Goldpreis-Rally: Was für eine Fortsetzung spricht
Der Goldpreis steigt und steigt. Nach sechs Jahren volatiler Seitwärtsbewegung kostete das berühmte Edelmetall unter der Woche so viel wie seit Mai 2013 nicht mehr. Und der goldene Höhenflug könnte weitergehen. Fünf Gründe.
Der Goldpreis steigt und steigt. Nach sechs Jahren volatiler Seitwärtsbewegung kostete das berühmte Edelmetall unter der Woche so viel wie seit Mai 2013 nicht mehr. Und der goldene Höhenflug könnte weitergehen. Fünf Gründe.
Auf einmal wird er wieder angefahren, der „sichere Hafen“ Gold. Dabei sah es in jüngster Vergangenheit beinah schon danach aus, als gäbe es ihn nicht mehr. Sechs Jahre lang bewegte sich der Preis des Edelmetalls in einer schmalen Bandbreite von 200 US-Dollar mal mehr, mal weniger sprunghaft hin und her. Kein nennenswerter Ausbruch nach unten, gleichzeitig aber auch keiner nach oben. Eine prosperierende Weltwirtschaft, die Konzernen Rekordgewinne einbrachte und deren Aktien immer weiter ansteigen ließ, dazu eine Geldpolitik, die sich zumindest in den USA darum bemühte restriktiver zu agieren. Investments in die Aktienmärkte schienen in und nach den Jahren des Aufschwungs sicherer als solche in den Rohstoff Gold, der weder großes Kurspotenzial noch Dividenden oder Zinsen zu bieten hatte. Als defensiver Vermögenswert war Gold – salopp formuliert – ein bisschen oder vielleicht sogar ziemlich out.
Man darf sich so beinah verwundert die Augen reiben, blickt man nun, im Juni 2019, auf den Goldpreis-Chart. Quasi von jetzt auf gleich hat der Kurs in den Rally-Modus geschaltet. In Mai und Juni des laufenden Jahres hat er 12,1 Prozent zugelegt. Die Feinunze Gold kostete unter der Woche im Hoch 1.439 US-Dollar, so viel wie seit Mai 2013, also rund sechs Jahren, nicht mehr. In Euro gerechnet kletterte ihr Preis mit 1.261 Euro sogar auf den höchsten Stand seit Januar 2013.
Bleibt die Frage, wie eine Anlage so plötzlich wieder „hip“ werden kann. Und darüber hinaus freilich die, ob sie es bleibt, oder ob bereits die Korrektur droht. Argumente gibt es auf beiden Seiten. Die für eine Fortsetzung der Rally scheinen für den Moment jedoch zu überwiegen. Es sind eine ganze Reihe von Gründen, die dem Goldpreis derzeit einen saftigen Nährboden bereiten.
1. Die Geldpolitik
Vom ärgsten Feind zum besten Freund. So lässt sich wohl das Verhältnis zwischen dem Goldpreis und der internationalen Geldpolitik beschreiben. Gold als Rohstoff haftet ein „natürlicher Zinsnachteil“ an, wirft es schließlich selbst keine Zinsen, Mieten oder Dividenden ab. Renditetreiber ist allein der Preis. Steigen die Zinsen, wird Gold für Investoren unattraktiver, fallen sie, schwindet der Nachteil. Im Vergleich schließlich gilt Gold als sicherere Anlage als Anleihen. Nachdem die US-Notenbank FED jüngst angekündigt hat wieder ein expansivere Geldpolitik fahren zu wollen und über Zinssenkungen nachdenkt, während die EZB ohnehin signalisiert hat an ihren Niedrigzinsen festhalten zu wollen, gab das dem Goldpreis einen entscheidenden Schub. Die Rendite auf US-Staatsanleihen fiel zeitweise auf zwei Prozent. Der Schwenk in der US-Geldpolitik drückt also die Anleihe-Renditen und dürfte gleichzeitig die Inflation ankurbeln. Sozusagen die perfekte Ausgangssituation für einen steigenden Goldpreis.
2. Der schwache Dollar
Gleichfalls Folge der US-Geldpolitik-Kehrtwende – auch Japan denkt übrigens über Zinssenkungen nach, Australien und Neuseeland haben bereits eingegriffen – ist ein sich abschwächender Dollar-Kurs. Da Gold global in US-Dollar gehandelt wird, wird es günstiger für Nachfrager außerhalb der Vereinigten Staaten, was – zumindest in der Theorie – die Käufe ankurbelt.
3. Die Krisen
Neben dem handelspolitischen Dauerstreit mit China, sieht die USA nun auch einem immer bedrohlicher wirkenden Konflikt mit dem Iran entgegen. Die vermeintlichen Angriffe des Iran auf Öltanker im Golf von Oman, der Abschuss einer US-Drohne, im Gegenzug die Verschärfung der Sanktionen, die wiederum den Iran zur Aussage verleiteten, der Weg zu diplomatischen Lösungen sei für immer verschlossen. Es kracht gefährlich laut zwischen den beiden Staaten. Die Gefahr eines Krieges wird immer realer. Vor allem auch, da sich der Iran und Saudi Arabien – ein Verbündeter der USA – in Syrien und dem Jemen schon seit längerer Zeit eine Art Stellvertreterkrieg leisten. Es bräuchte also gar keinen US-Angriff, eine militärische Eskalation zwischen den beiden Großmächten des Nahen Ostens würde ausreichen, um die Region ins Chaos zu stürzen. Darüber hinaus darf die Angst bestehen, dass in der Folge noch mehr Staaten eingreifen, um ihre Interessen in der nicht nur aufgrund ihres Öls strategisch wichtigen Weltregion zu verteidigen. Hinzu kommen „kleinere“ Krisen, wie das Chaos um den Brexit, der Haushaltsstreit in Italien und überhaupt ein relativ zerstrittenes Europa.
4. Die Weltwirtschaft
Die Rezessionssorgen nehmen wieder zu. Der Handelsstreit zwischen China und den USA schwelt weiter und bedroht die Weltwirtschaft. Hinzu kommen weitere handelspolitische Drohgebärden aus den USA in Richtung Mexiko und Europa. Eine Eskalation im Nahen Osten würde wohl die Ölpreise rasant steigen lassen, was die angeschlagene Weltwirtschaft zur Unzeit empfindlich treffen würde. Vor allem im industriellen Sektor häufen sich seit vergangenem Jahr die Gewinnwarnungen. Ob nun Chemiebranche oder Automobilsektor, allmählich scheint das Wachstum diesbezüglich und mit Blick auf die derzeit großen, weitestgehend erschlossenen Märkte, an Grenzen zu geraten. Das könnte die Anlage in Aktien weniger lukrativ erscheinen lassen.
5. Die Charttechnik
Mit dem erfolgten Preisanstieg, hat der Kurs für eine goldene Feinunze den – wie HSBC-Analyst Jörg Scherer schreibt – „ultimativen Deckel“ bei 1.370 Dollar durchbrochen und so eine multiple Schulter-Kopf-Schulter-Formation vervollständigt. Er sehe deshalb das kalkulatorische Anschlusspotenzial bei rund 300 Dollar. Gleichzeitig liegt nach dem rasanten Anstieg der prozentuale Abstand zwischen Goldpreis und 21-Tagelinie bei 6,6 Prozent, der zwischen Goldpreis und 200-Tagelinie sogar bei elf Prozent. Das deutet auf eine baldige Korrektur hin, während der langfristige und übergeordnete Aufwärtstrend jedoch weiterhin besteht.
Fazit
Für den Moment spricht vieles für einen weiter steigenden Goldpreis. Jasper Lawler, Leiter des Researchs des Derivatehändlers London Capital Group, hält einen Preisanstieg auf 1.680 Dollar für möglich. Dollar-Schwäche, mögliche Zinssenkungen und die geopolitische Situation, wären gute Gründe, sagte er der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Ole Hansen, Rohstoffstratege bei Saxo Bank sagte: „Triebfeder für den Anstieg ist offensichtlich die amerikanische Notenbank Fed, die dem Markt das Zinssenkungssignal gegeben hat, auf das er gewartet hat.“
Zum großen Teil scheint ein Investment in das Edelmetall derzeit aber eine Spekulation auf eine Eskalation im Nahen Osten zu sein. Die wieder gelockerte US-Geldpolitik dürfte schon zum großen Teil eingepreist sein. Überhaupt könnte dem Goldpreis der zuletzt arg gestiegene Optimismus unter Investoren gefährlich werden. Wie aus dem Commitments of Traders-Report der US-Aufsichtsbehörde Commodity Futures Trading Commission hervorgeht, haben sich jüngst zum dritten Mal in Folge die Netto-Long-Positionen im zweistelligen Prozentbereich erhöht. Um 10,8 Prozent von 202.000 auf knapp 224.000 Kontrakte. Auch wenn er also wieder fleißig angefahren wird, wie sicher der „sichere Hafen“ Gold derzeit wirklich ist, bleibt völlig offen.
Oliver Götz
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