenn die Fed weniger aggressiv agiert und eine weiche wirtschaftliche Landung wahrscheinlich wird. „Wir haben derzeit einen neutralen Ausblick für die Kreditmärkte, können aber uns vorstellen, positiver zu werden, wenn eine Rezession in den USA unwahrscheinlicher wird", so Pease.
- Die Bewertungen von Staatsanleihen haben sich nach dem Renditeanstieg verbessert. US-Anleihen sind jetzt gut bewertet, während japanische, deutsche und britische Anleihen immer noch etwas teuer sind. „Positiv für Staatsanleihen ist, dass die Märkte Straffungen der meisten Zentralbanken vollständig eingepreist haben, was das Ausmaß eines weiteren Ausverkaufs begrenzen dürfte", so Pease.
- Real Assets: Globale Listed Infrastructure (GLI) war in diesem Jahr bisher die Anlageklasse mit der besten Wertentwicklungen, da sie von Engagements im Energiesektor profitierte. Hingegen haben Real Estate Investment Trusts mehr als 20 Prozent verloren. Beide Anlageklassen dürften profitieren, wenn der Russland/Ukraine-Konflikt nachlässt und die Inflationssorgen anhalten, wobei GLI dann einen Teil der Gewinne aus der Energieinfrastruktur wieder abgeben dürfte.
- Rohstoffe waren die Anlageklasse mit der besten Wertentwicklung und die einzige, die eine positive Rendite erzielte. Energie- und Agrarpreise sind aufgrund des Russland/Ukraine-Konflikts in die Höhe geschossen. Wir erwarten, dass ein Teil dieser Gewinne wieder abschmelzen, wenn der Konflikt nachlässt. Ein Risiko für Rohstoffmärkte besteht darin, dass sich die chinesische Wirtschaft weiter verlangsamt. Alles in allem erwarten die Analysten, dass es nach wie vor Argumente für Rohstoffengagements gibt. Ein schwächeres Wachstum im Zuge einer strafferen Zentralbankpolitik wird die Nachfrage jedoch dämpfen.
- Der US-Dollar hat 2022 infolge der Fed-Politik und der Attraktivität als sicherer Hafen während des Russland/Ukraine-Konflikts zugelegt. Die Russell-Investments-Analysten erwarten, dass er sich abschwächen sollte, wenn der Russland/Ukraine-Konflikt nachlässt und wenn niedrigere Inflationsraten im weiteren Jahresverlauf zu einer geringeren Straffung der Fed führt, als die Märkte dies derzeit erwarten. Die Hauptnutznießer dürften der unterbewertete Euro und der japanische Yen sein, der aufgrund der Rohstoffpreisinflation und Wachstumssorgen in China an Wert eingebüßt hat.