Aktien: Wachstum made in USA
Er gilt seit 45 Jahren als einer der entscheidenden Indikatoren für die Verfassung der Gesamtwirtschaft in den USA – und dürfte in Deutschland trotzdem zu den weniger bekannten Frühindikatoren gehören: der von der Interessenvereinigung NFIB erhobene Index zum Geschäftsoptimismus kleiner US-Unternehmen, kurz NFIB-Index. Ulrich Stephan weiß, was es damit auf sich hat.
Er gilt seit 45 Jahren als einer der entscheidenden Indikatoren für die Verfassung der Gesamtwirtschaft in den USA – und dürfte in Deutschland trotzdem zu den weniger bekannten Frühindikatoren gehören: der von der Interessenvereinigung NFIB (National Federation of Independent Business) erhobene Index zum Geschäftsoptimismus kleiner US-Unternehmen, kurz NFIB-Index.
Von Ulrich Stephan
Aktuell macht der Optimismusindex seinem Namen alle Ehre. Im Juli bewegte er sich nahe seinem historischen Höchststand – die Zuversicht in Corporate America ist also groß. Die hohe Relevanz dieses Stimmungsbarometers wird deutlich, wenn man auf die NFIB Mitglieder blickt. Diese repräsentieren rund 99 Prozent der Anzahl aller US-Arbeitgeber. Während es keine Standarddefinition für ein „kleines Unternehmen“ gibt, beschäftigt das typische NFIB-Mitglied 10 Mitarbeiter und meldet einen Bruttoumsatz von etwa 500.000 USD pro Jahr. Die meisten dieser Unternehmen sind keineswegs an der Börse gelistet, gemeinsam beschäftigen sie in den USA jedoch knapp die Hälfte aller Arbeitnehmer im privaten Sektor und generieren rund 50 Prozent des privaten Bruttoinlandsprodukts.
Mit Donald Trumps Wahl zum US-Präsidenten stieg der Optimismusindex stark an und bleibt seither auf einem hohen Niveau – und das, obwohl der Trump-Effekt auf die Wirtschaft der USA ganz unterschiedliche Auswirkungen hat. Handelsstreit, Irankonflikt und innenpolitischen Spannungen stehen Maßnahmen wie seine Steuerreform, Investitionsprogramme und Deregulierung gegenüber. Fest steht jedenfalls, dass – trotz oder wegen der Politik des Präsidenten – die US-Wirtschaft 2018 so stark wachsen könnte wie seit 2010 nicht mehr. Die Deutsche Bank rechnet für das laufende Jahr mit einem Plus beim US Bruttoinlandsprodukt von 2,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der zyklische Höhepunkt könnte dieses Jahr zwar überschritten sein, dennoch wird in den Folgejahren noch immer mit einem deutlich positiven Wachstum gerechnet. So prognostiziert die Deutsche Bank für das Jahr 2019 ein Plus von starken 2,8 Prozent.
Viele US-Aktien auf Allzeithoch
An den Aktienmärkten jenseits des Atlantiks schlägt sich der konjunkturelle Höhenflug ebenfalls in Hochstimmung nieder: Aus Sicht eines Euroanlegers kletterten viele Indizes zuletzt sogar auf neue Allzeithochs. Das betraf nicht nur die großen Leitindizes wie den S&P 500 oder den Technologieindex NASDAQ, die überwiegend von international aufgestellten Großkonzernen geprägt werden. Auch im Bereich der kleineren und mittleren US-Unternehmen kommt der Aufschwung an: Der Index Russell 2000, der nach Marktkapitalisierung 2.000 kleinere, teils sehr innovative und schnell wachsende US-Unternehmen umfasst, überschritt am 20. Juni zum ersten Mal seit seiner Auflage die Marke von 1.700 Punkten und bewegt sich seither nahe dieser Höchstmarke.
Dabei kann sich insbesondere die aktuelle Gewinnsituation der US-Unternehmen sehen lassen. Vor dem Hintergrund positiver Effekte durch die US-Steuerreform sowie des allgemeinen konjunkturellen Aufschwungs rechnen Analysten damit, dass die Unternehmen im Gesamtjahr 2018 ihre Gewinne gegenüber dem Vorjahr im zweistelligen Prozentbereich steigern können. Nachdem nun fast alle Unternehmen im S&P 500 ihre Bücher für das 2. Quartal 2018 geöffnet haben, können sie mit einem Gewinnwachstum von 23,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal glänzen.
Die Analystengemeinde prognostiziert für die Unternehmen im Russel 2000 sogar, dass diese die hohen Wachstumsraten des S&P 500 noch toppen können. Dabei gilt jedoch zu beachten, dass insbesondere kleine US-Unternehmen oftmals weniger diversifiziert sind als beispielsweise die großen Konzerne im S&P 500. Investitionen in kleinere Unternehmen lassen somit zwar in wirtschaftlichen Aufschwungphasen eine höhere Rendite erwarten, allerdings geht diese auch mit einem höheren Risiko einher. Sollte die positive Stimmung der Unternehmen – trotz Handelsstreitigkeiten – auf einem hohen Niveau bleiben, dürfte dies den US-Aktienmarkt insgesamt weiter unterstützen.
US-Aktienmarkt insgesamt weiter interessant
Entsprechend risikobereite Anleger sollten daher den gesamten US-Aktienmarkt im Portfolio berücksichtigen. Denn die Voraussetzungen für weiter steigende Aktienkurse scheinen auf breiter Basis gegeben. Haupttreiber könnten in einem anhaltend dynamischen konjunkturellen Umfeld Unternehmen mit überdurchschnittlichen und nachhaltigen Wachstumsraten sein – beispielsweise aus dem Technologiebereich, obwohl die aktuelle Berichtssaison zuletzt auch bei den Aktien großer Techgiganten für deutliche Schwankungen gesorgt hat. Davon sollte neben dem S&P 500, dessen Techaktien den größten Anteil ausmachen, und dem ausgewiesenen Technologieindex NASDAQ auch der Russell 2000 profitieren.
Trotz des großen Optimismus in Corporate America gilt es für Anleger, die Risiken im Blick zu haben und die weiteren politischen Entwicklungen in den USA genau zu verfolgen. Vor allem die derzeit wenig vorhersehbare Politik von Präsident Donald Trump sorgt weiterhin für Verunsicherung an den Märkten. Neben den anhaltenden Handelsstreitigkeiten gilt es beispielsweise auch ein besonderes Augenmerk auf die am 6. November stattfindenden Midterm Elections zu richten, die als Stimmungsbild gegenüber der aktuellen Regierung und dem Präsidenten gelten. Insgesamt erscheint aus Sicht der Deutschen Bank für entsprechend risikobereite Anleger der US-Aktienmarkt aber weiter interessant, denn nach jetzigem Stand bleiben die Aussichten positiv.
Dr. Ulrich Stephan ist Chefanlagestratege für Privat- und Firmenkunden der Deutschen Bank.