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USA: Steigende Risikoakzeptanz treibt Aktienkurse

Geht es den Unternehmen gut und ihre Gewinne sprudeln, schlägt sich das meist in einem steigenden Aktienkurs nieder. Auf den US-Aktienmarkt trifft dieser Zusammenhang derzeit jedoch nicht zu. Zwar erreichte der Kurs des US-Aktienindex S&P 500 am 20. Juli mit 2.173 Punkten sogar ein neues Allzeithoch. Anziehende Unternehmensgewinne sind in diesem Umfeld jedoch nach wie vor nicht zu beobachten. Was also treibt die Kurse? Ulrich Stephan, Chef-Anlagestratege für Privat- und Firmenkunden der Deutschen Bank, fragt nach.

BÖRSE am Sonntag

Geht es den Unternehmen gut und ihre Gewinne sprudeln, schlägt sich das meist in einem steigenden Aktienkurs nieder. Auf den US-Aktienmarkt trifft dieser Zusammenhang derzeit jedoch nicht zu. Zwar steigt der Kurs des US-Aktienindex S&P 500 seit Monaten tendentiell an und erreichte am 20. Juli mit 2.173 Punkten sogar ein neues Allzeithoch. Anziehende Unternehmensgewinne sind in diesem Umfeld, wie bereits im vergangenen Jahr, jedoch nicht zu beobachten gewesen. Was also treibt die Kurse?

Von Ulrich Stephan

Die Kurse an den US-Börsen stiegen und stiegen letzthin, wodurch es in der Folge zu einem höheren Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) kam. Es stellt sich die Frage, welche Gründe dafür gesorgt haben, dass der S&P 500 vom Jahresbeginn bis zum 20. Juli 2016 trotzdem um rund acht Prozent aus Euro-Anleger-Sicht zugelegt hat.

Die Erklärung liefert ein Blick auf die Kapitalmärkte insgesamt: Aufgrund der herrschenden Niedrigzinsphase werfen vergleichsweise sichere Anleihen immer weniger Renditen ab, sodass einige Investoren auf der Suche nach Ertragsquellen ihren Fokus auf potenziell ertragreichere Alternativen ausweiten – auch unter Berücksichtigung des damit einhergehenden höheren Anlagerisikos. Der Aufschwung des US-Aktienmarkts seit dem Jahr 2012 dürfte zu einem großen Teil auf diesen Effekt zurückzuführen sein – im Gegensatz zu den Aktienrallyes der vergangenen Jahre, die weitestgehend durch steigende Unternehmensgewinne befeuert wurden.

Der jüngste Aufwärtstrend des S&P 500 wird vor allem durch die Tatsache getrieben, dass Anleger momentan geringere Risikoprämien für ihre Aktieninvestments verlangen und entsprechend verstärkt in diese Anlageklasse investieren. Die Aktienrisikoprämie beschreibt die Differenz zwischen der realen Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen und der tatsächlichen Gewinnrendite eines Aktienindex. Im Klartext bedeutet das: Für das erhöhte Risiko einer Aktienanlage im Vergleich zu einer als „sicherer“ geltenden US-Staatsanleihe verlangen Anleger derzeit einen geringeren Aufschlag – beziehungsweise akzeptieren ein höheres KGV.

Bezogen auf den US-Aktienmarkt liegt der Renditevorsprung des S&P 500 gegenüber Anleihen aktuell bei rund 3,6 Prozent. Im Jahr 2012 lag er, nach den massiven Kursverlusten im Zuge der Finanzkrise, trotz sich beständig verbessernder Wirtschaftsdaten noch bei rund sieben Prozent. Seitdem ist der Wert kontinuierlich gesunken, bei einer gleichzeitigen Verlangsamung des Gewinnwachstums der Unternehmen. Der aktuelle Wert ist damit der niedrigste seit vielen Jahren.

Allein die Tatsache, dass die Realzinsen auf ihrem extrem niedrigen Niveau verharren und die Aktienrisikoprämien weiter sinken, dürfte dem S&P 500 zusätzliches Kurspotenzial bescheren. Diese positive Einschätzung könnte noch dadurch gestützt werden, dass die Entwicklung der US-Unternehmensgewinne langsam wieder Fahrt aufzunehmen scheint. Die Deutsche Bank teilt die Einschätzung des Marktes, dass für 2017 ein Gewinnwachstum von rund zehn Prozent für die im S&P 500 gelisteten Unternehmen möglich sein könnte. Bis Ende 2017 könnte der Index damit bei rund 2.350 Punkten stehen. Anleger sollten daher neben der Risikoneigung der Investoren auch die Gewinnentwicklung in den USA genau im Blick behalten.

Ulrich Stephan ist Chef-Anlagestratege für Privat- und Firmenkunden der Deutschen Bank.