Was tun, wenn der Staat sein Geld zurück will?
Der Bund fordert von Unternehmen Coronahilfen in Milliardenhöhe zurück. Wann er damit Erfolg hat und wann nicht. Und worauf Firmeninhaber nun achten müssen.
Der Bund fordert von Unternehmen Coronahilfen in Milliardenhöhe zurück. Wann er damit Erfolg hat und wann nicht. Und worauf Firmeninhaber nun achten müssen.
Die Überbrückungshilfe III für Unternehmen, die bislang bis zum 30. Juni befristet ist, wird wohl bis Ende des Jahres verlängert. Es gebe innerhalb der Regierung derzeit Gespräche dazu, sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier vor kurzem der Deutschen Presseagentur (DPA) und rechnet bis spätestens zur Sommerpause mit Klarheit. Finanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz sagte: „Alle wissen, dass wir die Überbrückungshilfen auch noch so lange gewähren müssen, wie sie notwendig sind.“
Für viele Mittelständler, Kleinunternehmen und Solo-Selbstständige in Deutschland sind das hoffnungsfrohe Signale. Viele werden die Unterstützung bis zum Jahresende brauchen, auch wenn sich die Geschäfte ab dem Sommer normalisieren sollten. Erst kürzlich wurden zudem die Regularien überarbeitet. Wurden bislang allein die betrieblichen Fixkosten bezuschusst, gibt es für besonders von der Pandemie betroffene Unternehmen nun auch die Möglichkeit einen Eigenkapitalzuschuss zu beantragen. Wer überdies einen Umsatzeinbruch von mehr als 70 Prozent zu beklagen hat, bekommt inzwischen die vollen Fixkosten erstattet. Zunächst waren nur 90 Prozent bezuschusst worden.
Wer besser durch die Krise kommt als gedacht, wird zur Kasse gebeten
Für die vielen kleinen Betriebe hierzulande, von denen nicht wenige seit Monaten um ihre Existenz kämpfen, sind das eigentlich gute Nachrichten. Es sei denn, der eigene Laden ist bislang auf dem Papier besser durch die Krise gekommen, als gedacht. Dann nämlich drohen empfindliche Rückzahlungen bereits gewährter Staatshilfen.
Während der Bund nämlich auf der einen Seite seine Hilfsprogramme ausweitet, holt er sich an anderer Stelle hunderte Millionen Euro wieder zurück. So wird die Corona-Soforthilfe aus dem Frühjahr 2020 für manch Unternehmer zum gefährlich Boomerang. Zwar handelt es sich dabei, genau wie bei allen weiteren Überbrückungs- und Nothilfen, um eine Billigungsleistung des Staates, die entsprechend nicht zurückgezahlt werden muss. Doch das gilt nur, wenn deren Auszahlung auch rechtens war. Dafür hat der Bund diverse Richtlinien markiert, auf deren Erfüllung er nun im Nachhinein pocht, während er noch im Frühjahr viel Geld auffällig unbürokratisch überall dorthin ausgezahlt hatte, wo es eben beantragt worden war.
Manch Unternehmer droht deshalb nun womöglich ein böses Erwachen. In der Not des vergangenen Jahres haben sich viele Firmeninhaber schlicht nicht um das Kleingedruckte gekümmert. Sie haben die Hilfen beantragt und diese, sobald sie ausgezahlt waren, auch verwendet, um zu retten, was noch zu retten war.
Überkompensationen müssen ausgeglichen werden
Nun müssen sie unter Umständen Geld an den Staat zurückgeben. „Wenn die Einnahmen in den Monaten, für die die Hilfe bewilligt wurde, nicht ausreichten, um die voraussichtlichen Verbindlichkeiten zu zahlen, besteht ein Liquiditätsengpass – und nur für diese Liquiditätslücke war die Soforthilfe vorgesehen“, erklären die Experten des Rechtsschutzversicherers Advocard. „Alles, was über diese Differenz hinausgeht, ist eine Überkompensation und kann zurückgefordert werden.“ Vereinfacht ausgedrückt heißt das: Wer mehr Geld, als nötig erhalten hat, um sein Gewerbe innerhalb des Bewilligungszeitraums über Wasser zu halten, muss den Differenzbetrag zurücküberweisen.
1,1 Milliarden Euro Soforthilfe schon zurückgezahlt
Das gilt auch für die nach Soforthilfe gewährten Überbrückungshilfen. „Empfänger sollten sich auch hier auf mögliche Rückzahlungsforderungen einstellen, wenn der ausgezahlte Betrag höher war, als es zur Deckung der laufenden Kosten erforderlich war“, mahnen die Advocard-Anwälte. Komme es überdies zur Geschäftsaufgabe, entfalle der Anspruch gänzlich. Das gilt auch für Unternehmen, die bereits im Vorfeld der Corona-Pandemie Schulden angehäuft hatten und damit selbstverschuldet in existenziellen Nöten steckten.
Insgesamt 44.186 Rückzahlungen im Wert von 291,4 Millionen Euro hatte der Bund zuletzt bereits eingefordert. Hinzu kamen 113.142 Zahlungen in Höhe von 801,7 Millionen Euro, die Antragssteller freiwillig zurück aufs Staatskonto überwiesen. Macht insgesamt 1,1 Milliarden Euro Soforthilfe, die schon jetzt von 157.000 Unternehmen zurückgezahlt worden sind. Ausgegeben hatte der Bund 2020 13,7 Milliarden Euro an 1,8 Millionen Antragssteller.
Ehrlichkeit zahlt sich aus
Was heißt das nun für betroffene Betriebe? Einfach abwarten, ist laut Alexander Littich, Rechtsanwalt beim Mittelstands-Berater Ecovis, keine Option. „Betroffene sollten der bewilligenden Stelle schreiben, dass letztlich ihre Situation besser war, als befürchtet. Sie sollten darum bitten, den Bewilligungsbescheid zu prüfen, ob die Höhe der Soforthilfe korrekt war, oder es eine Überzahlung gibt.“
Im Anschluss kann der unter Umständen angefallene Differenzbetrag formlos überwiesen werden. Wer sich nicht selbstständig meldet oder freiwillig zurückzahlt, riskiert eine bezinste Rückforderung. „Wer sich versteckt und hofft, dass schon nichts passiert, macht einen Fehler“, sagt Littich. „Da sich die Soforthilfe einkommensteuerlich auswirkt, kommt das spätestens mit der Steuererklärung 2020 auf den Tisch – und dann kann es zu spät sein.“
Grundsätzlich empfiehlt Littich genau zu dokumentieren, wie sich das eigene Geschäft entwickelt hat und wofür das Geld gebraucht wurde. Wenn nicht schon geschehen, sollten Unternehmer darüber hinaus gemeinsam mit ihrem Steuerberater dokumentieren, wie viel Liquidität sie zum Zeitpunkt des Antrags hatten und wie sich diese im Anschluss entwickelte. Fakt nämlich ist: „Wer die Soforthilfe zu Unrecht behält, macht sich strafbar.“
Oliver Götz
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