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Was Anleger jetzt zur US-Wahl wissen müssen

In den USA werden die Jahre 2008/2009 als „Great Recession“ in die Geschichtsbücher eingehen in Anlehnung an die „Great Depression“, die 1929 begann. Inzwischen herrscht in den USA fast Vollbeschäftigung, die Notenbankchefin Janet Yellen spricht von einem „sehr guten Weg der wirtschaftlichen Erholung.“ Kein leichtes Erbe für Barack Obamas Nachfolger, sollte man meinen.

BÖRSE am Sonntag

Als Barack Obama 2008 das Weiße Haus übernahm, standen die Vereinigten Staaten mit beiden Beinen tief im schwersten Krisensumpf seit Jahrzehnten. In den USA werden die Jahre 2008/2009 als „Great Recession“ in die Geschichtsbücher eingehen in Anlehnung an die „Great Depression“, die 1929 begann. Inzwischen herrscht in den USA fast Vollbeschäftigung, die Notenbankchefin Janet Yellen spricht von einem „sehr guten Weg der wirtschaftlichen Erholung.“ Kein leichtes Erbe für Obamas Nachfolger, sollte man meinen. 

Das Bruttoinlandsprodukt ist auf dem höchsten Stand aller Zeiten und der Dow Jones hat sich seit 2009 um den Faktor 2,5 verbessert. Dennoch steht der aktueller Amtsinhaber stark in der Kritik: Fast alle Präsidentschaftskandidaten versprechen ihren Wählern eine Neuausrichtung der Wirtschaft und Abkehr von Obamas Prinzipien. Für die Wirtschaft des Landes und die Börsen rund um die Welt ist diese Präsidentschaftswahl besonders spannend. Die BÖRSE am Sonntag stellt die Kandidaten und ihre Wirtschaftsprogramme einzeln vor und achtet auf die Chancen und Risiken, die sie für die Finanzmärkte mit sich bringen.

Hillary Clinton – Die Fortführerin 

Hillary Clinton ist eine enge Vertraute von Präsident Obama. Seine Errungenschaften der sich langsam stabilisierenden Volkswirtschaft und stark gesunkenen Arbeitslosigkeit wird sie mit Sicherheit unterstützend fortführen wollen. In vielen Grundsätzen stimmt die Demokratin mit Obama überein. So ist sie eine Verfechterin des Dodd-Frank Acts und anderen Regulationen, die in Folge der Finanzkrise exzessive und hochriskante Finanzgeschäfte beschränken. Clinton möchte diese umstrittenen Gesetze sogar noch verstärken und beispielsweise den Hochfrequenzhandel besteuern. An der Wall Street ist sie trotzdem nicht ganz unbeliebt.

Unter Clintons größten Spendern befinden sich viele Investmentbanker. Das könnte aber auch daran liegen, dass die US-Finanzbranche panische Angst vor Bernie Sanders hat, der ihr regulativ die Luft zum atmen nehmen würde. In jedem Fall scheinen die Märkte Hillary Clinton so ernst zu nehmen wie keinen anderen Kandidaten. Bereits mehrere Tweets der aktuellen Außenministerin haben direkte Auswirkungen an der Börse gezeigt. Nur Stunden nachdem Clinton auf Twitter schrieb, dass sie private Gefängnisse beenden und zurück in staatliche Obhut geben wolle, stürzten die Kurse zweier privater Gefängnisunternehmen ab. Ähnliches passierte nach ihrer online geäußerten Kritik an teuren Pharmamitteln. Auf dem Börsenparkett wird sie also fast schon als Präsidentin wahr- und ernstgenommen. 

Sollte Hillary Clinton tatsächlich die erste Präsidentin der USA werden, sind die Fußstapfen, die sie füllen muss, recht groß. Und dabei ist nicht einmal Obama gemeint:  Ihr eigener Ehemann Bill Clinton war es, der seinerzeit das größte Haushaltsdefizit in den größten Überschuss der US-Geschichte verwandelt hat. 

Ted Cruz – Texanischer Wirtschaftsexperte

Ted Cruz gilt bei vielen als der Konservativste im Feld der Republikaner. Bei den ersten Vorwahlen konnte er damit offenbar punkten. Sein Wirtschaftsprogramm sieht hauptsächlich eine Einheitssteuer vor, die für alle Bürger zehn Prozent betragen soll. Einkommensunterschiede sollen dabei keine Rolle spielen. Nach seinen Berechnungen brächte das einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukt um 13,9 Prozent. Als Präsident würde Cruz die Export-Import Bank abschaffen, um Steuergelder nicht für Unternehmenszwecke zu verwenden. Einige Experten befürchten darin aber eine große Schwächung fürs amerikanische Export-Geschäft, das wiederum negative Folgen für die Finanzmärkte haben könnte. Dennoch wird der Senator aus Texas in New Yorker Börsenkreisen sehr geschätzt. Er sei einer der einzigen Kandidaten, mit dem man sich auch tiefgründig über Wirtschaftsthemen unterhalten könne, bestätigen Hedgefonds-Manager und Investmentbanker.  

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Donald Trump – Unberechenbarer Turbokapitalist

Ohne Zweifel ist Donald Trump ein erfolgreicher Geschäftsmann. Doch er liebt es auch, sich Feinde zu machen. Diplomatie ist ihm ein Fremdwort. Viele seiner New Yorker Nachbarn an der Wall Street halten ihn für eine tickende Zeitbombe. Ein Präsident Trump könnte durch leichtfertige innen- und außenpolitische Handlungen die Börsen schocken. Seine Unberechenbarkeit bereitet vielen Aktionären Sorgen. Erstaunlicherweise zeigen Umfragen aber auch, dass eine Mehrheit der amerikanischen Bürger ihm in Wirtschaftsfragen mehr vertrauen als seiner demokratischen Kontrahentin Hillary Clinton. Der Multimilliardär beschreibt sich selbst als „Freihändler“, sagt jedoch, dass ihm die bestehenden Freihandelsabkommen nicht gefallen. Die Wirtschaftsbeziehungen zu den USA würden sich aber unter seiner Regierung wohl deutlich verkomplizieren.

Marco Rubio – Liebling der Wall Street

Der Sohn von kubanischen Auswanderern ist der jüngste Präsidentschaftskandidat. Auf Marco Rubios Wirtschafts-Agenda stehen hauptsächlich eine Steuerreform und eine Beschneidung der staatlichen Regulierung. Über die Börse redet der Republikaner zwar kaum. Aber die Verbindungen zur Wall Street können angesichts von Millionenspenden aus dem New Yorker Börsenumfeld, die ihm zuflossen, nicht so schlecht sein. Manche Beobachter halten Rubio zusammen mit Clinton sogar für die Lieblinge der Wall Street. Einwenig gefährlich für die US-Wirtschaft könnten die protektionistischen Züge des Senators aus Florida sein. Auch seine knallharte China-Skepsis könnte pazifische Türen eher schließen als öffnen. Und das wäre Futter für die Bären an der Wall Street.

Bernie Sanders – Börsenschreck und Sozialist

Bernie Sanders ist ein Phänomen. Dabei wäre er nicht einmal der erste „sozialistische“ Präsident der USA. Denn das was die Amerikaner sozialistisch nennen, hieße hierzulande wohl sozialdemokratisch. Franklin D. Roosevelts Umstrukturierung der US-Wirtschaft nach der Großen Depression gilt als größter sozialistischer Akt des nationalen Gedächtnisses. Trotz dieser Taten wird FDR im wohl antisozialistischsten Land der Welt bis heute verehrt und bewundert.

Vollmundig kündigt Bernie Sanders an, bereits im ersten Jahr seiner Amtszeit die größten US-Banken zu zerschlagen. Präsident Sanders würde versuchen das amerikanische Finanzsystem grundlegend zu überarbeiten. Vieles möchte er sich bei nordeuropäischen Erfolgswirtschaften wie Schweden oder Dänemark abschauen, einiges aber weiter denken und stärker regulieren. Börsianer warnte er kürzlich in einer Rede: „Wenn die Wall Street ihre Geldgier nicht beendet, werden wir es für sie tun.“

Neben seinen wilden Wall Street Plänen steht er für eine Anhebung des Mindestlohns, die Einführung eines komplett verstaatlichten Gesundheitssystems und für die Beendigung aller Freihandelsabkommen. Für viele Aktionäre ist Sanders mit Sicherheit der gefährlichste Präsidentschaftskandidat. Eine mögliche Amtszeit von Bernie Sanders würde wahrscheinlich mit einem formidablen Börsencrash beginnen.

Showdown vor dem Showdown

Was bedeutet dies für Ihr Depot? Sowohl bei den Republikanern als auch bei den Demokraten kommt es stark auf die Vorwahlen an. Bei der Partei mit dem Elefanten wäre es nicht ganz klar, ob Rubio oder doch Cruz zu Börsenlieblingen avancieren könnten, das Zeitbombenpotential von Trump wird dagegen jenseits des Atlantiks möglicherweise nicht genug beachtet. Klarer ist die Botschaft bei den Demokraten: Clinton hui, Sanders pfui. Wenn es im November zum großen Showdown kommt, ist für Börsianer und Anleger schon weit mehr als die Hälfte des Rennens gelaufen – so oder so. WCW