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Neobanken und Neobroker: „Bei der Hälfte der Firmen brennt es bereits“

N26, Trade Republic und Co.: Die hoffnungsvollen Fintechs wollten den Markt für Finanzprodukte revolutionieren. Demokratie war angesagt: Jeder sollte möglichst kostenlos mit allem handeln können. Doch jetzt in der Krise an den Märkten trennt sich die Spreu vom Weizen. Einer der einflussreichsten Börsenexperten schlägt Alarm.

(Bild: Shutterstock)

N26, Trade Republic und Co.: Die hoffnungsvollen Fintechs wollten den Markt für Finanzprodukte revolutionieren. Demokratie war angesagt: Jeder sollte möglichst kostenlos mit allem handeln können. Doch jetzt in der Krise an den Märkten trennt sich die Spreu vom Weizen. Einer der einflussreichsten Börsenexperten schlägt Alarm.

Neobanken von N26 bis zur Nubank, Neobroker von Robinhood bis Trade-Republic, dazu manch anderes hoffnungsvolles Fintechs – viele von ihnen erleben gerade, was es heißt der Schwerkraft unterworfen zu sein: Es geht schneller bergab als bergauf. Bei den börsennotierten Unternehmen ist das an den Kursen ablesbar. Bei jenen Startups, die den Gang aufs Parkett entweder nicht planen oder zögern, verschieben oder bereits abgesagt haben, geben die jüngsten Finanzierungsrunden der Kapitalinvestoren aufschlussreiche Informationen. Demnach steht es nicht gut um die jungen Bankenkonkurrenten, die mit vollmundigen Versprechen antraten und einen regelrechten Hype erlebten.

Einer, der dort genau hinguckt, ist Shortseller-legende und Wirecard-Jäger Fraser Perring. Bei einer Konferenz diese Woche in Hamburg sagte er Schwierigkeiten voraus, die auf die Fintechs zukommen: „In die Branche ist viel Geld geflossen, aber bei der Hälfte der Firmen brennt es bereits.“ Viele der jungen technologiegetriebenen Finanzdienstleister könnten Probleme bekommen durch strengere Regeln zur Kundenidentifikation.

In diesen Tagen, da der für diese Firmen aussagekräftige Index der amerikanischen Technologiebörse NASDAQ unter heftigen Schwankungen den Weg nach unten angetreten hat, trifft die Baisse viele der jungen „Einhörner“ unvorbereitet. Der Begriff bezeichnet jene mittlerweile mehr als 1200 Jung-Unternehmen weltweit, die mit mehr als einer Milliarde Dollar bewertet sind. Aber auch mit gutem Grund? Das ist auf den ersten Blick oft kaum erkennbar.

Sterben die Einhörner wieder aus?

Beispiel Robinhood: Der Neobroker weist eine grauenhafte Kursentwicklung auf – der nach dem edlen Outlaw und Kämpfer gegen etablierte Mächte im England des 13. Jahrhunderts benannte Anbieter schaffte es in weniger als einem Jahr, 75 Prozent des Anlegergeldes in Luft zu verwandeln. Die Nutzer der Plattform handeln kostenlos mit Wertpapieren und Kryptowährungen. Eigentliche Kunden sind große Börsendienstleister, die Provisionen erhalten. Daneben spielt der Adressenverkauf noch eine Rolle fürs Geschäft. Mehrfach geriet Robinhood unrühmlich in die Schlagzeilen – etwa durch unangekündigte Verkaufsstopps für sogenannte Meme-Aktien wie Gamestop oder Blackberry. Bei diesen Papieren hatten sich Nutzer über einschlägige Soziale Medien verabredet, mit gezielten Massenorders große Hedgefonds in die Knie zu zwingen. Einige Große mussten in der Tat ihre Positionen unter hohen Verlusten auflösen. Die Aktion zeigte die neue Macht der Neobroker und ihrer Anleger, brachte aber auch nur wenigen etwas ein, auch Robinhood selbst nicht.

Die wenigsten gewinnen

Beispiel Coinbase: Der erste Börsenkurs vor etwas mehr als einem Jahr: 381 Dollar. Die Krypto-Plattform notiert heute, 13 Monate später, bei 67 Dollar. Das gefeierte Startup, das als erster Kryptowährungshandelsplatz zum „Einhorn“ wurde, schockte die Anleger zuletzt mit dem offenherzigen Eingeständnis, im Falle von Finanznöten auch auf die Konten seiner Nutzer zuzugreifen. Dann wären sie also plötzlich weg, die Bitcoins und was da sonst noch gehypt wurde als sichere, anonyme und staatlich unangreifbare Währung. Geholfen hat da sicherlich auch nicht der Zusammenbruch des sogenannten Stablecoin „TerraUSD“, dessen Wert sich analog zum Dollar halten sollte, was jüngst nicht funktioniert hat. 30 US-Cents war eine der letzten Notierungen. Paradepferd Bitcoin hat in einem halben Jahr die Hälfte seines Wertes verloren, was Neuanleger teils in den Ruin trieb, die nun verständlicherweise als aktive Kunden einer Kryptobörse ausfallen.

Beispiel Nubank: Die größte Fintech-Institution Südamerikas ist an der Börse sechzig Prozent unter Wasser seit dem IPO im Dezember 2021. Mit 38 Millionen Kunden, guten Zahlen und hoher Wertschätzung durch den legendären Investor Warren Buffett war das beim Börsengang sicher so nicht vorgezeichnet. Und tatsächlich hat das Unternehmen aus Såo Paulo unter seiner charismatischen Gründerin Christina Junqueira auch nicht viel falsch gemacht. In Südamerika hat nicht einmal jeder Zweite eine reguläre Bankverbindung, hingegen oft ein Smartphone. Nubank bietet Zugang zu fast allen digitalen Dienstleistungen, seit kurzem auch den Handel mit Kryptowährungen. Debitkarten und Überweisungen sowieso. Das Pech für die Neobank:  Die makroökonomischen Aussichten weltweit haben sich stark eingetrübt, was Länder in Südamerika, wo der Kundenstamm vor allem beheimatet ist, besonders treffen wird. Wo bei anderen Fintechs eher unseriöses Geschäftsgebaren und merkwürdige Deals das Vertrauen durchsieben, sind bei der brasilianischen Digitalbank handfeste wirtschaftliche Argumente, die Kunden unter Druck bringen.

Eigentlich alles richtig gemacht

Zu den bekanntesten deutschen Fintechs zählen der Neobroker Trade Republic und die Onlinebank N26, beide sind – noch - nicht börsennotiert. Das Hightech-Unternehmen Trade Republic sieht sich als Demokratisierer des Aktienhandels – ohne nennenswerte Kosten können Privatanleger hier auch Papiere für geringere Anlagebeträge handeln, und damit schon für kleine Beträge ihr Depot diversifizieren, was im Sinne der deutschen Aktienkultur zunächst einmal positiv erscheint. Ob die Hemmschwelle für riskante Engagements damit nicht stark sinkt und zu Spekulation einlädt, bleibt dem Urteil des Einzelnen überlassen. Trade Republic ist nach mehreren Finanzierungsrunden mit etwa 4,5 Milliarden Euro bewertet. Weitere Investments sind nötig; deren Erfolg dürfte auch von einem anhaltenden Kundenstamm-Wachstum abhängen. In Zeiten eines veritablen Crashs der Finanzwerte ist das kein Selbstläufer. Dem Vernehmen nach stellen mögliche Investoren bei Fintechs, also Private Equity-Unternehmen und Beteiligungsfirmen, mittlerweile harschere Bedingungen.

N26 hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Mit derzeit neun Milliarden Euro bewertet, musste die Berliner Fintech-Bank bereits einige Rückschläge hinnehmen. Mehrere Geldbußen wurden fällig wegen unzureichender Sicherheitsmaßnahmen – und die Aufsichtsbehörde BaFin schickte nach Verhängung einer 4,25-Millionenbuße Ende 2021 einen Sonderbeauftragten zur Betreuung ins Haus. Wenn man Verluste schreibt, sind Millionen-Strafen plötzlich schmerzhaft. Immer mal wieder gab es Schlagzeilen wegen mangelnder „Compliance“, also zu laxer Regelbeachtung im Geschäftsbetrieb. Vorkehrungen gegen Geldwäsche schienen zu lässig, es gab Vorwürfe in Sachen Schutz von Kundendaten, dann wurden plötzlich eine riesige Zahl von Konten gekündigt. Aus den USA und Großbritannien zog sich N26 wieder zurück, die Unternehmenskommunikation dazu war eher schmallippig. Der Kundenservice geriet immer wieder unerfreulich in die Schlagzeilen, und 2020 versuchte man, die Einrichtung eines Betriebsrates zunächst zu verhindern.

Schmallippige Kommunikation

Was tun, wenn man einerseits niedrigere Kosten beim Banking sucht, andererseits nicht im digitalen Nirwana landen will? Die Auswahl an Smartphone-Banken ist riesig, es gibt zahlreiche Plattformen, die es erlauben, bei der eigenen Hausbank zu bleiben und gleichwohl die Dienste unterschiedlicher Fintechs in Anspruch zu nehmen. Nach der geltenden EU-Richtlinie müssen alle Banken den Zugang von solchen Plattformen aus zulassen, solange der Kunde es autorisiert. Ansonsten ist „Vertrauen der Anfang von allem“, wie es in der legendären Werbung einer Großbank hieß, vor knapp dreißig Jahren, ehe die Praxis dies Lügen strafte, und ehe Turbulenzen des Neuen Marktes, die Finanzkrise und weitere Geschehnisse das verbliebene Vertrauen der Kunden heftig untergruben.

Anleger in Fintech-Aktien, soweit sie nicht bereits engagiert sind, finden, wie man sieht, reichhaltiges Anschauungsmaterial schon allein in der Börsenkurshistorie der mutigen Neubroker. Fintechs sind aber auch in Fonds vertreten, als ETFs handelbar und in Unterindizes der Technologiebörsen gelistet, und damit auch als Indexfonds zu erwerben. Die aktuellen Turbulenzen an den Börsen muss jeder für sich bewerten. Eine Anlage in Einzelaktien der jungen Branche erfordert neben unbedingter Diversifizierung auch noch ein gewisses „Händchen“ - selbst Warren Buffett braucht bei seiner Investition in Nubank derzeit Mut, und vor allem Geduld. Und Shortseller Fraser Perring hätte ihm vermutlich abgeraten.                                       

Reinhard Schlieker

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