Will die SPD über 65 Prozent Steuern für Unternehmer?
Die SPD fordert in ihrem Wahlprogramm, dass die Abgeltungssteuer abgeschafft werden soll. Näheres wird dort nicht ausgeführt. Dort heißt es nur pauschal: „Wir wollen Einkommen aus Arbeit und Kapital wieder gleich besteuern, indem wir die Abgeltungsteuer abschaffen.“ Rund drei Viertel der Steuereinnahmen aus der Abgeltungssteuer stammt aber aus Dividenden. Rainer Zitelmann ist alarmiert.
Die SPD fordert in ihrem Wahlprogramm, dass die Abgeltungssteuer abgeschafft werden soll. Näheres wird dort nicht ausgeführt. Dort heißt es nur pauschal: „Wir wollen Einkommen aus Arbeit und Kapital wieder gleich besteuern, indem wir die Abgeltungsteuer abschaffen.“ Rund drei Viertel der Steuereinnahmen aus der Abgeltungssteuer stammt aber aus Dividenden. Was will die SPD?
Von Rainer Zitelmann
Welt-Chef Ulf Poschardt lobt das „maßvolle Steuerprogramm“ der SPD, das in „feiner Rechenarbeit“ erstellt wurde, das Handelsblatt spricht von nur „kosmetischen Korrekturen“, die FAZ von einem „fein austarierten“ Vorhaben. Das Lob verwundert, denn es ist ganz unklar, was die SPD tatsächlich will. Alles ist möglich – bis zu einem Steuersatz von über 65 Prozent für Unternehmer.
Die SPD fordert in ihrem Wahlprogramm, dass die Abgeltungssteuer abgeschafft werden soll. Näheres wird dort nicht ausgeführt. Dort heißt es nur pauschal: „Wir wollen Einkommen aus Arbeit und Kapital wieder gleich besteuern, indem wir die Abgeltungsteuer abschaffen.“ Zum Hintergrund: Die Abgeltungssteuer wird seit 2009 für Zinseinkünfte und Dividenden erhoben. Das Gros, rund drei Viertel der Steuereinnahmen aus der Abgeltungssteuer, stammt aus Dividenden. Da die Zinsen immer weiter Richtung Null gesunken sind, kommt den Steuereinnahmen aus der Abgeltungssteuer für Zinserträge eine immer geringere Rolle zu. Angesichts sprudelnder Unternehmensgewinne sind dagegen die Steuereinnahmen aus Dividenden erheblich gestiegen.
Die SPD argumentiert immer wieder, es sei „ungerecht“, dass Arbeitseinkommen höher besteuert werde als Einkommen aus Kapital. Auf den ersten Blick ist das plausibel. Denn während die Abgeltungssteuer für Dividenden 25 Prozent beträgt, beträgt der Höchstsatz bei der Einkommensteuer 45 Prozent – jeweils plus Soli. Hie 25, dort bis zu 45 Prozent: Für jemanden, der von Steuern keine Ahnung hat, muss das in der Tat „ungerecht“ erscheinen. Das finden auch Sozialdemokraten, Linke, Grüne und Teile der Union.
„Ungerechtigkeit“ – eine Erfindung
In Wahrheit ist jedoch die Steuerbelastung für einen sehr gut verdienenden Unternehmer, dem eine GmbH gehört, heute keineswegs niedriger als für eine Privatperson, die dem höchsten Steuersatz unterliegt. Denn bevor der Unternehmer eine Dividende ausschüttet und versteuert, hat er bereits auf Ebene des Unternehmens Körperschaftssteuer und Gewerbesteuer gezahlt. Beide zusammen betragen, inklusive Soli, etwa 30 Prozent.
Nehmen wir an, eine GmbH hat einen Gewinn von 100 fiktiven Einheiten erwirtschaftet. Dann gehen davon 30 Steuern ab. Auf den Rest, also 70, entfällt derzeit die Abgeltungssteuer von rund 26,4 Prozent (inkl. Soli). Das ergibt noch einmal eine Steuerlast von 18,48 Prozent, also 26,4 Prozent von 70. Insgesamt zahlt der Unternehmer bislang also in der höchsten Progressionsstufe einen Grenzsteuersatz von rund 48,5 Prozent Steuern, wenn man die Steuern, die das Unternehmen zahlt und die Steuern, die er als Privatperson zahlt, zusammenzählt. Vergleich: Eine Privatperson zahlt in der höchsten Progressionsstufe einen Grenzsteuersatz von 45 Prozent plus Soli = 47,5 Prozent. Es kann also gar nicht die Rede davon sein, dass Einkommen aus Kapital günstiger besteuert ist.
Zwei Drittel des Gewinns wegbesteuert
Der Welt-Chefredakteur schreibt am 23. Juni auf Seite 1 einen Kommentar, in dem er unter der Überschrift: „Respekt für die SPD“ meint: „Die SPD hat ein maßvolles Steuerprogramm vorgestellt, das in feiner Rechenarbeit potenziellen Wählern sagt, woran sie sind.“ Genau das Gegenteil ist richtig. Was die SPD genau will, weiß man gerade nicht. In ihrem Programm fordert sie die Abschaffung der Abgeltungssteuer. Wenn man die Abgeltungssteuer abschafft, müsste man zu dem bis 2008 geltenden Halbeinkünfteverfahren zurückkehren. Davon ist jedoch bei der SPD nicht die Rede.
Nimmt man ernst, was Schulz sagt, dann träte bei Abschaffung der Abgeltungssteuer der persönliche Einkommensteuersatz an Stelle der bisherigen Regelung. Zugleich soll ja nach den Plänen der SPD die Reichensteuer von derzeit 45 auf künftig 48 Prozent plus Soli angehoben werden – sie würde danach bei 50,64 Prozent liegen (48 Prozent plus Soli 2,64 Prozent). Ein Unternehmer, der dem höchsten Steuersatz in der Einkommensteuer unterliegt, hätte also eine Grenzsteuerbelastung von 50,64 Prozent, die auf die verbliebenen 70 Einheiten des Unternehmensgewinns (nach Körperschaftssteuer und Gewerbesteuer) angewendet würde. Er müsste in der Spitze also noch einmal 35,45 Prozent Steuern bezahlen. Zusammen mit den 30 Einheiten, die er auf Unternehmensebene bezahlt hat, wären das 65,45 Prozent. Man würde ihm also fast zwei Drittel seines Gewinns wegbesteuern.
Was bringen mehr Steuern auf Null Prozent Zinsen?
Will die SPD das? Oder will sie künftig, dass Dividenden weiter der Abgeltungssteuer unterliegen und diese nur für Zinseinkünfte abgeschafft wird? Das würde dem Staat bei gegen Null gehenden Zinsen jedoch kaum Einnahmen bringen. Und warum sollte man Sparer, die durch die Niedrigzinspolitik (von der der Staat massiv profitiert) ohnehin gestraft sind, jetzt auch noch von den Minizinsen mehr Steuern abknöpfen? Es wäre wirklich perfide, wenn die SPD sich überlegt, wie man Sparer, die unter der Niedrigzinspolitik leiden, durch Steuererhöhungen noch besser schröpfen kann. Und unerhört wäre es, wenn sie Dividendeneinkünfte künftig mit dem persönlichen Steuersatz besteuern würde.
Dr. Dr. Rainer Zitelmann ist ein deutscher Historiker, Buchautor, Unternehmer und Immobilienexperte. „Wenn du nicht mehr brennst, starte neu!“ heißt sein neuestes Buch. Leseproben und Rezensionen finden Sie hier.