Was das EZB-Maßnahmenpaket für die Märkte bedeuten könnte
Die EZB-Maßnahmen zielen auf eine Stärkung der Binnennachfrage; insbesondere das Kreditvolumen soll erhöht werden. Die Deutsche Bank bewertet Maßnahmen insgesamt positiv. Dr. Ulrich Stephan, Chef-Anlagestratege für Privat- und Firmenkunden der Deutschen Bank, erklärt, warum.
Die EZB-Maßnahmen zielen auf eine Stärkung der Binnennachfrage; insbesondere das Kreditvolumen soll erhöht werden. Die Deutsche Bank bewertet Maßnahmen insgesamt positiv.
Von Ulrich Stephan
Am 10. März stellte die Europäische Zentralbank ihr jüngstes geldpolitisches Maßnahmenpaket vor. In den Tagen nach der Verkündung kam es zu teilweise starken Kursbewegungen insbesondere an den europäischen Aktienmärkten. Statt die einzelnen Maßnahmen kühlen Kopfes zu analysieren, schienen sich viele Marktteilnehmer von den kurzfristigen Stimmungen an den Märkten treiben zu lassen.
Mittlerweile haben sich die Märkte wieder beruhigt, bedeutende Aktienindizes wie der DAX konnten in den vergangenen Tagen hinzugewinnen. Nach Einschätzung der Deutschen Bank erscheint diese Entwicklung gerechtfertigt. Insgesamt dürften die EZB-Entscheidungen den Kapitalmärkten vermutlich weiterhin positive Impulse geben. Die wichtigsten Punkte des Pakets umfassen die Ausweitung des Anleiheankaufprogramms, die Auflegung neuer Langfristtender sowie die Absenkung der Leitzinsen.
Senkung der Leitzinsen
Sowohl der Haupt- als auch der Spitzenrefinanzierungssatz (SRS) wurden um je 0,05 Prozentpunkte gesenkt: Der Hauptrefinanzierungssatz, der wichtigste Leitzins der EZB, fiel auf 0,00 Prozent und der SRS – der Zinssatz, zu dem sich Geschäftsbanken sehr kurzfristig Geld bei der EZB leihen können – auf 0,25 Prozent.
Gleichzeitig senkte die EZB auch den Einlagezins weiter ab: von -0,3 auf -0,4 Prozent. Dadurch müssen Geschäftsbanken nun einen höheren „Strafzins“ für ihre Einlagen bei der EZB bezahlen. Die Hoffnung, zumindest bis zur Höhe der gesetzlich vorgeschriebenen Einlagen würde es einen gesonderten, niedrigeren Zinssatz geben, wurde enttäuscht. Eher negativ interpretiert die Deutsche Bank auch, dass EZB-Chef Draghi weitere Leitzinssenkungen zwar nicht kategorisch ausschloss, jedoch andeutete, dass der Boden erreicht sein könnte.
Ausweitung des Anleiheankaufprogramms
Weitgehend positiv schätzt die Deutsche Bank die Ausweitung des EZB-Anleiheankaufprogramms ein: Ab April sollen zu den bereits laufenden 60 Milliarden Euro zusätzlich 20 Milliarden Euro monatlich bereitgestellt werden. Erstmals dürfen dabei auch unbesicherte private Kreditrisiken erworben werden, zum Beispiel in Euro notierte Unternehmensanleihen sehr guter bis guter Bonität (Investment Grade). Bislang beschränkte sich das Ankaufprogramm auf Euro-Staatsanleihen, besicherte Bankanleihen sowie Kreditverbriefungen – sogenannte ABS-Papiere.
Das Gesamtangebot von entsprechenden Unternehmenspapieren dürfte bei rund 400 Milliarden Euro liegen, wobei etwa 65 Prozent davon allein auf französische und deutsche Anleihen entfallen. Wie hoch das tatsächliche Ankaufvolumen der EZB an Unternehmensanleihen letztlich ausfallen wird, ist zwar noch nicht ganz klar, es dürfte nach Einschätzung der Deutschen Bank jedoch zwischen 5 und 10 Milliarden Euro monatlich liegen – eine Maßnahme, die die Absicht des gesamten Kaufprogramms unterstreicht: Die Kreditvergabe anzukurbeln, um Investitionen anzustoßen.
Denn die steigende Nachfrage nach Unternehmensanleihen dürfte deren laufende Verzinsung sinken lassen, was den betroffenen Unternehmen die Refinanzierung wahrscheinlich erleichtern sollte. Auch für alle Anleger, die Unternehmenspapiere bereits im Depot haben, dürfte die Maßnahme der EZB eine gute Nachricht sein: Ihre noch vergleichsweise „hoch“ verzinsten Papiere könnten Kursgewinne verzeichnen. Einziger Wermutstropfen hinsichtlich der Neuausrichtung des Anleiheankaufprogramms ist aus Sicht der Deutschen Bank, dass die Zinsuntergrenze in Höhe des Einlagenzinssatzes für zu erwerbende Anleihen nicht abgeschafft wurde, was das Kaufuniversum einschränkt.
Auflegung neuer Langfristtender
Die vielleicht weitreichendste Maßnahme der EZB ist die Ausschreibung von vier weiteren Langfristtendern, den sogenannten TLTRO 2 (Targeted Longer-Term Refinancing Operations). Über dieses Instrument mit einem Gesamtvolumen von 1,7 Billionen Euro können sich Geschäftsbanken der Eurozone bis zu einer Laufzeit von vier Jahren Geld bei der EZB leihen – und das zum derzeit gültigen Leitzinssatz von 0,00 Prozent. Das Besondere am TLTRO 2: Wenn die Geschäftsbanken selbst eine bestimmte Menge an Krediten vergeben, kann der Zinssatz, den sie an die EZB bezahlen müssen, sogar noch weiter fallen – bis auf den Einlagenzinssatz von derzeit -0,4 Prozent. Geschäftsbanken erhalten von der EZB also einen finanziellen Ausgleich, der umso höher ausfällt, je mehr Kredite sie vergeben.
Darüber hinaus können Mittel, die im Rahmen des Vorgängerinstruments TLTRO 1 aufgenommen wurden, in die neue Maßnahme überführt werden. Das hat zur Folge, dass die Geschäftsbanken ihre „alten“ TLTRO-1-Kredite bei der EZB später zurückzahlen können – ihnen wird eine Laufzeitverlängerung gewährt. Eine solche Umfinanzierung hätte einen enormen Einspareffekt für Geschäftsbanken, der die neuen Belastungen aufgrund der Absenkungen des Einlagenzinssatzes um ein Vielfaches überwiegen dürfte. Insgesamt rechnet die Deutsche Bank damit, dass durch die jüngsten Maßnahmen der EZB die Gewinne der Geschäftsbanken in der Eurozone steigen könnten.
Fazit: EZB-Maßnahmenpaket dürfte positive Impulse geben
Die anfänglichen Sorgen vieler Marktteilnehmer hinsichtlich der Wirksamkeit des EZB-Maßnahmenpakets scheinen aus Sicht der Deutschen Bank übertrieben gewesen zu sein – was sich unter anderem an den jüngsten Kursgewinnen von Bankanleihen ablesen lässt. Hauptgrund für die vermehrt positive Einschätzung des Programms dürfte die Auflegung der TLTRO 2 sein.
Insgesamt liegt der Fokus des jüngsten Maßnahmenpakets der EZB klar auf einer Verbesserung der Kreditbedingungen statt – wie in den Jahren zuvor – auf einer Schwächung des Euro. Das könnte sich nach Einschätzung der Deutschen Bank insbesondere auf die Binnennachfrage innerhalb der Eurozone – und hier verstärkt in den Peripherieländern – positiv auswirken. Zudem verringert dieser Strategiewechsel der EZB das Risiko eines Abwertungswettlaufs der Währungen weltweit.
Dr. Ulrich Stephan ist Chef-Anlagestratege für Privat- und Firmenkunden der Deutschen Bank.