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Die oberste Firmenretterin geht

Jutta Dönges steuerte die Beteiligung des Bundes bei Lufthansa und TUI. Jetzt will sie sich anderen spannenden Themen widmen. Die Nachfolge ist offen.

(Bild: Bundesrepublik Deutschland – Finanzagentur GmbH)

Jutta Dönges steuerte die Beteiligung des Bundes bei Lufthansa und TUI. Jetzt will sie sich anderen spannenden Themen widmen. Die Nachfolge ist offen.

Es ist eng im August 2021, sehr eng. Corona droht, die Lufthansa zu erledigen. Der Bund pumpt Milliarden in die Fluggesellschaft, sichert sich Macht im Aufsichtsrat und Zusagen für mehr Klimaschutz. Jutta Dönges verantwortet die Mission Lufthansa als Geschäftsführerin der Finanzagentur des Bundes und Verantwortliche des Wirtschaftsstabilisierungsfonds WSF. Es ist nicht der erste Auftrag dieser Art, denn die 49-Jährige ist die oberste Firmenretterin Deutschlands.

Jetzt, etwas mehr als ein Jahr später hat sich der Staat von den letzten Aktien der Lufthansa getrennt. Für die Steuerzahler lohnte sich die Rettung: Unter dem Strich blieb ein Gewinn von 760 Millionen Euro übrig. „Das Unternehmen liegt wieder in privaten Händen“, sagt Dönges. Mission Lufthansa complete. Und die Retterin geht.

Dönges hat ihren auslaufenden Vertrag als Geschäftsführerin trotz des jüngsten Erfolgs nicht verlängert. Ende Oktober ist nach vier Jahren Schluss, „weil es viele spannende Themen gibt“, wie sie im Gespräch sagt. Bereits seit Sommer 2022 sitzt sie im Aufsichtsrat des kanadisch-deutschen Unternehmens Rock Tech Lithium. Es will Mercedes und dessen Partner von 2026 an jährlich bis zu 10.000 Tonnen Lithiumhydroxid liefern. Die Nachfrage der Automobilindustrie nach dem Rohstoff ist riesig. Lithium ist essenzieller Bestandteil der Batterien für Elektroautos.

Während der Corona-Krise rettete Dönges mit dem WSF aber nicht nur die Lufthansa, sondern auch den Touristik-Riesen TUI vor dem Aus. Zudem kümmert sie sich um die Beteiligung an der Commerzbank, die der Bund seit der Rettung des Instituts in der Finanzkrise hält. In beiden Unternehmen sitzt die ehemalige Goldman-Sachs-Investmentbankerin im Aufsichtsrat – mit dem Auftrag, die Interessen des deutschen Staates zu vertreten.

2009, in Folge der Finanzkrise, kaufte die Bundesrepublik Commerzbank-Aktien und hält derzeit 15,6 Prozent aller Anteile. Bisher hat sich noch kein Bundesfinanzminister getraut, die Papiere wieder zu verkaufen. Schlüge Christian Lindner (FDP) das jetzt vor, würde er einen Verlust von mehr als zwei Milliarden Euro akzeptieren müssen. Einen schnellen Ausstieg des Bundes signalisiert er also gar nicht erst. Die Regierung sei sehr zufrieden mit dem Kreditinstitut, sagte der Bundesfinanzminister kürzlich auf einer Konferenz. Das Geldhaus sei vor allem für die Finanzierung des Mittelstands wichtig. „Wir haben keinerlei gesetzliche oder sonstige Verpflichtung, schnelle Entscheidungen zur Commerzbank zu treffen, sondern wir wollen eine gute Entwicklung dieser Bank am Finanzplatz Deutschland, weil wir ihre wichtige Rolle kennen“, sagte Lindner. Vor allem ist das Institut seit der Finanzkrise eine große Baustelle, offen ist, wann sie fertig wird.

Finanzexpertin Dönges, die die Geschicke der Commerzbank im obersten Kontrollgremium steuert, will trotz ihres Abschieds bei der Finanzagentur weitermachen bei Deutschlands zweitgrößter Privatbank, und auch bei TUI. Wie lange der Bund grundsätzlich noch drinbleibe, hänge von „wirtschaftlichen Parametern“ ab, doch eigentlich wollte „Deutschland […] nie Anteilseigner sein“, sagt die ehemalige Bankerin, ohne weiter auszuführen, welche wirtschaftlichen Parameter denn entscheiden.

„Ich übe die Mandate gern aus und empfinde sie als bereichernd“, sagt. In Bankenkreisen war man zuletzt noch davon ausgegangen, dass die Hanauerin nach ihrem Ausscheiden bei der Finanzagentur nicht weitermacht und Bundesfinanzminister Lindner stattdessen eine eigene Kandidatin platziert. Die Entscheidung läge nicht allein bei ihr, relativiert Dönges denn auch ihren Karrierewunsch.

Mit der Verstaatlichung des Stromerzeugers und Gaslieferanten Uniper wird Dönges ziemlich sicher nichts mehr zu tun haben. Weil der finanziell schwer angeschlagene Düsseldorfer Konzern die deutsche Gasversorgung in den Abgrund reißen könnte, greift der Staat ein – und zwar richtig. Im Zuge des Geschäfts ist unter anderem eine Kapitalerhöhung in Höhe von acht Milliarden Euro vorgesehen, die ausschließlich der Bund zeichnen soll. In der Folge gehörten dem deutschen Staat dann 99 Prozent des Konzerns.

„Wer eine bessere Idee hat, stößt in Berlin sicher auf offene Ohren“, kommentiert Dönges den Milliardendeal zwischen Uniper, Staat und dem alten Mehrheitseigentümer Fortum aus Finnland. Auch diese Verstaatlichung habe sich niemand gewünscht. „Es sind mehr die Umstände, die dies erforderlich werden ließen, die mir Sorge bereiten, wie sehr vielen Menschen“, sagt Dönges.

In den vergangenen Jahren stieg der Bund immer wieder bei großen Firmen in der Krise ein oder übernahm gleich ganz. Beispiel: Hypo Real Estate. In der Finanzkrise erwies sich das Geschäftsmodell des Münchener Immobilienfinanzierers als untragbar: Er vergab langfristige Kredite, refinanzierte sich aber kurzfristig. 2008 drohte der Zusammenbruch und damit auch die Insolvenz anderer Banken, Pensionskassen und Versicherer. Zunächst beschloss der Bund anteilsweise einzusteigen, später wurde er alleiniger Eigentümer. Die Anleger, die in diesem Verfahren von „Diebstahl“ sprachen, erhielten 1,30 Euro je Aktie, anschließend wurde die HRE von der Börse genommen und zerlegt. Schätzungen der Bürgerbewegung Finanzwende zufolge hat die Rettung den deutschen Staat, also die Steuerzahler, knapp 21 Milliarden Euro gekostet.

Besser lief es beim Fall Hapag-Lloyd. Seit 2009 ist die Hansestadt Hamburg an der Containerreederei beteiligt. Um einen Verkauf ins Ausland zu verhindern, stieg die Stadt inmitten der Schiffsfahrtkrise als Teil eines Konsortiums ein. Derzeit ist Hamburg drittgrößter Anteilseigner (knapp 14 Prozent), neben der chilenischen Reederei CSAV und dem Logistikunternehmer Klaus Kühne. Allein dieses Jahr erhält die Hansestadt mehr als 800 Millionen Euro an Dividende von Hapag-Lloyd.

„Der Staat übernimmt keine Unternehmen, weil er sich für bessere Manager hält“, rechtfertigt Dönges ihre Arbeit in der Finanzagentur. Es ginge darum, Schaden von der Bevölkerung oder der Wirtschaft abzuhalten. Das gleiche Motiv sollte ihrer Meinung nach gelten, wenn man über die Schuldenbremse – und ihre Existenzberechtigung im nächsten Jahr – nachdenkt. „Große Entschlossenheit“ sei das „Gebot der Stunde“, um die deutsche Wirtschaft zu schützen, sagt die Expertin, die sich damit auf das beschlossene 200-Milliarden-Energie-Paket bezieht, den Doppel-Wumms von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). „Dieser Aspekt muss an erster Stelle stehen, wenn man perspektivisch über Schulden, Steuereinnahmen, Arbeitsplätze, Zukunftsfähigkeit und damit alles in allem über Wohlstand spricht.“ Bei Bundesfinanzminister Lindner dürfte Dönges mit diesem Bekenntnis keine Sympathiepunkte sammeln. Ihren Ruf als Top-Managerin mit Weitblick stärkt sie aber allemal.

FS

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