Palladium: Saubere Sache oder nur heiße (Abgas)-Luft?
Seit Mitte September ist der Abgasskandal von Volkswagen ein großes Thema in den Medien. VW-Aktien brachen ein. Nun braucht man offenbar viel Palladium, denn dieses Metall ist in Katalysatoren zu finden. Und so konnte der Preis für Palladium deutlich zulegen. Aber: reicht wirklich ein Volkswagen-Skandal, um dem Edelmetall zu einer nachhaltigen Trendwende zu verhelfen?
Der Skandal um die Manipulation von Abgaswerten bei Diesel-Fahrzeugen scheint für die Palladium-Bullen genau zum richtigen Zeitpunkt gekommen zu sein. Seit dem Mehrjahreshoch von Anfang September 2014 war der Preis des Edelmetalls bis Ende August dieses Jahres um rund 43 Prozent eingebrochen. Damit wurde das niedrigste Niveau seit September 2010 erreicht. Zu der Talfahrt beigetragen hatte die Annahme eines relativ ausgeglichenen Verhältnisses zwischen Angebot und Nachfrage für das Jahr 2015.
Aktuell gibt es Überangebot an Palladium, während im Vorjahr noch ein Rekorddefizit von mehr als 1,8 Mio. Feinunzen zu verzeichnen war. Für diese Prognose gab es mehrere Gründe. Dazu gehörte die Aussicht auf ein hohes Angebot. Sie begründete sich zum einen mit einer erwarteten ausgeweiteten primären Produktion in den Minen Südafrikas, dem weltweit größten Palladiumproduzenten. Zum anderen wurde ein weiterhin wachsender Beitrag aus dem Recycling angenommen. Das führte zu der Erwartung eines fast ausreichenden Angebots, um die Nachfrage zu befriedigen.
Sinkende Nachfrage
Auf der anderen Seite sollte zudem der weltweite Bedarf unter dem Rekordniveau von 2014 liegen. Einerseits weil in der Industrie (Chemie, Elektro, Dental) ein Rückgang erwartet wurde, vor allem aber weil die Nachfrage aus dem Investmentsektor drastisch sinken sollte. Gleichzeitig gingen die Prognosen davon aus, dass die Einbußen nicht durch den Bedarf aus der Automobilindustrie, dem größten Verbraucher von Palladium, aufgefangen werden können. Zwar wurde in diesem Bereich ein anhaltendes Wachstum prognostiziert, das jedoch deutlich geringer sein sollte als noch 2014. Palladium wird vor allem in Fahrzeugkatalysatoren eingesetzt.
2014 entfielen rund 69 Prozent des weltweiten Verbrauchs auf diesen Verwendungszweck. Die im Verlauf dieses Jahres zugenommen weltweiten Konjunktursorgen taten dann ihr übriges, die Wachstumserwartungen an die Automobilindustrie weiter zu senken, was eine gedämpfte Nachfrage nach Palladium implizierte und damit entsprechend den Preis drückte. Das Tief wurde schließlich im August bei etwa 520 US-Dollar markiert.
Nur heiße Luft?
Ausgehend von diesem Mehrjahrestief gab es dann eine technische Gegenreaktion. Der Palladiumkurs stabilisierte sich. Und bevor wieder womöglich die Bären das Ruder übernehmen konnten, führte der VW-Skandal zu einer dynamischen Fortsetzung des Aufwärtsimpulses. In dieser Reaktion schwang offenbar die Hoffnung mit, dass der Skandal zu einer Verschiebung der Käufergunst von Diesel-Pkw zu Benzinern führen könnte. Und Palladium, da billiger, wird vor allem für Katalysatoren in Pkws mit Benzinmotor verwendet, während Kats von Dieselfahrzeugen hauptsächlich Platin enthalten, weil es nicht so einfach durch das Schwestermetall ersetzt werden kann. Die Zwischenrallye seit September führte den Palladiumpreis schließlich auf rund 724 US-Dollar. Er hatte damit seit dem Augusttief um 39,3 Prozent zugelegt. Eine schöne Performance. Aber ist sie auch nachhaltig? Kann sie vielleicht sogar noch ausgebaut werden? Oder handelt es sich tatsächlich nur um heiße Luft?
Zum jetzigen Zeitpunkt scheinen die erwarteten Auswirkungen des VW-Skandals auf die Palladiumnachfrage erst einmal übertrieben. Zudem könnte ein positiver Effekt mit dem Kursanstieg bereits vorweggenommen sein. Eine viel wichtigere Frage ist zudem, wie sich die weltweite Konjunktur weiter entwickelt? Schließlich dürfte eine anhaltende Abschwächung nicht ohne Folgen für die globale Automobilindustrie sein. Eine sinkende Nachfrage nach Palladium ist wiederum ein potenziell belastender Faktor für den Preis, sollte es nicht zu einer erneuten Verknappung des Angebots, beispielsweise durch Streiks oder Kürzungen in Produktion und Recycling kommen. Danach sieht es derzeit jedoch nicht aus. Eventuelle aktuelle Long-Positionen sind daher spekulativer Natur und bedürfen eines umsichtigen Risikomanagements. Und auch aus charttechnischer Sicht gibt es durchaus zur Vorsicht mahnende Aspekte.
Vom Hoch Anfang Oktober ist der Kurs wieder etwas zurückgekommen. Es gelang ihm damit bislang nicht, den 200-Tage-EMA, das 50-Prozent-Retracement der Abwärtsbewegung von September 2014 bis August 2015 sowie den Widerstand bei 746,50 US-Dollar zu überwinden. Die jüngste Pause könnte zwar dazu dienen, neue Kräfte zu sammeln, um diese Hürden doch noch zu knacken. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass das Bündel an Widerständen der Ausgangspunkt für eine neue dynamische Abwärtswelle innerhalb der übergeordneten Talfahrt seit September 2014 ist.