Im Visier der Behörden
Das Bundeskartellamt will dem weltgrößten Online-Netzwerk das Sammeln von Daten aus verschiedenen Quellen verbieten. Der Angriff auf das Geschäftsmodell könnte Facebook hart treffen - kurz nachdem die Aktie wieder in die Spur gefunden hat. Auch in den USA werden die kritischen Stimmen lauter.
Das Bundeskartellamt will dem weltgrößten Online-Netzwerk das Sammeln von Daten aus verschiedenen Quellen verbieten. Der Angriff auf das Geschäftsmodell könnte Facebook hart treffen - kurz nachdem die Aktie wieder in die Spur gefunden hat. Auch in den USA werden die kritischen Stimmen lauter.
Es ist ein Angriff auf Facebooks Geschäftsmodell. Nicht mehr und nicht weniger. Nach dreijähriger Prüfung hat das Bundeskartellamt entschieden, dass Facebook Daten aus verschiedenen Quellen nicht mehr zusammenführen darf – zumindest nicht ohne die Zustimmung der Nutzer. Gemeint sind damit einerseits Daten aus konzerneigenen Diensten wie Instagram und WhatsApp, andererseits Daten von fremden Webseiten und Apps. Damit zwingt die Behörde das Unternehmen seine Geschäftspraktiken in Deutschland zu ändern. Es sei problematisch, dass Facebook Daten aus Drittquellen mit dem Facebook-Konto verknüpft, erklärt Kartellamtschef Andreas Mundt. „Wir nehmen bei Facebook für die Zukunft eine Art innere Entflechtung bei den Daten vor.“ Der Konzern missbrauche seine marktbeherrschende Rolle, heißt es darüber hinaus in der Stellungnahme. Das Unternehmen will die Entscheidung vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf anfechten. Das Bundeskartellamt „halte es für irrelevant, dass unsere Apps mit YouTube, Snapchat, Twitter und vielen anderen Wettbewerbern um die Aufmerksamkeit der Nutzer konkurrieren, wetterte der Facebook-Manager Nikhil Shanbhag.
Die offensive Reaktion Shanbhags kommt nicht von ungefähr, denn mit dem Verbot des Datensammelns in Deutschland würde eine schlechtere Werbequalität einhergehen, denn Inhalte und Werbebotschaften könnten den Nutzern nicht mehr so zielgenau wie bisher angeboten werden, meint der Manager. Die Entscheidung des Bundeskartellamtes wird an der Marktmacht des Tech-Giganten vorerst nichts ändern, zeigt aber, wie problematisch das uneingeschränkte Sammeln von Nutzerdaten ist. Außerdem hätte das Urteil eine Signalwirkung auf andere Länder, meint Daniel Zimmer, Wettbewerbsexperte und ehemaliger Chef der Monopolkommission. „Die Entscheidung könnte auch Folgen für weitere Unternehmen wie etwa Google haben, wenn andere Behörden sich an dem Vorgehen des Bundeskartellamts orientieren.“
Federal Trade Commission schaut genauer hin
Auch im Mutterland des Unternehmens fordern Politiker und Datenschützer strengere staatliche Regeln. „Die deutsche Entscheidung könnte größere Auswirkung für die USA haben“, prophezeit Dipayan Ghosh vom US-Thinktank New America. Ghosh war früher Facebook Privatsphäre- und Policy-Berater – er kennt das Unternehmen von innen. Joe Simons, Vorsitzender der Wettbewerbsbehörde Federal Trade Commission (FTC), kündigte bereits 2018 an, die Tech-Giganten wie Facebook, Google und Amazon stärker ins Visier zu nehmen. Wegen eines mutmaßlichen Verstoßes gegen rechtlich bindende Vereinbarungen mit der FTC in Folge des Cambridge-Analytica-Skandals, will Simons dem Online-Netzwek eine saftige Geldstrafe aufbrummen. Monetäre Strafen dürften dem Aktienkurs allerdings nicht schaden. Viel dramatischer wirkte sich eine Gesetzesänderung, die Facebooks Datensammelwut beschneiden würde, aus. Die Rechnung ist denkbar einfach: Je weniger Daten der Konzern sammelt, desto ungenauer ist die zielgruppenspezifische Werbung. Und je ungenauer die Werbung, desto günstiger ist sie. Ergo: Facebook würde weniger Geld verdienen.
Gute Quartalszahlen erfreuen Anleger
Dabei hatte das laufende Jahr mit der Bekanntgabe der vierten Quartalszahlen aus 2018 so gut begonnen. Facebook begeisterte seine Anleger: 6,68 Milliarden Dollar Rekordgewinn. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ist das ein Plus von rund 61 Prozent. Dieser Vergleich ist aber nicht ganz aussagekräftig, weil der Konzern im Vorjahr eine einmalige Abgabe aus Auslandsgewinnen im Zuge der US-Steuerreform leisten musste. Aussagekräftiger sind die Umsatz- und Nutzerzahlen des Weihnachtsquartals im Jahresvergleich. Diese sind um 30 Prozent auf 16,9 Milliarden Dollar gestiegen. Auch die Zahl monatlich aktiver Nutzer wuchs binnen drei Monaten um etwa 50 Millionen auf insgesamt 2,32 Milliarden. Damit nutzen rund 2,7 Milliarden Menschen mindestens eine Facebook-App. Anleger, deren Erwartungen vor der Bekanntgabe der Quartalszahlen verhältnismäßig zurückhaltend waren, zeigten sich erfreut. Die Aktie kletterte nachbörslich fast neun Prozent und ist derzeit für rund 166 Dollar zu haben. Der Umsatz von Facebook sei deutlich besser als erwartet ausgefallen, sagt Heather Bellini, Analystin bei Goldman Sachs.
Aber auch die Werbeeinnahmen – das wohl wichtigste Standbein des Tech-Giganten – sind gestiegen. Trotz der Datenskandale und juristischem Ärger konnte Sheryl Sanberg, bei Facebook für das Tagesgeschäft verantwortlich, die Werbekunden bei Stange halten. Alle Schwierigkeiten haben also weder dem Werbegeschäft noch der Beliebtheit bei den Nutzern geschadet. Das könnte sich nun ändern. Laut der Marktforschungsfirma eMarketer kontrolliere Facebook knapp 21 Prozent des digitalen Werbemarkts. Lediglich Google-Tochter Alphabet ist mit 31 Prozent größer. Verliert das Online-Netzwerk Werbekunden aufgrund rechtlicher Restriktionen, wächst es vermutlich langsamer als von seinen Anlegern erhofft – ein Kurseinbruch wäre vorprogrammiert.
Florian Spichalsky